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verfahrensrecht:wiedereinsetzung_in_den_vorigen_stand

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 233 ZPO

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

§ 234 ZPO → Wiedereinsetzungsfrist
§ 236 ZPO → Wiedereinsetzungsantrag
§ 236 (1) ZPO → Form des Wiedereinsetzungsantrags
§ 236 (2) ZPO → Inhalt des Wiedereinsetzungsantrags
§ 238 ZPO → Verfahren bei Wiedereinsetzung

§ 85 (2) ZPO → Verschulden des Prozessbevollmächtigten

§ 91 MarkenG → Wiedereinsetzung
§ 123 PatG → Wiedereinsetzung

Büroorganisation des Rechtsanwalts
Organisationsverschulden
Fristenkontrolle
Ausgangskontrolle
Entschuldbares Fristversäumnis nach Antrag auf Prozesskostenhilfe
Gerichtliche Fürsorgepflicht
Pflicht des Rechtsanwalts zur Nachfrage und Nachforschung
Gerichtliche Hinweispflicht bei nicht ausreichender Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs
Erkrankung des Rechtsanwalts
Fristversäumnis wegen wirtschaftlichem Unvermögen
Erledigungsvermerk in der Handakte

Nach § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den seitens der Partei vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumnis von der Partei beziehungsweise ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war.1)

Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler von Büropersonal hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin kein eigenes Verschulden etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens trifft. Die Partei muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen.2)

Bei erfolgreicher Wiedereinsetzung wird die nachgeholte Handlung als rechtzeitig fingiert. Bereits ergangene Beschlüsse werden, auch wenn sie bereits in Rechtskraft erwachsen sind, hinfällig. Erloschene Rechte leben rückwirkend wieder auf.

Die Umstände, aus denen sich ergibt, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist, müssen durch eine geschlossene, aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden.3)

Die Anforderungen daran, was eine Partei veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, dürfen nicht überspannt werden, um den Zugang zu Gericht nicht unnötig zu erschweren.4)

Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Für den Fall, dass die Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen wird, muss durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt sein, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden [→ Fristenkontrolle].5)

Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind. Zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation gehört dabei die klare Anweisung, dass stets und unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müssen, bevor dies in der Handakte vermerkt wird.6)

Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung zudem nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist.7)

Der Rechtsanwalt hat ferner selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein Fristende richtig ermittelt und eingetragen wurde, wenn ihm die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt wird. Ist die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt und drängen sich an der Richtigkeit insoweit keine Zweifel auf, braucht der Rechtsanwalt nicht noch zusätzlich zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist.8)

Weicht der Rechtsanwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die schon für sich genommen eine Fristwahrung gewährleisten, sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an.9) Er darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Bürokraft, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Betrifft die Anweisung indessen einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung - etwa im Drang der übrigen Geschäfte - in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. Durch eine klare und präzise Anweisung im Einzelfall, die Rechtsmittelbegründungsfrist sofort und vor allen anderen Aufgaben im Fristenkalender einzutragen, wird in diesen Fällen eine ausreichende Vorkehrung getroffen, insbesondere dann, wenn weiter eine allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen.10)

Nur gesetzliche Fristen sind wiedereinsetzbar, nicht aber Termine. Die versäumte Frist muß einen Rechtsnachteil zur Folge haben. Patentamtliche oder gerichtliche Fristen haben nicht unmittelbar einen Rechtsnachteil zur Folge und sind demnach nicht wiedereinsetzbar. Für patentamtliche Fristen existiert die Möglichkeit der Weiterbehandlung.

Die Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG beginnt nicht schon mit dem Erhalt der patentamtlichen Mitteilung, mit der der Patentinhaber über eine Zahlungsfrist als solche unterrichtet wird. Positive Kenntnis von der Fristversäumung hat der Patentinhaber erst nach dem Erhalt der Mitteilung des Patentamts, dass sein Patent wegen nicht rechtzeitiger Zahlung einer Jahresgebühr erloschen ist.11)

Keine Hemmung der Rechtskraft durch Wiedereinsetzungsantrag

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hemmt den Eintritt der Rechtskraft nicht; vielmehr tritt eine Hemmung der Rechtskraft erst rückwirkend mit der Entscheidung ein, mit der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.12)

Verschulden

Verschulden umfaßt Vorsatz und Fahrlässigkeit.

