Bindungswirkung der rechtlichen Beurteilung der Beschwerdekammer

Artikel 111 (2) EPÜ

Verweist die Beschwerdekammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an das Organ zurück, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, so ist dieses Organ durch die rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer, die der Entscheidung zugrunde gelegt ist, gebunden, soweit der Tatbestand derselbe ist. Ist die angefochtene Entscheidung von der Eingangsstelle erlassen worden, so ist die Prüfungsabteilung ebenfalls an die rechtliche Beurteilung der Beschwerdekammer gebunden.

Die Bindungswirkung besteht nach Art. 111 Abs. 2 Satz 1 EPÜ zwar nur, soweit der Tatbestand derselbe ist. Hieraus ergibt sich jedoch keine Befugnis des Patentinhabers, das Patent nach Zurückverweisung in einer Fassung zu verteidigen, die von derjenigen Fassung abweicht, die die Beschwerdekammer als rechtsbeständig angesehen hat.1)

Die Bindungswirkung besteht darüber hinaus auch in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren gegen eine nach Zurückverweisung ergangene Entscheidung der Einspruchsabteilung. Hat die Beschwerdekammer entschieden, dass das Patent in einer bestimmten Fassung aufrecht zu erhalten ist, und die Sache lediglich zur Anpassung der Beschreibung und weiteren Folgeentscheidungen an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, kann weder der Wortlaut der Ansprüche noch die Patentierbarkeit ihres Gegenstands in einem späteren, die zurückverwiesenen Punkte betreffenden Beschwerdeverfahren nochmals angefochten werden.2)

siehe auch

Artikel 111 (1) EPÜ → Entscheidung über die Beschwerde

1)
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 - X ZR 47/22 - Aminopyridin; m.V.a. EPA, Beschluss vom 8. November 2021 - T 2558/18, GRUR-RS 2021, 35499 Rn. 132 ff.
2)
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022 - X ZR 47/22 - Aminopyridin; m.V.a. EPA, Beschluss vom 5. August 1993 - T 843/91, ABl. EPA 1994, 832 unter 3.4.2