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wettbewerbsrecht:dringlichkeitsvermutung

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Dringlichkeitsvermutung

§ 12 (2) UWG

Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen [→ Einstweilige Verfügung] erlassen werden.

§ 12 (1) S. 1 UWG → Anspruchsdurchsetzung
§ 12 (3), (4) UWG → Streitwertminderung

Soweit wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche in Rede stehen, spricht für die Dringlichkeit ihrer Durchsetzung eine tatsächliche Vermutung (§ 12 Abs. 2 UWG), die jedoch durch das Verhalten der Antragstellerseite widerlegbar ist.1)

Wer trotz Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen bis zum Erlass der einstweiligen Verfügung nicht durchgängig das Ziel verfolgt, vorläufigen Rechtsschutz so schnell wie möglich zu erlangen, sondern die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs ohne überzeugenden Grund objektiv verzögert, der offenbart damit, dass es ihm mit dem erstrebten Verbot tatsächlich nicht so eilig ist, als dass ihm nicht zugemutet werden könnte, dieses im Wege eines Hauptsacheverfahrens zu erwirken; maßgebend sind nach der Rechtsprechung des Senats keine festen Fristen, sondern die Umstände des Einzelfalls.2)

So kann es am Verfügungsgrund fehlen, wenn der Verfügungsantrag erst nach einer Hauptsacheklage bei Gericht eingereicht wird, es sei denn nach Anhängigkeit der Hauptsacheklage wären neue dringlichkeitsbegründende Umstände eingetreten.3)

Diese Vermutung ist nach allgemeiner Auffassung jedoch widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Verfolgung seiner Ansprüche nicht eilig ist und er die gerichtliche Geltendmachung in dringlichkeitsschädlicher Weise selbst verzögert (vgl. Ahrens-Schmuckle, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Kap. 45 Rn. 17 f. m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des Senats ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Antragsteller ab Kenntnis von dem Verstoß mehr als einen Monat bis zur Einreichung des Verfügungsantrags bei Gericht zuwartet.4)

Die Dringlichkeitsvermutung ist von dem insoweit mit der Glaubhaftmachungslast belasteten Antragsgegner u.a. dann widerlegt, wenn der Wettbewerber in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis vom Wettbewerbsverstoß und vom Verletzer mit der Antragstellung so lange zugewartet hatte, dass daraus zu schließen wäre, es ist ihm tatsächlich gar nicht (mehr) eilig.5)

Bloß fahrlässige Unkenntnis genügt nicht, da eine Obliegenheit zur Marktbeobachtung nicht besteht.6)

Eine grob fahrlässige Unkenntnis liegt nur dann vor, wenn sich der Anspruchsinhaber bewusst der Kenntnis verschließt oder ihm nach Lage der Dinge der Wettbewerbsverstoß nicht verborgen geblieben sein konnte.7)

So soll es Fallgestaltungen geben, in denen völliges Desinteresse am leicht erkennbaren Wettbewerbsgeschehen indiziell gegen echte Eilbedürftigkeit des Vorgehens spricht, auch wenn der Verstoß rein zufällig entdeckt worden wäre.8)

Ist ein Wettbewerber personell und materiell so ausgestattet, dass ihm - wie auch für seine sonstigen Aktivitäten - die Beobachtung des Marktes eine Selbstverständlichkeit ist und steht er aktiv im Marktgeschehen, wird man aus der Nichtverfolgung jedenfalls offener und klar zu Tage getretener Verstöße von Wettbewerbern über einen längeren Zeitraum ein entsprechendes Desinteresse ableiten können, das einem nun eingeleiteten Eilverfahren entgegensteht, jedenfalls aber die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt, sodass Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes erforderlich ist.9)

Für Verbände oder Institutionen im Sinne von § 8 Abs. 3 UWG soll aufgrund ihrer Funktion und organisatorischen Möglichkeiten jegliche Marktbeobachtungspflicht entfallen.10)

siehe auch

1) , 2) , 3)
OLG Köln, Urt. v. 21.12.200 - 6 U 143/07; m.w.N.
4)
OLG Hamm, Urt. v. 14.07.2009 - 4 U 86/09; m.v.a. NJW-RR 1994, 48; OLGR 2005, 644). Dies ist vorliegend der Fall
5)
OLG Stuttgart Urteil vom 4.7.2013, 2 U 157/12; m.V.a. OLG Hamm LRE 60, 84 [juris Tz. 37]; Büscher in Fezer, MarkenR, 4. Aufl. [2009], § 12, 78; Hess in Ullmann in jurisPK-UWG, 3. Aufl. [2013], § 12, 109
6) , 7)
OLG Stuttgart Urteil vom 4.7.2013, 2 U 157/12; m.w.N.
8)
OLG Stuttgart Urteil vom 4.7.2013, 2 U 157/12; m.V.a. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. [2011], Kap. 54, 29 m.N.
9)
OLG Stuttgart Urteil vom 4.7.2013, 2 U 157/12; m.V.a. Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl. [2010], § 100, 47 m.N.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. [2011], 29
10)
OLG Stuttgart Urteil vom 4.7.2013, 2 U 157/12; m.V.a. Spätgens, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl. [2010], § 100, 47; diff. hierzu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. [2011], Kap. 54, 30 f
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