  • Subjektivität: Verschulden ist subjektiv unterschiedlich zu bewerten. An einen Patentanwalt/Rechtsanwalt werden erhöhte Anforderungen gestellt.
  • Mitverschulden: Eine Wiedereinsetzung kommt schon dann nicht in Betracht, wenn ein Mitverschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 1 ZPO) Ursache für die Fristversäumung war.13)
  • Vertreter: Das Verschulden des Vertreters ist wie eigenens Verschulden zu bewerten.
  • Verzögerung bei Briefbeförderung: Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Post kann einer Partei nicht als Verschulden angerechnet werden.(
  • Unvorhersehbares: Unvorhersehbares (z.B. eine Reifenpanne, etc.) wird nicht dem Antragsteller zu Lasten gelegt.
  • Rechtsunkenntnis: Rechtsunkenntnis entschuldigt grundsätzlich nicht, außer sie wäre auch bei zumutbarer äußerster Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen.14)
  • Außergewöhnliche seelische Belatungen: Außergewöhnliche seelische Belastungen können bedingt berücksichtigt werden.15)
  • Ausgangskontrolle: Prozessbevollmächtigte müssen in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen.
  • Telefaxübermittlung: Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxübermittlung (einschließlich der Kontrolle des Sendeprotokolls) kann der Anwalt allerdings grundsätzlich seinem Personal überlassen. Er braucht ihre Erfüllung dann nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren16). Dies kann auch bei einer Auszubildenden der Fall sein, wenn diese mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat17).18) Allerdings muß die Auszubildende auch mit der Ausgangskonrolle vertraut sein.
  • Beim Rechtsübergang von Schutzrechten ist besonders sorgfältig darauf zu achten, dass in der Übergangsphase die Zahlung von Gebühren für ein Patent nicht aus dem Blickfeld gerät. Bei Übergängen zwischen ausländischen Firmen sind die Inlandsvertreter unbedingt über den Wechsel zu informieren. Bevor das Patent (mit eventuell daraus entstehenden nationalen Patenten) aus der Aktenverwaltung des früheren Patentinhabers entfernt wird, ist für eine nahtlose Übertragung auf die Aktenverwaltung des späteren Patentinhabers (bzw. der neu bestellten Patentanwälte) Sorge zu tragen. Wird keine dieser als selbstverständlich erscheinenden Maßnahmen ergriffen, ist das Verhalten der an dem Rechtsübergang Beteiligten als grob fahrlässig anzusehen. In diesem Fall ist die Zahlungsfrist nicht ohne Verschulden versäumt und ein Wiedereinsetzungsantrag nicht begründet.19)
  • Die Partei muß Vorkehrungen treffen, dass sie von gerichtlichen Zustellungen Kenntnis erlangt.20)

Zurechnung des Verschuldens einer Hilfskraft

Der Rechts- oder Patentanwalt ist im Rahmen der ihm obliegenden Pflicht, alles Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten, grundsätzlich berechtigt, die Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft anzuvertrauen, sofern durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden.21)

Allgemeine organisatorische Vorkehrungen und Anweisungen für die Fristenwahrung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich dann entbehrlich, wenn der Anwalt einer zuverlässigen Kanzleikraft eine konkrete Einzelanweisung erteilt, welche für sich selbst bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte.22)

Der Rechtsanwalt darf einfache Verrichtungen, die keine juristische Ausbildung verlangen, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen. Hierzu rechnet die Überprüfung ausgehender Rechtsmittelschriften darauf, ob sie unterschrieben sind. Versehen des Personals bei dieser Kontrolle beruhen nicht auf einem eigenen Verschulden des Rechtsanwalts, das sich die Partei zurechnen lassen muss, wenn der Rechtsanwalt durch eine allgemeine Anweisung Vorsorge dafür getroffen hat, dass unter normalen Umständen Fristversäumnisse wegen fehlender Unterschrift vermieden werden.23)

Mangelnde Sorgfalt der Hilfskräfte ist den Bevollmächtigten nicht zuzurechnen. Die Zurechnungsvorschriften der §§ 278, § 831 BGB sind zwar für die Wiedereinsetzung generell nicht anwendbar, es haben sich aber gewisse Voraussetzungen herausgebildet, die der Exkulpation nach §§ 278, § 831 BGB entsprechen:

  • Organisationsmängel: Organistaionsmängel sind dem Antragsteller zuzurechnen.
  • Übertragung der Aufgaben: Der Aufgabenbereich, in den die Fristversäumnis fällt, muß der Hilfskraft übertragen worden sein.
  • Auswahl und Schulung der Hilfskräfte: Die Hilfskräfte müssen sorgfältig ausgewählt, ausgebildet bzw. eingewiesen, geschult und stichprobenartig überwacht werden.

Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung

Einer Prozesspartei dürfen Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden. Sie darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden. In ihrem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Deshalb darf eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass werktags im Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden.24)

Glaubhaftmachung der Tatsachen

Der Wiedereinsetzungsantrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten.

