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grundrecht:unternehmenspersoenlichkeitsrecht

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Unternehmenspersönlichkeitsrecht

Art. 19 (3) GG

Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht schützt als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG gewährleisteten sozialen Geltungsanspruch von Kapitalgesellschaften als Wirtschaftsunternehmen.1)

Ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig ist, muss wegen seiner Eigenart als ein Rahmenrecht durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des betroffenen Unternehmens die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.2)

Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden [§ 4 Nr. 1 UWG → Unlautere Herabsetzung des Mitbewerbers], auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind.3)

Die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphäre der Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihnen insoweit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern. Von diesem Ausgangspunkt her ist auch Art. 19 Abs. 3 GG auszulegen und anzuwenden.4)

Danach rechtfertigt sich eine Einbeziehung von juristischen Personen in den persönlichen Schutzbereich der Grundrechte nur, wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, und insbesondere wenn der „Durchgriff“ auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll oder erforderlich erscheinen lässt.5)

Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die üblicherweise öffentliche Aufgaben wahrnehmen, können danach zumeist keinen Grundrechtsschutz gegen staatliches Handeln beanspruchen (vgl. BVerfG, NVwZ 1994, 262). Ausschlaggebend dafür ist aber nicht die Rechtsform als solche. Maßgebend ist vielmehr, ob und inwieweit in der Rechtsstellung als juristische Person des öffentlichen Rechts eine Sach- und Rechtslage Ausdruck findet, welche nach dem „Wesen“ der Grundrechte deren Anwendung auf juristische Personen entgegensteht. Dabei kommt es namentlich auf die Funktion an, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. Besteht diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so ist die juristische Person zumindest insoweit nicht grundrechtsfähig.6)

Innungen sind Organisationen, die aus den Zünften entstanden und maßgeblich vom Grundsatz der Freiwilligkeit sowohl ihrer Gründung als auch des Beitritts zu ihnen bestimmt sind7). Die Innungen beruhen im Gegensatz zu den Kammern8) nicht auf einer Zwangsmitgliedschaft (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 HwO). Ihre Form ist ihr allerdings vom Staat vorgegeben.9). Innerhalb des vom Staat vorgegebenen Rahmens kann die Innung aber grundsätzlich auch grundrechtlich geschützte Aktivitäten entwickeln10). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Grundrechtsfähigkeit von der Funktion abhängt, für die die Innung Grundrechtsschutz beansprucht11) Die „Doppelnatur“ von Berufsverbänden in der - atypischen12) - Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts führt dazu, dass Grundrechtsfähigkeit in Betracht kommt, soweit nicht die Funktion als Teil der öffentlichen Verwaltung, sondern die Wahrnehmung der gemeinsamen berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen der in den Verbänden zusammengeschlossenen Berufsträger betroffen ist13). Diese „Doppelnatur“ spiegelt sich im gesetzlichen Rahmen für die Handwerksinnungen wider14), der nach Interessenvertretung, Mitgliederförderung und Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung unterscheidet, wobei der Schwerpunkt auf den ersten beiden Aufgaben liegt und die übertragenen staatlichen Aufgaben weniger ins Gewicht fallen15).16)

Die Entscheidung, ob und in welcher Weise kennzeichnende Merkmale der Persönlichkeit für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden sollen, ist wesentlicher - vermögenswerter - Bestandteil des Persönlichkeitsrechts. Dies gilt für das Bildnis17) und den Namen18) einer natürlichen Person.19)

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet gemäß § 823 Abs. 1 BGB den Schutz des eigenen Namens nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) und Personengesellschaften des Handelsrechts. Die Befugnis einer juristischen Person oder Personengesellschaft, mit ihrem Namen oder Firmenbestandteilen werbend an die Öffentlichkeit zu treten und über Art und Umfang des Gebrauchs des Namens oder von Firmenbestandteilen durch andere Bestimmungen zu treffen, ist vermögenswerter Bestandteil ihres Persönlichkeitsrechts.20)

Grundlage einer insoweit in Betracht kommenden deliktsrechtlichen Haftung wegen des Eingriffs in den vermögenswerten Bestandteil des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts am eigenen Namen ist, dass der Name vom als Verletzer in Anspruch Genommenen in einer Weise verwendet wird, die den Werbe- und Imagewert des Namensträgers ausnutzt, indem seine Person beispielsweise als Vorspann für die Anpreisung eines Produkts vermarktet wird oder durch den Gebrauch des Namens zumindest die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt gelenkt wird.21)

