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Auslegung der Patentansprüche

Die Auslegung der Patentansprüche bezieht sich auf den Prozess, durch den der genaue Schutzbereich eines Patents bestimmt wird [Art. 69 (1) EPÜ → Bestimmung des Schutzbereichs]. Dies ist entscheidend, um festzustellen, welche technischen Merkmale durch das Patent geschützt sind und welche nicht [→ Patentschutz]. Die Auslegung der Patentansprüche ist sowohl im Prüfungsverfahren als auch in Verletzungsverfahren von zentraler Bedeutung.

Die Auslegung von europäischen Patentansprüchen ist sowohl im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt als auch in nationalen Patentverletzungs- und Nichtigkeitsverfahren von zentraler Bedeutung [→ Auslegung der Patentansprüche]. Nationale Gerichte müssen die Grundsätze des Artikels 69 EPÜ und des Auslegungsprotokolls anwenden, um den Schutzbereich des Patents zu bestimmen und sicherzustellen, dass der Patentinhaber einen angemessenen Schutz erhält, während gleichzeitig ausreichende Rechtssicherheit für Dritte gewährleistet wird. Relevante Entscheidungen wie G 1/98 und T 1173/97 betonen die Notwendigkeit einer einheitlichen und fairen Auslegung der Patentansprüche in allen Verfahren.

Der Patentanspruch ist nicht nur der Ausgangspunkt, sondern auch die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs eines europäischen Patents nach Art. 69 EPÜ [→ Bestimmung des Schutzbereichs] in Verbindung mit dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 EPÜ [→ Auslegungsprotokoll zum Europäischen Patentübereinkommen]. 1)

Artikel 69 EPÜ sollte nicht so verstanden werden, dass die Ansprüche nur als Richtschnur dienen und der tatsächlich gewährte Schutz das umfasst, was eine Fachperson beim Betrachten der Beschreibung und Zeichnungen gedacht hat. Vielmehr definieren die Ansprüche den Schutzumfang des Patents nach Artikel 69 EPÜ und somit die Rechte des Patentinhabers in den ausgewählten Vertragsstaaten gemäß Artikel 64 EPGÜ. Im Rahmen seiner Auslegung müssen ein angemessener Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte kombiniert werden.2)

Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat.3)

Ein Merkmal eines Patentanspruchs ist stets im Lichte des gesamten Anspruchs auszulegen. Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs als Ganzes ist abzuleiten, welche technische Funktion diese Merkmale sowohl einzeln als auch insgesamt tatsächlich haben.4)

Für die Auslegung eines Patentanspruchs kommt es nicht allein auf seinen genauen Wortlaut im sprachlichen Sinne an. Vielmehr sind die Beschreibung und die Zeichnungen als Erläuterungshilfen für die Auslegung des Patentanspruchs [→ Beschreibung und Zeichnungen] stets mit heranzuziehen und nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten im Patentanspruch anzuwenden.5)

Wenn mehrere Ausführungsformen in der Beschreibung als im Einklang mit der Erfindung dargestellt sind, sind die im Anspruch verwendeten Begriffe im Zweifelsfall so zu verstehen, dass alle Ausführungsformen sie erfüllen können6). Gleiches gilt für Unteransprüche, die den Schutzbereich des Hauptanspruches in der Regel nicht verengen. Sie zeigen lediglich Gestaltungsmöglichkeiten, die möglicherweise einen zusätzlichen Vorteil bieten7).8)

Der Patentanspruch ist aus Sicht der Fachperson auszulegen [→ Fachperson bei der Auslegung].9)

Bei der Anwendung dieser Grundsätze soll ein angemessener Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbunden werden. Diese Grundsätze für die Auslegung eines Patentanspruchs gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Verletzung und des Rechtsbestands eines europäischen Patents.

Auch die verfahrensrechtliche Einordnung der Auslegung als Rechtsfrage, ihre gerichtliche Zuständigkeit sowie die Grenzen sachverständiger Mitwirkung sind für die Auslegungspraxis von Bedeutung.

Bei der Anwendung dieser Grundsätze soll ein angemessener Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbunden werden. 10)

Die Grundsätze für die Auslegung eines Patentanspruchs gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Verletzung [PatG → Patentverletzung, EPGVO, Abschnitt 1 → Verletzungsklage] und des Rechtsbestands eines europäischen Patents. 11)

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Auslegung eines Patentanspruchs zur Beurteilung der Rechtsbeständigkeit ist der Anmelde- (oder Prioritäts-)tag der Anmeldung, die zu dem Patent geführt hat.12)

siehe auch

Artikel 84 EPÜ → Patentansprüche
Artikel 69 EPÜ → Schutzbereich

Funktionelle Anspruchsmerkmale
Auslegung der Patentansprüche (Rechtsprechung der deutschen Gerichte)

1) , 10) , 11)
EPG, Berufungsgericht, Beschl. v. 3. Dezember 2024 – UPC_CoA_297/2024
2)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 16. Juni 2025 – UPC_CFI_140/2025; m.V.a. Art. 1 Prot. über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ; UPC_CoA_335/2023, Order of 26 February 2023 NanoString v 10x Genomics; UPC_CoA_8/2024, Order of 13 May 2024, mn. 26 VusionGroup v Hanshow; UPC_CoA_297/2024, Order of 3 December 2024, mn. 29 SharkNinja v Dyson
3)
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03 - Crimpwerkzeug IV; m.V.a. BGH, Urteil vom 17. April 2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88 Rn. 14 - Ziehmaschinenzugeinheit, mwN
4) , 12)
EPG, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 21. Mai 2025 – UPC_CFI_230/2024
5) , 9)
EPG, Berufungsgericht, Beschl. v. 11. März 2024 – UPC_CoA_335/2023
6)
UPC_CoA_405/2024 Alexion Pharmaceuticals v Amgen; UPC_CFI_390/2023 (LD Munich, Panel 1), Decision of 13 September 2024, Headnote 2 Philipps v Belkin
7)
UPC_CFI_443/2023 (LD Munich, Panel 2), Order of 25 November 2024, Headnote 2 Häfle v Kunststoff KG Nehl
8)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 16. Juni 2025 – UPC_CFI_140/2025
ep/auslegung_der_patentansprueche.txt · Zuletzt geändert: 2025/06/17 07:13 von mfreund