Strenge Anforderungen an die Substanziierung des Antrags: Die erforderlichen Angaben müssen innerhalb der Antragsfrist glaubhaftgemacht werden.

Zur Glaubhaftmachung sind alle Beweismittel der ZPO zulässig, sowie die eidesstattliche Versicherung.

Lediglich unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden, insbesondere, wenn deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war25).

Werden die getroffenen organisatorischen Vorkehrungen nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht, so ist ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten zu vermuten.26)

Wenn das Vorbringen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht, nicht enthält, hat das Rechtsmittelgericht in zureichender Weise darauf hinzuweisen, dass zur Prüfung der Begründetheit seines Wiedereinsetzungsantrags das bisherige Vorbringen nicht ausreicht, und dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, die Lücken im Vorbringen zu ergänzen und/oder entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten.27)

Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, können dabei auch noch nach Fristablauf ergänzt oder erläutert werden. Eine solche Vervollständigung der Angaben kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch noch mit der Rechtsbeschwerde erfolgen.28)

Versäumte Handlung

Die versäumte Hanldung muß innerhalb der Antragsfrist nachgeholt werden.

Rechtsmittel

Kein Rechtsmittel gegen die gewährte Wiedereinsetzung.

Gegen die Ablehung der Wiedereinsetzung entweder Beschwerde oder Rechtsbeschwerde.

Mehrere Verfahrensbeteiligte

Ist ein Patent für zwei Patentinhaber erteilt worden, so sind beide Patentinhaber verfahrensrechtlich als notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 ZPO zu betrachten, so dass durch die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags seitens eines Pateninhabers auch der andere Patentinhaber zum Beteiligten des Wiedereinsetzungsverfahrens wird. Patentamtliche Beschlüsse, die in dem Wiedereinsetzungsverfahren ergehen, müssen somit beiden Patentinhabern zugestellt werden.29)

Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags

§ 238 (2) ZPO

Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

Nach § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags und auf die Anfechtung der Entscheidung die Vorschriften anzuwenden, die für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob über das Wiedereinsetzungsgesuch isoliert vorab oder zusammen mit der nachgeholten Prozesshandlung eine Entscheidung getroffen wird.30)

Über die - regelmäßig unzweckmäßige - isolierte Versagung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist durch Urteil zu erkennen.31)

§ 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO soll die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch an die nachgeholte Prozesshandlung binden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung nimmt deshalb denselben Gang wie die versäumte Prozesshandlung (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, Abteilung 1, Begründung des Entwurfs §§ 206-208, S. 173).32)

Erkennt das Landgericht über das Wiedereinsetzungsgesuch durch Urteil, kann die Partei das die Wiedereinsetzung versagende Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung und das die Berufung zurückweisende Urteil des Berufungsgerichts gegebenenfalls mit der Revision anfechten.33)

Verfahrensökonomie

Aus Gründen der Verfahrensvereinfachung kann in derartigen Fällen, in denen es noch weiterer Beweiserhebungen zur Rechtzeitigkeit eines Rechtsbe-helfs bedarf, andererseits aber schon jetzt davon auszugehen ist, dass selbst dann, wenn sich die Fristwahrung nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest-stellen lässt, jedenfalls Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, dem Wiederein-setzungsgesuch stattgegeben werden (BGH, Beschl. v. 27.2.2002 - I ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1070 f.).

Vertrauenstatbestand

Nach der Rechtsprechung kommt eine Wiedereinsetzung ausnahmsweise in Betracht, wenn die versäumte Prozesshandlung durch eine irrige Rechtsauffassung des Gerichts veranlasst und hierdurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde.34)

