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privatrecht:stoerung_der_geschaeftsgrundlage

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Störung der Geschäftsgrundlage

§ 313 BGB

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

§314 BGB → Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund

Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann gemäß § 313 Abs. 1 BGB Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Einer Veränderung der Umstände steht es nach § 313 Abs. 2 BGB gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil nach § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung.1)

Nach diesen Grundsätzen kann die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB eine Anpassung eines Vertrags rechtfertigen, wenn der Geschäftswille der Parteien - wie regelmäßig - auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut war. Die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB möglich und zumutbar ist oder der benachteiligte Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung hat, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu entscheiden. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein.2)

Unter diesen Umständen kommt auch die fristlose Kündigung von urheberrechtlichen Lizenzverträgen in Betracht, sofern sich im Hinblick auf eine konkrete urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung eine gefestigte Rechtsprechung gebildet hat und sich diese - beispielsweise veranlasst durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union - ändert.3)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterscheiden sich die Kündigung aus wichtigem Grund und wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Anwendungsbereich und im Zumutbarkeitsmaßstab. Während die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nach § 314 BGB ein vertragsimmanentes Mittel zur Auflösung der Vertragsbeziehung darstellt, handelt es sich bei der Auflösung eines Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB um eine von vornherein auf besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, die zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweisbar erscheinen muss. An die Vertragsauflösung aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind daher strengere Anforderungen zu stellen als an die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses.4)

Auch ohne Kündigung kann einem vertraglichen Vertragsstrafeanspruch ausnahmsweise der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Anspruch dem Gläubiger aufgrund einer erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, das heißt ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht5). An diesen zu § 242 BGB entwickelten Grundsätzen hat sich durch die Kodifizierung der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und des Kündigungsrechts von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) nichts geändert.6)

Grundsätzlich trägt jede Partei ihre aus dem Vertrag ersichtlichen Risiken selbst.7)

Darüber hinaus kann derjenige, der die entscheidende Änderung der Verhältnisse selbst bewirkt hat, aufgrund dieser Änderung keine Rechte herleiten.8)

Einer Gesetzesänderung steht der Fall gleich, dass das dem Schuldner aufgrund eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs untersagte Verhalten aufgrund einer höchstrichterlichen Leitentscheidung nunmehr eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen ist.9)

Eine vom Deutschen Patent- und Markenamt im Löschungsverfahren geäußerte Rechtsansicht ist aber nicht mit diesen Fällen vergleichbar. Ihre Auswirkungen entsprechen in keiner Weise einer Gesetzesänderung oder einer die Rechtslage allgemein verbindlich klärenden höchstrichterlichen Leitentscheidung.10)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 1. Februar 2018 - I ZR 82/17 - Gefäßgerüst
2)
BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - I ZR 85/17 - Krankenhausradio; m.V.a. BGH, Urteil vom 1. Februar 2018 - I ZR 82/17 - Gefäßgerüst; m.V.a. BGH, Urteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08, NJW 2010, 440 Rn. 28; BGH, GRUR 2016, 278 Rn. 12 - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen
3)
BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - I ZR 85/17 - Krankenhausradio; m.V.a. BGH, Urteil vom 1. Februar 2018 - I ZR 82/17 - Gefäßgerüst; m.V.a. BGH, GRUR 2016, 278 Rn. 13 ff. - Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen
4)
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 210/12 - fishtailparka; m.V.a. BGH, Urteil vom 26. September 1996 I ZR 265/95, BGHZ 133, 316, 320, 327 Altunterwerfung I
5)
BGHZ 133, 316, 329 Altunterwerfung I; Urteil vom 6. Juli 2000 I ZR 243/97, GRUR 2001, 85, 86 = WRP 2000, 1404 Altunterwerfung IV
6)
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 210/12 - fishtailparka
7)
BGH, Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07 - DAX; vgl. BGHZ 129, 236, 253
8)
BGH, Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07 - DAX; vgl. BGHZ 129, 297, 310 m.w.N.
9)
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 210/12 - fishtailparka; m.V.a. BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 I ZR 146/07, BGHZ 181, 373 Rn. 17 ff. Mescherweis
10)
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 210/12 - fishtailparka; m.V.a. BGH, Urteil vom 9. März 2010 VI ZR 52/09, GRUR 2010, 946 Rn. 22 = WRP 2010, 772
privatrecht/stoerung_der_geschaeftsgrundlage.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:30 von 127.0.0.1