Dem Anmelder steht innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach dem Anmeldetag einer beim Patentamt eingereichten früheren Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung für die Anmeldung derselben Erfindung zum Patent ein Prioritätsrecht zu, es sei denn, daß für die frühere Anmeldung schon eine inländische oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist.
§ 40 (2) PatG → Mehrfachprioritäten
§ 40 (3) PatG → Erfindungsidentität
§ 40 (4) PatG → Prioritätsfrist, Prioritätserklärung
§ 40 (5) PatG → Rücknahmefiktion bei Inanspruchnahme der inneren Priorität
§ 40 (6) PatG → Aktennahme einer Abschrift der Prioritätsanmeldung
§ 41 PatG → Ausländische Priorität
§ 14 (2) Nr. 1 PatV → Deutsche Übersetzungen von Prioritätsbelegen
→ Prioritätsbeleg
→ Kettenpriorität
→ Übertragung des Prioritätsrechts
→ Offenbarungsgehalt einer früheren Anmeldung
→ Mögliche Grundlagen für die Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts
Die Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung setzt voraus, dass die Prioritätsunterlagen die Gesamtheit der Merkmale der durch den Patentanspruch umschriebenen technischen Lehre deutlich offenbaren.1)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist hierfür erforderlich, dass der Fachmann die im Patentanspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen – „unmittelbar und eindeutig“2) – als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann3).4)
Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt.5)
Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung.6)
Offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung der Voranmeldung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns nach seinem allgemeinen Fachwissen jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern „mitgelesen” wird.7)
Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt.8)
Die Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts ist nicht wirksam, wenn der Gegenstand der späteren Anmeldung aus dem Inhalt der früheren Anmeldung nur aufgrund eigenständiger Überlegungen des Fachmanns hergeleitet werden kann. Hierbei ist unerheblich, ob es naheliegend war, solche Überlegungen anzustellen.9)
Entsprechendes gilt für den Nichtigkeitsgrund des Hinausgehens über den Inhalt der Anmeldung [§ 22 (1) Nr. 4 PatG → Widerruf wegen unzulässiger Erweiterung].10)
Die frühere Anmeldung (Priorität) muß die erste Anmeldung sein, die den Erfindungsgegenstand offenbart [→ Offenbarungsgehalt einer früheren Anmeldung].
Allerdings ist eine Fassung des Patentanspruchs, die gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eine Verallgemeinerung enthält, nicht unter allen Umständen ausgeschlossen. In Bezug auf die Frage, ob die Priorität einer Voranmeldung zu Recht in Anspruch genommen wird, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dies unter der Voraussetzung zulässig ist, dass sich die in der Voranmeldung anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist.11)
Das spätere Schicksal der Prioritätsanmeldung ist für das Prioritätsrecht ohne Bedeutung.
Zur Inanspruchnahme der Priorität berechtigt ist der Anmelder der prioritätsbegründenden Anmeldung oder sein Rechtsnachfolger.
Das Prioritätsrecht ist frei übertragbar. Die Übertragung ist deshalb nicht auf den Fall der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt. Es kann auch ohne die prioritätsbegründende Anmeldung übertragen werden.
Ein Prioritätsrecht entsteht mit Einreichung einer Anmeldung und geht im Falle eines etwaigen Wegfalls der Anmeldung durch Eintritt einer Rücknahmefiktion - wie hier - nicht unter (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 40 Rn. 13), und es muss daher im Falle einer Wiedereinsetzung auch nicht wieder mit der Anmeldung wiederaufleben.12)
§§ 34 bis 43 PatG → Anmeldeverfahren
§§ 34 bis 64 PatG → Verfahren vor dem Patentamt
PatG → Patentgesetz
→ Innere Priorität
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