Ein unbestimmter Rechtsbegriff ist durch die Rechtssprechung auszufüllen. Der Gesetzgeber greift immer dann auf einen unbestimmten Rechtsbegriff zurück, wenn sich eine allgemeine Regelung aufgrund der Komplexität des zu regelnden Themas verbietet.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe als Rechtsfrage zu bewerten, die uneingeschränkt in eigener Verantwortung sowohl von der gesetzesanwendenden Verwaltungsbehörde zu beantworten als auch von dem die Rechtmäßigkeit der Anwendung überprüfenden Verwaltungsgericht zu erörtern ist.1)
Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltungsbehörde erfolgt auch bei schwierigen Wertungen und Zukunftsprognosen durch eine bestimmte Entscheidung im konkreten Einzelfall.2)
Im gewerblichen Rechtsschutz sind zahlreiche zentrale Begriffe als unbestimmte Rechtsbegriffe ausgestaltet. Gerade in diesem Rechtsgebiet ermöglicht es dem Gesetzgeber, durch offene Formulierungen flexibel auf technische Entwicklungen und neue wirtschaftliche Zusammenhänge zu reagieren. Die Konkretisierung bleibt damit Aufgabe der Rechtsprechung und der jeweils anwendenden Behörden.
So ist etwa die „erfinderische Tätigkeit“ im Patentrecht ein klassisches Beispiel eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Eine Erfindung gilt nur dann als patentfähig, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Die Beurteilung erfordert eine wertende Betrachtung, die stark vom jeweiligen technischen Gebiet und den Umständen des Einzelfalls abhängt.
Von besonderer Bedeutung ist zudem die „Einheitlichkeit der Erfindung“. Ein Patent- oder Patentantrag darf nur eine einzige Erfindung oder eine Gruppe miteinander verbundener Erfindungen umfassen, die durch eine einheitliche erfinderische Idee verknüpft sind. Die Einheitlichkeit dient sowohl der Verfahrensökonomie als auch der Transparenz für Dritte. Ob mehrere beanspruchte Gegenstände tatsächlich auf einer gemeinsamen erfinderischen Idee beruhen, wird regelmäßig in Patenterteilungsverfahren geprüft und ist häufig Streitpunkt zwischen Anmelder und Prüfungsbehörde.
Auch der Begriff der „Technizität“ bleibt im Patentrecht ausfüllungsbedürftig. Er umschreibt die Vermittlung einer Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal vorhersehbaren Erfolgs. Die Abgrenzung ist gerade bei computerimplementierten Erfindungen oder Geschäftsmethoden von besonderer Bedeutung, da hier nicht jede Lösung als technische Lehre qualifiziert wird.
Im Markenrecht ist die „Verwechslungsgefahr“ ein weiterer unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Beurteilung zahlreiche wertende Elemente enthält. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Ähnlichkeit der Zeichen, die Nähe der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Besonders bei bekannten Marken spielt auch der „gute Ruf“ der Marke eine Rolle, der über den Grundschutz hinaus einen erweiterten Schutzbereich eröffnet. Auch hier bleibt die Feststellung einzelfallbezogen und orientiert sich an Faktoren wie Marktanteilen, Werbeaufwand und Bekanntheitsgrad bei den relevanten Verkehrskreisen.
Schließlich enthält auch das Wettbewerbsrecht zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Die „unlautere geschäftliche Handlung“ bildet die zentrale Generalklausel des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wird durch zahlreiche Fallgruppen konkretisiert, wie etwa durch die Irreführung oder die aggressive geschäftliche Handlung. Auch die „spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs“ ist eine offene Formulierung, deren Reichweite sich erst durch die Rechtsprechung bestimmt. Ähnlich verhält es sich mit der Verpflichtung zur Angabe der „wesentlichen Merkmale“ einer Ware oder Dienstleistung in der Werbung, bei der es entscheidend auf die Sichtweise des durchschnittlichen Verbrauchers ankommt.
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