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wettbewerbsrecht:unzulaessige_werbung_mit_objektiv_richtigen_angaben

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Unzulässige Werbung mit objektiv richtigen Angaben

Auch eine objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als bei einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.1)

Ein solcher unrichtiger Eindruck kann etwa entstehen, wenn Werbebehauptungen etwas Selbstverständliches in einer Weise hervorheben, dass der Adressat der Werbung hierin einen besonderen Vorzug der beworbenen Ware oder Leistung vermutet.2)

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder zum Wesen der angebotenen Ware oder Leistung gehörende Umstände besonders hervorgehoben werden, so dass die Werbeadressaten davon ausgehen, es werde mit einem Vorzug gegenüber anderen Waren gleicher Gattung oder Konkurrenzangeboten geworben, obwohl es sich tatsächlich um Merkmale handelt, die das Leistungsangebot des Werbenden gegenüber anderen Angeboten nicht auszeichnen.3)

In der zu § 3 UWG aF ergangenen Entscheidung „Gratis-Sehtest“ hat der Senat die Werbung zugelassen, weil sie weder gesetzlich vorgeschrieben war noch eine zum Wesen der Ware gehörende Eigenschaft betraf, sondern eine freiwillige, wenn auch übliche Sonderleistung darstellte, die im gesundheitlichen Interesse der Verbraucher lag, ohne diese unmittelbar wirtschaftlichen Risiken auszusetzen.4)

Wesensmäßige Eigenschaften der beworbenen Ware oder Leistung und gesetzlich vorgeschriebene Angaben sind jedoch nur Beispiele einer unlauteren Werbung mit Selbstverständlichkeiten.5)

Entscheidend ist, dass der angesprochene Verkehr in der herausgestellten Eigenschaft der beworbenen Ware oder Leistung irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, insbesondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware oder Leistung bei einem Mitbewerber, erwarten kann.6)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an denen sich durch die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nichts geändert hat, kann auch eine objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, das Kaufverhalten oder die Entscheidung für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch die angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.7)

Bei der Abwägung der maßgebenden Umstände, insbesondere der von einer Werbung mit objektiv richtigen Angaben ausgehenden Auswirkungen, der Bedeutung der Irreführung sowie dem Gewicht etwaiger Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit oder des Werbenden selbst sind auch Wertungen des Gesetzgebers8) sowie das verfassungsrechtliche und auch in Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2005/29/EG zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten9).10)

Mit Blick auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG kann deshalb ein uneingeschränktes Verbot unverhältnismäßig sein, das auf die Untersagung eines Hinweises auf eine rechtlich erlaubte berufliche Tätigkeit gerichtet ist.11)

siehe auch

1)
st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 5/21 - Kinderzahnärztin; m.V.a. BGH, GRUR 2021, 1315 Rn. 31 - Kieferorthopädie, mwN
2)
BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 34/13 - Kostenlose Schätzung; m.V.a. BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 I ZR 120/85, GRUR 1987, 916, 917 = WRP 1988, 28 Gratis-Sehtest; Beschluss vom 23. Oktober 2008 I ZR 121/07, WRP 2009, 435 Rn. 2 Edelmetallankauf; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 5 Rn. 2.115; Harte/Henning/Dreyer, UWG, 3. Aufl., § 5 B Rn. 72
3)
BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 34/13 - Kostenlose Schätzung; m.V.a. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.115
4)
BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 34/13 - Kostenlose Schätzung; m.V.a. BGH, GRUR 1987, 916, 917
5)
BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 34/13 - Kostenlose Schätzung; m.V.a. Bornkamm in Köhler/Born-kamm aaO § 5 Rn. 2.115 und die bei MünchKomm.UWG/Reese, § 5 Rn. 178 aufgeführten Fälle
6)
BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 34/13 - Kostenlose Schätzung; m.V.a. BGH, WRP 2009, 435 Rn. 2 Edelmetallankauf
7)
BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 219/12 - Medizinische Fußpflege; m.V.a. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - I ZR 108/97, GRUR 2000, 73, 75 = WRP 1999, 1195 - Tierheilpraktiker; Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 172/08, GRUR 2010, 1024 Rn. 25 = WRP 2010, 1024 - Master of Science Kieferorthopädie; Beschluss vom 16. August 2012 - I ZR 200/11, WRP 2012, 1526 Rn. 3 - Über 400 Jahre Brautradition
8)
BGH, GRUR 2000, 73, 75 - Tierheilpraktiker
9)
vgl. Bornkamm in Köh-ler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.212 mwN
10)
BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 219/12 - Medizinische Fußpflege
11)
BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 219/12 - Medizinische Fußpflege; m.V.a. BGH, Urteil vom 8. März 1990 - I ZR 239/87, GRUR 1990, 1032, 1034 = WRP 1990, 688 - Krankengymnastik; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7. Juni 2005 - 14 U 198/04, juris Rn. 31; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 5.154; Lindacher in GK-UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 883; Dreyer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl. § 5 Rn. B 204
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