Für die Prüfung, ob und in welcher Weise ein kennzeichnendes Merkmal der Persönlichkeit wie etwa der Name von Dritten für Werbezwecke verwendet und damit in den vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts eingegriffen wird, kommt es darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums von einer kommerziellen Nutzung ausgeht. Gleiches gilt für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt von einem Persönlichkeitsmerkmal Gebrauch gemacht wird. Auch insoweit kommt es darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des von der Werbung angesprochenen Verkehrs in der beanstandeten Nutzung den Gebrauch eines Persönlichkeitsmerkmals sieht. Die Beurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.22)

Die nach der Lebenserfahrung fernliegende Möglichkeit, dass Betrachter eines Werbefotos, auf dem neben dem beworbenen Produkt (hier: ein PKW-Modell) ein Flugzeug zu sehen ist, durch eine Internetrecherche anhand der auf dem Foto sichtbaren, für sich genommen nicht als namensmäßig erkannten Buchstabenfolge (hier: das auf dem Leitwerk des Flugzeugs abgebildete gesetzlich vorgeschriebene Luftfahrzeugkennzeichen) die Identität des Halters des Flugzeugs ermitteln könnten, stellt keine dem Werbenden zuzurechnende Verwendung des Namens des Halters dar.23)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 - I ZR 167/20 - Vorsicht Falle; m.V.a. BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 Rn. 27; Urteil vom 26. Januar 2017 - I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 Rn. 36 = WRP 2017, 1085 - Wettbewerbsbezug
2)
BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 - I ZR 167/20 - Vorsicht Falle; m.V.a. BGH, Urteil vom 30. September 2014 - VI ZR 490/12, GRUR 2015, 92 Rn. 19; BGH, GRUR 2017, 918 Rn. 36 - Wettbewerbsbezug
3)
BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 - I ZR 167/20 - Vorsicht Falle; m.V.a. BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - I ZR 75/13, GRUR 2014, 904 Rn. 23 = WRP 2014, 1067 - Aufruf zur Kontokündigung; BGHZ 206, 289 Rn. 31; BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 - VI ZR 80/18, BGHZ 222, 196 Rn. 21
4) , 16)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16
5)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16; m.V.a. BVerfGE 21, 362, 369; 68, 193, 206; BVerfG, NVwZ 1994, 262
6)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16; m.V.a. BVerfGE 68, 193, 207 f.; 70, 1, 15; 75, 192, 197; Burghart in Leibholz/Rinck Art. 19 Rn. 117
7)
vgl. Badura/Kormann, GewArch 2005, 99, 103 f.
8)
vgl. § 90 HwO; § 2 IHKG
9)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16; m.V.a. § 53 Satz 1 HwO; vgl. BVerfG, NVwZ 1994, 262, 262 f.; Remmert in Maunz/Dürig, GG, Stand: Mai 2009, Art. 19 Abs. 3 Rn. 55 mwN
10)
vgl. BVerfG, NVwZ 1994, 262, 263
11)
vgl. BVerfGE 68, 193, 209; BVerfG, NVwZ 1994, 262
12)
vgl. Remmert in Maunz/Dürig aaO Art. 19 Abs. 3 Rn. 55 mwN
13)
Remmert in Maunz/Dürig aaO; Gaier in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., Art. 12 GG Rn. 15; Baier-Treu in Leisner, BeckOK, HwO, Stand: 1. November 2017, § 53 Rn. 12; Günther in Honig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl., § 53 Rn. 12
14)
§ 52 Abs. 1 Satz 1, § 54 HwO
15)
vgl. Badura/Kormann, GewArch 2005, 99, 104
17)
vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1981 - I ZR 73/79, BGHZ 81, 75 [juris Rn. 13] - Carrera; Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21, GRUR 2022, 665 [juris Rn. 13] = WRP 2022, 601 - Tina Turner, mwN), die Stimme (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 [juris Rn. 50 f.] - Marlene Dietrich
18)
vgl. BGHZ 81, 75 [juris Rn. 13] - Carrera; BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 - I ZR 171/21, GRUR 2022, 1694 [juris Rn. 21] = WRP 2022, 1513 - Reizdarmsyndrom, mwN
19) , 21) , 23)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2024 - I ZR 45/23 - Luftfahrzeugkennzeichen
20)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2024 - I ZR 45/23 - Luftfahrzeugkennzeichen; m.V.a. BGHZ 81, 75 [juris Rn. 10 f.] - Carrera
22)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2024 - I ZR 45/23 - Luftfahrzeugkennzeichen; Fortführung von BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - I ZR 2/21, GRUR 2022, 665 [juris Rn. 13 und 17] = WRP 2022, 601 - Tina Turner; Urteil vom 28. Juli 2022 - I ZR 171/21, GRUR 2022, 1694 [juris Rn. 21 und 23] = WRP 2022, 1513 - Reizdarmsyndrom
grundrecht/unternehmenspersoenlichkeitsrecht.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/31 13:09 von mfreund