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urheberrecht:streitwert_bei_bereitstellung_eines_werkes_ueber_eine_tauschboerse_im_internet

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Streitwert bei Bereitstellung eines Werkes über eine Tauschbörse im Internet

Angemessenen Lizenzgebühr bei Bereitstellung eines Werkes über eine Tauschbörse im Internet

Die Bereitstellung eines Werkes über eine Tauschbörse im Internet eröffnet einer unbegrenzten Vielzahl von Tauschbörsenteilnehmern die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen und anschließend anderen Nutzern zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werkes insgesamt in Frage.1)

Das Gefährdungspotential, welches dem Bereitstellen eines Werkes in einer Internettauschbörse innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum.2)

Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs lassen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung entnehmen.3). Als für die Bemessung des Gegenstandswertes heranzuziehende Kriterien kommen danach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke in Betracht. Darüber hinaus können - soweit feststellbar - auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen sein.4)

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten können nicht zu einer Minderung des für die Kosten der Abmahnung anzusetzenden Gegenstandswertes führen. Die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung, nach der es bei der Bemessung des Streitwertes für Unterlassungsansprüche wertmindernd zu berücksichtigen ist, wenn die Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erscheint, ist auf urheberrechtliche Abmahnungen nicht entsprechend anwendbar.5)

Nach § 97a Abs. 2 UrhG aF [→ Abmahnkosten in einfach gelagerten Fällen] beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 €. Ein Eingreifen dieser Ausnahmeregelung, deren Voraussetzungen der Unterlassungsschuldner darzulegen und - soweit erforderlich - zu beweisen hat6), setzt neben einer erstmaligen Abmahnung und einer außerhalb des geschäftlichen Verkehrs geschehenen Rechtsverletzung einen einfach gelagerten Streitfall und eine nur unerhebliche Rechtsverletzung voraus. Davon, dass diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden.7)

Die Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 UrhG aF sind bei dem Anbieten urheberrechtlich geschützter Gegenstände zum Herunterladen über eine Internettauschbörse regelmäßig nicht erfüllt.8)

Das Anbieten urheberrechtlich geschützter Werke zum Herunterladen über eine Internettauschbörse ist grundsätzlich geeignet, die geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen des Rechteinhabers erheblich zu beeinträchtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (BGHZ 195, 257 Rn. 23 - Alles kann besser werden). Vor diesem Hintergrund können auch an das Vorliegen eines nur unerheblichen Eingriffs in die urheberrechtlich geschützte Rechtsposition im Einzelfall keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Die Annahme einer unerheblichen Rechtsverletzung gemäß § 97a Abs. 2 UrhG aF kommt hiernach allenfalls in Betracht, wenn die Rechtsverletzung im Hinblick auf Art und Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke und die Dauer und Häufigkeit des im konkreten Fall in Rede stehenden Downloadangebotes von verhältnismäßig geringem Ausmaß ist.9)

Das Bereithalten eines erst vor kurzer Zeit erschienenen Computerspiels zum Herunterladen stellt keine unerhebliche Rechtsverletzung dar.10)

Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, die in § 97a Abs. 2 UrhG aF vorgesehene Begrenzung des Anspruches auf Erstattung der Kosten der Abmahnung mit Wirkung zum 9. Oktober 2013 durch die in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG niedergelegte Regelung zu ersetzen, nach der sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 € beschränkt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung bewusst davon abgesehen, die von ihm beabsichtigte Reduzierung der Belastung mit den Kosten einer Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen, die dem privaten Nutzerverhalten zugerechnet werden können, weiterhin an das Vorliegen einer nur „unerheblichen Rechtsverletzung“ zu knüpfen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BR-Drucks. 219/13, S. 13). Die hiermit etwa einhergehende Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen über die Begrenzung des Erstattungsanspruches kann danach nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelung greifen.11)

Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswertes des Unterlassungsanspruchs ist einerseits dem Wert des verletzten Schutzrechts angemessen Rechnung zu tragen, wobei das Angebot zum Herunterladen eines Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen wird, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist12). Weiter ist die Aktualität und Popularität des Werkes und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000 € angemessen13). Liegen besondere Umstände vor (z.B. eine in erheblichen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität), kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein14).15)

siehe auch

1)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15; hierzu auch BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 80/11, BGHZ 195, 257 Rn. 23 - Alles kann besser werden). Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsinhabers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den Hintergrund.((BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15
2)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15; m.V.a. OLG Schleswig, GRURRR 2010, 126; OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270; OLG Brandenburg, NJW-RR 2014, 227, 230; OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229; Teplitzky/Feddersen aaO Kap. 49 Rn. 14a; aA J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 51
3)
BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche
4)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15
5)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15; m.V.a. BGH, GRUR 2016, 176 Rn. 81 - Tauschbörse I; GRUR 2016, 184 Rn. 74 - Tauschbörse II
6)
BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 48 - Tannöd
7)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15
8)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15; m.V.a. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 16; Wild in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rn. 34; BeckOK UrhR/Reber, Stand: 1. März 2013, § 97a UrhG Rn. 23; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 3a
9) , 11) , 15)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15
10)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 97/15; m.V.a. OLG Frankfurt, WRP 2014, 1232, 1234; LG Berlin, MMR 2011, 401; LG Köln, ZUM 2011, 350, 352; Urteil vom 12. Februar 2014 - 308 O 227/13, juris und Beschluss vom 28. April 2014 - 308 O 83/14, juris; LG Frankfurt, GRUR-RR 2015, 431, 436; LG Köln, ZUM-RD 2010, 479, 481 und ZUM 2012, 350, 352; AG Hamburg, ZUM-RD 2011, 565, 567; AG München, Urteil vom 7. März 2014 - 158 C 15658/13, juris
12)
vgl. BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 - Tauschbörse II
13)
vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 43/15, K&R 2017, 45 Rn. 48
14)
vgl. BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 59 - Tannöd
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