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grundrecht:einbeziehung_von_juristischen_personen_in_den_persoenlichen_schutzbereich_der_grundrechte

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Einbeziehung von juristischen Personen in den persönlichen Schutzbereich der Grundrechte

Die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphäre der Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihnen insoweit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern. Von diesem Ausgangspunkt her ist auch Art. 19 Abs. 3 GG auszulegen und anzuwenden.1)

Danach rechtfertigt sich eine Einbeziehung von juristischen Personen in den persönlichen Schutzbereich der Grundrechte nur, wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, und insbesondere wenn der „Durchgriff“ auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll oder erforderlich erscheinen lässt.2)

Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die üblicherweise öffentliche Aufgaben wahrnehmen, können danach zumeist keinen Grundrechtsschutz gegen staatliches Handeln beanspruchen (vgl. BVerfG, NVwZ 1994, 262). Ausschlaggebend dafür ist aber nicht die Rechtsform als solche. Maßgebend ist vielmehr, ob und inwieweit in der Rechtsstellung als juristische Person des öffentlichen Rechts eine Sach- und Rechtslage Ausdruck findet, welche nach dem „Wesen“ der Grundrechte deren Anwendung auf juristische Personen entgegensteht. Dabei kommt es namentlich auf die Funktion an, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. Besteht diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so ist die juristische Person zumindest insoweit nicht grundrechtsfähig.3)

Innungen sind Organisationen, die aus den Zünften entstanden und maßgeblich vom Grundsatz der Freiwilligkeit sowohl ihrer Gründung als auch des Beitritts zu ihnen bestimmt sind4). Die Innungen beruhen im Gegensatz zu den Kammern5) nicht auf einer Zwangsmitgliedschaft (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 HwO). Ihre Form ist ihr allerdings vom Staat vorgegeben.6). Innerhalb des vom Staat vorgegebenen Rahmens kann die Innung aber grundsätzlich auch grundrechtlich geschützte Aktivitäten entwickeln7). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Grundrechtsfähigkeit von der Funktion abhängt, für die die Innung Grundrechtsschutz beansprucht8) Die „Doppelnatur“ von Berufsverbänden in der - atypischen9) - Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts führt dazu, dass Grundrechtsfähigkeit in Betracht kommt, soweit nicht die Funktion als Teil der öffentlichen Verwaltung, sondern die Wahrnehmung der gemeinsamen berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen der in den Verbänden zusammengeschlossenen Berufsträger betroffen ist10). Diese „Doppelnatur“ spiegelt sich im gesetzlichen Rahmen für die Handwerksinnungen wider11), der nach Interessenvertretung, Mitgliederförderung und Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung unterscheidet, wobei der Schwerpunkt auf den ersten beiden Aufgaben liegt und die übertragenen staatlichen Aufgaben weniger ins Gewicht fallen12).13)

siehe auch

1) , 13)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16
2)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16; m.V.a. BVerfGE 21, 362, 369; 68, 193, 206; BVerfG, NVwZ 1994, 262
3)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16; m.V.a. BVerfGE 68, 193, 207 f.; 70, 1, 15; 75, 192, 197; Burghart in Leibholz/Rinck Art. 19 Rn. 117
4)
vgl. Badura/Kormann, GewArch 2005, 99, 103 f.
5)
vgl. § 90 HwO; § 2 IHKG
6)
BGH, Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16; m.V.a. § 53 Satz 1 HwO; vgl. BVerfG, NVwZ 1994, 262, 262 f.; Remmert in Maunz/Dürig, GG, Stand: Mai 2009, Art. 19 Abs. 3 Rn. 55 mwN
7)
vgl. BVerfG, NVwZ 1994, 262, 263
8)
vgl. BVerfGE 68, 193, 209; BVerfG, NVwZ 1994, 262
9)
vgl. Remmert in Maunz/Dürig aaO Art. 19 Abs. 3 Rn. 55 mwN
10)
Remmert in Maunz/Dürig aaO; Gaier in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., Art. 12 GG Rn. 15; Baier-Treu in Leisner, BeckOK, HwO, Stand: 1. November 2017, § 53 Rn. 12; Günther in Honig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl., § 53 Rn. 12
11)
§ 52 Abs. 1 Satz 1, § 54 HwO
12)
vgl. Badura/Kormann, GewArch 2005, 99, 104
grundrecht/einbeziehung_von_juristischen_personen_in_den_persoenlichen_schutzbereich_der_grundrechte.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:30 von 127.0.0.1