Prozessvoraussetzung der ordnungsgemässen gesetzlichen Vertretung

§ 547 Nr. 4 ZPO → Absoluter Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Vertretung

Anwaltsverlust

Durch die Prozessvoraussetzung [→ Prozessvoraussetzungen] der ordnungsgemäßen gesetzlichen Vertretung wird das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der Partei gesichert. Es soll vermieden werden, dass jemand in einem Verfahren, in dem er nicht persönlich als Handelnder auftreten kann, eine für ihn nachteilige Entscheidung hinnehmen muss, wenn ihm nicht das Handeln eines Vertreters oder einer Vertreterin aufgrund gesetzlicher Vorschriften zugerechnet werden kann.1)

Davon unterscheidet sich der Fortfall eines Bevollmächtigten in einem Parteiprozess.2) Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 ZPO können die Parteien einen Rechtsstreit selbst führen [→ Parteiprozess], soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist. Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sie sich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Das gilt nach § 78 Abs. 3 Fall 2 ZPO jedoch nicht für Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs können zu Protokoll der Geschäftsstelle Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben werden, solange eine mündliche Verhandlung nicht angeordnet ist (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1063 Abs. 4 ZPO).3)

In einem Parteiprozess tritt die Partei ohne Unterbrechung selbst an die Stelle des oder der Bevollmächtigten. Das schließt die Annahme eines Nichtvertretenseins im Sinne von § 547 Nr. 4 ZPO aus.4)

siehe auch

Prozessvoraussetzungen

1)
BGH, Beschl. v. 18. Juni 2020 - I ZB 83/19; vgl. zur fehlenden Postulationsfähigkeit BAG, Beschluss vom 18. Oktober 1990 - 8 AS 1/90, NJW 1991 1252, 1253 [juris Rn. 19]; Urbanczyk, ZZP 95, 339, 357
2) , 3)
BGH, Beschl. v. 18. Juni 2020 - I ZB 83/19
4)
BGH, Beschl. v. 18. Juni 2020 - I ZB 83/19; vgl. zu § 41p Abs. 3 Nr. 3 PatG in der Fassung vom 2. Januar 1968 [BGBl. I S. 1] BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1968 - X ZB 7/68, GRUR 1969, 437, 438 [juris Rn. 10]; vgl. auch BFH, Beschluss vom 7. Februar 1996 - X R 79/95, juris Rn. 16