Wirkung der Klagerücknahme

§ 269 (3) ZPO

Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird.

Die Vorschrift regelt in ihrem Anwendungsbereich eine Ausnahme von dem nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO geltenden Grundsatz, dass der Kläger nach Rücknahme der Klage verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind.1)

Ein „Anlass zur Einreichung der Klage“ im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO kann nur angenommen werden, wenn die Klage bei ihrer Einreichung zulässig und begründet war oder jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Einreichung zulässig und begründet gewesen wäre. Auf den Fall einer aus objektiver Sicht zu keinem Zeitpunkt aussichtsreichen Klage ist die Vorschrift nicht anwendbar.2)

Nach allgemeiner Auffassung ist § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO auf den Fall der Erledigung der Hauptsache zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit anwendbar.3)

Nach der Begründung des Regierungsentwurfs für die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eingefügte Vorschrift sollte der zuvor von der Rechtsprechung nicht als Ausnahmetatbestand zu § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO anerkannte Wegfall des Klagegrunds vor Rechtshängigkeit geregelt werden. Die Rechtsfolge sei wegen der Sachnähe zur Interessenlage nach beiderseitiger Erledigterklärung der Hauptsache der des § 91a Abs. 1 ZPO angeglichen. Werde nach einer Hauptsacheerledigung keine beiderseitige Erledigterklärung abgegeben, sei eine Klageänderung auf Erledigungsfeststellung nur dann erfolgreich, wenn die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit erfolgtes Ereignis unzulässig oder unbegründet werde, etwa durch Zahlung des eingeklagten Betrags (Verweis auf BGH, Urteil vom 15. Januar 1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 14 [juris Rn. 8]). In Fällen der Hauptsacheerledigung zwischen Einreichung und Zustellung der Klage, mithin vor Rechtshängigkeit, werde die Klage in der Regel zurückgenommen und ein etwaiger materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gesondert verfolgt, was aus Gründen der Prozessökonomie unbefriedigend sei. Die Neuregelung ermögliche es, einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch Rechnung zu tragen, ohne dass ein neues Verfahren erforderlich werde.4)

Dementsprechend wird der Begriff „Wegfall des Anlasses zur Klageeinreichung“ überwiegend in Anlehnung an den der „Erledigung der Hauptsache“ ausgelegt. Der Anlass zur Klageerhebung ist danach weggefallen, wenn die Klage zu einem früheren Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen wäre und eine dafür erforderliche Voraussetzung später weggefallen ist.5)

Ein ergangenes, aber noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos.

Die Rechtshängigkeit entfällt rückwirkend § 269 III S.1 ZPO. Fiktion der Nichterhebung der Klage mit ex tunc Beseitigung der Anhängigkeit der Klage → auch die Verjährungswirkung entfällt ex tunc!

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, außer bei Erledigung der Hauptsache zwischen der Klageerhebung und der Zustellung. In diesem Fall erfolgt die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen.

siehe auch

§ 269 ZPO → Klagerücknahme

1)
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZB 38/20; m.V.a. MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 269 Rn. 58 mwN
2)
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZB 38/20
3)
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZB 38/20; m.V.a. MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 269 Rn. 59 mwN; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 269 Rn. 13b
4)
BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZB 38/20; m.V.a. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 81
5)
vgl. BeckOK.ZPO/Bacher, 39. Edition [Stand 1. Dezember 2020], § 269 Rn. 14 mit Verweis ua auf BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2005 - I ZB 37/05, GRUR 2006, 168 Rn. 13 = WRP 2006, 106, wo dieses Begriffsverständnis stillschweigend zugrunde gelegt wurde; ebenso OLG Köln, Beschluss vom 10. September 2003 - 2 W 85/03, juris Rn. 11; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2007, 1166 [juris Rn. 5]; KG, ZUM-RD 2008, 229 [juris Rn. 3]; OLG Frankfurt, NJW-RR 2014, 1406 [juris Rn. 3]; OLG Karlsruhe, MDR 2020, 759 [juris Rn. 7]; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 269 Rn. 18c; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 269 Rn. 16; Baudewin in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl., § 269 Rn. 14; explizit in diese Richtung KG, NJW-RR 2009, 1411, 1412 [juris Rn. 5]; OLG Schleswig, Beschluss vom 8. Februar 2010 - 17 W 28/09, juris Rn. 16; OLG Brandenburg, Beschluss vom 13. September 2011 - 6 W 73/11, juris Rn. 17 f.; OLG Karlsruhe, ZIP 2020, 2415, 2416 [juris Rn. 15]; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rn. 52; im Ergebnis auch MünchKomm.ZPO/ Becker-Eberhard, 6. Aufl., § 269 Rn. 60