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Der Begriff „Gestaltungshöhe“ (auuh „Schöpfungshöhe“) beschreibt im Urheberrecht das Maß an künstlerischer oder kreativer Leistung [→ Künstlerische Leistung], das eine Gestaltung erreichen muss, um als urheberrechtlich geschütztes Werk [§ 2 UrhG → Geschützte Werke] anerkannt zu werden.
Die Gestaltungshöhe bezeichnet das Maß an schöpferischer Eigenart, das eine Gestaltung erreichen muss, um urheberrechtlich als persönliche geistige Schöpfung anerkannt zu werden.1)
Nach deutscher Tradition wird diese Schwelle im Bereich der zweckfreien Kunst vergleichsweise niedrig angesetzt. Hier galt die sogenannte „kleine Münze“, die auch einfache und wenig komplexe Werke schützt, sofern sie die Mindestanforderung an eine persönliche geistige Schöpfung erfüllen.2)
Dieser traditionelle Ansatz steht jedoch in Spannung zur unionsrechtlichen Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der den urheberrechtlichen Werkbegriff in den Entscheidungen Cofemel (C-683/17) und Brompton Bicycle (C-833/18) maßgeblich harmonisiert hat. Nach Auffassung des EuGH genießen Werke nur dann Urheberrechtsschutz, wenn sie die freie kreative Entscheidung des Urhebers widerspiegeln und so dessen individuelle Persönlichkeit zum Ausdruck bringen.3) Eine bloße Abweichung vom Formenschatz oder eine rein formalästhetische Gestaltung ohne erkennbaren kreativen Gehalt genügt danach nicht. Die kleine Münze ist als eigenständiges Konzept daher unionsrechtlich nicht vorgesehen.
Für Werke der angewandten Kunst, also Gestaltungen mit funktionalem Zweck, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit der Entscheidung Geburtstagszug (2013), dass keine erhöhten Anforderungen an die Gestaltungshöhe gestellt werden.4) Auch bei Gebrauchsgegenständen reicht es aus, wenn die Gestaltung eine persönliche geistige Schöpfung erkennen lässt.
Der BGH verlangt bei funktionalen Objekten jedoch eine besonders sorgfältige Prüfung, ob tatsächlich die bestehende gestalterische Freiheit in einer kreativen, die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelnden Weise genutzt wurde.5) Gerade bei Gebrauchsgegenständen ist oft nur ein begrenzter Gestaltungsspielraum vorhanden, da funktionale und technische Anforderungen die Form stark vorgeben. Diesen engen Spielraum urheberrechtlich zu nutzen, setzt eine erkennbare schöpferische Leistung voraus, die über reines handwerkliches Können oder bloß ästhetische Gefälligkeit hinausgeht.6)
Die Gestaltungshöhe bildet somit die entscheidende Schwelle zum Urheberrechtsschutz: Wird sie erreicht, liegt eine persönliche geistige Schöpfung vor. Fehlt es an ausreichender Gestaltungshöhe, bleibt die Gestaltung auf handwerklich-funktionaler Ebene stehen und ist urheberrechtlich nicht geschützt.7)
Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist - wie für alle anderen Werkarten auch - eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität überhaupt erkennen lässt.8)
§ 2 (2) UrhG → Persönliche geistige Schöpfung
Betont, dass nur persönliche geistige Schöpfungen als Werke im Sinne des Urhebergesetzes gelten.
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