siehe auch

1)
BGH, Beschl. v. 18. November 2021 - I ZR 125/21; m.V.a. BGH, Beschluss vom 26. August 2021 - III ZB 9/21, juris Rn. 11, mwN
2)
st. Rspr. vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 8. November 2018 - I ZB 108/17 m.V.a. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2018 - IX ZB 4/17, juris Rn. 5
3)
st. Rspr.; BGH, Beschluss v. 10. Januar 2013 - I ZB 76/11; m.V.a. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180, 2181; Beschluss vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501
4)
BGH, Beschl. v. 3. April 2008 - I ZB 73/07 - Münchner Weißwurst
5)
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2022 - I ZB 46/21; m.w.N.
6)
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2022 - I ZB 46/21; m.V.a. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 - II ZB 14/17, NJOZ 2018, 828 Rn. 10 mwN; Beschluss vom 23. Juni 2020 - VI ZB 63/19, NJW 2020, 2641 Rn. 10 mwN
7)
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2022 - I ZB 46/21; m.V.a. BGH, Beschluss vom 12. September 2019 - IX ZB 13/19, NJW 2019, 3234 Rn. 13 mwN
8)
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2022 - I ZB 46/21; m.V.a. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 - VI ZB 40/16, NJWRR 2018, 58 Rn. 7 und 9 mwN; BGH, NJW 2020, 2641 Rn. 10 mwN
9)
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2022 - I ZB 46/21; m.V.a. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - I ZB 47/18, juris Rn. 15 mwN
10)
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2022 - I ZB 46/21; m.V.a. BGH, Beschluss vom 11. März 2020 - XII ZB 446/19, NJW-RR 2020, 940 Rn. 13 mwN; Beschluss vom 5. Mai 2021 - XII ZB 552/20, NJW-RR 2021, 998 Rn. 15 mwN
11)
BPatG, Beschl. v. 21.04.2005 – 10 W (pat) 45/03.
12)
BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - I ZB 54/07; m.V.a. BGHZ 1, 200, 203
13)
BGH, Beschl. v. 8.3.2001 - V ZB 5/01, NJW-RR 2001, 1072 m.w.N.
14)
van Hees, Verfahrensrecht in atentsachen
15)
van Hees, Verfahrensrecht in Patentsachen
16)
vgl. BGH NJW 2004, 367, 368
17)
vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936
18)
BGH, Beschl. v. 26. Januar 2006 - I ZB 64/05
19)
BPatG, Beschl. v. 09.05.2005 – 10 W (pat) 43/02
20) , 32)
BGH, Vers.-Urt. v. 19. Juli 2007 - I ZR 136/05 - Fehlende Unterschrift
21)
st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss v. 21. Februar 2011 - X ZR 111/10; auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, MDR 2010, 533 Nr. 10 mwN
22)
BGH, Beschluss v. 21. Februar 2011 - X ZR 111/10; m.V.a. BGH, Beschluss vom 18. August 2009 - VIII ZB 62/08, JurBüro 2010, 56 Rn. 10
23)
BGH, Beschl. v. 3. April 2008 - I ZB 73/07 - Münchner Weißwurst; m.V.a. BGH, Beschl. v. 15. 2. 2006 – XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205 Tz. 9; Beschl. v. 1. 6. 2006 – III ZB 134/05, NJW 2006, 2414 Tz. 5
24)
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - XI ZB 34/09, FamRZ 2010, 636 Rn. 7 mwN
25)
vgl. - zu § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO - BGH, Beschl. v. 5.10.1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366; Beschl. v. 12.6.2001 - X ZB 14/01, BGH-Rep 2001, 982; vgl. weiter Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 91 Rdn. 29; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 91 Rdn. 31
26)
vgl. BGH NJW 2004, 688, 689
27)
vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2022 - VIII ZB 24/21; BGH, Beschlüsse vom 2. August 2022 - VIII ZB 3/21, zur Veröffentlichung bestimmt, Rn. 16; vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 65/20, NJW 2021, 3132 Rn. 17; vom 19. November 2020 - V ZB 49/20, juris Rn. 12; vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rn. 8
28)
BGH, Beschluss vom 6. September 2022 - VIII ZB 24/21; m.V.a. BGH, Beschlüsse vom 2. August 2022 - VIII ZB 3/21, aaO Rn. 34; vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 65/20, aaO Rn. 17; vom 28. April 2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rn. 26; vom 16. Oktober 2018 - VI ZB 68/16, NJW-RR 2019, 502 Rn. 7; vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, aaO Rn. 10
29)
BPatG, Beschl. v. 09.12.2004 – 10 W (pat) 40/04.
30)
BGH, Vers.-Urt. v. 19. Juli 2007 - I ZR 136/05 - Fehlende Unterschrift
31)
BGH, Vers.-Urt. v. 19. Juli 2007 - I ZR 136/05 - Fehlende Unterschrift; m.w.N.
33)
BGH, Vers.-Urt. v. 19. Juli 2007 - I ZR 136/05 - Fehlende Unterschrift; vgl. BGHZ 47, 289, 291 f.; Zöller/Greger aaO § 238 Rdn. 7
34)
BGH, Beschl. v. 24. November 2014 - X ZR 66/13; m.V.a. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2004 - 1 BvR 1892/03, NJW 2004, 2887, 2888; BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1992 - X ZB 18/91, NJW 1992, 1700, 1701; Beschlüsse vom 26. März 1996 - VI ZB 1/96 und 2/96, NJW 1996, 1900, 1901
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