Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


urheberrecht:pastiches

finanzcheck24.de

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
urheberrecht:pastiches [2020/09/09 16:38] mfreundurheberrecht:pastiches [2023/10/04 07:55] (aktuell) mfreund
Zeile 1: Zeile 1:
 +====== Pastiches ======
  
 +§ 51a UrhG -> [[Karikatur, Parodie und Pastiche]]
 +
 +Nach § 51a Satz 1 UrhG ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werks zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches zulässig. Die Vorschriften des § 83 und § 85 Abs. 4 UrhG ordnen die entsprechende Anwendung von Teil 1 Abschnitt 6 des Urheberrechtsgesetzes, in dem sich § 51a UrhG befindet, auf die Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers sowie des Tonträgerherstellers an.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V))
 +
 +Der deutsche Gesetzgeber hat von der Möglichkeit, eine eigenständige Schrankenregelung für die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zum Zwecke von Pastiches vorzusehen, keinen Gebrauch gemacht. Auch die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG [-> [[Freie Benutzung]]] in ihrer Auslegung durch die deutsche Rechtsprechung bildet der Sache nach keine Schrankenregelung für die im Streitfall in Rede stehende Nutzung. Der deutsche Gesetzgeber konnte bei
 +der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG ins innerstaatliche Recht mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass [[Karikaturen und Parodien|Parodien und Karikaturen]] als freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG zulässig sein können, von der Schaffung einer ausdrücklichen Schrankenregelung absehen. Eine entsprechende Rechtsprechung zu Pastiches gab und gibt es nicht. Es ist grundsätzlich allein Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, darüber zu entscheiden, ob von der Möglichkeit der Umsetzung einer Schrankenregelung ins innerstaatliche Recht Gebrauch gemacht werden soll.
 +
 +Zum Sinn des Begriffs "Pastiche" nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Bandbreite der Bedeutung des Begriffs "Pastiche" im gewöhnlichen Sprachgebrauch vieler Mitgliedstaaten dürfte von der Stilimitation bis zu rekombinierenden Arrangements oder Neukompositionen aus bereits vorhandenem Material fremder Herkunft reichen. Dabei ist allen Bedeutungen, so verschieden sie im Detail auch sind, wohl der referenzielle Charakter in Bezug auf etwas bereits Bestehendes gemeinsam.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V; m.V.a. Ortland, ZGE 2022, 3, 31; Pötzlberger, GRUR 2018, 675, 676 ff.; Stieper, AfP 2015, 301, 304 ff.; ders., GRUR 2020, 699, 702))
 +
 +
 +
 +Im französischen Recht besteht seit 1957 die urheberrechtliche Schranke für Parodie, Pastiche und Karikatur gemäß Art. L 122-5 No. 4 Code de la Propriété Intellectuelle, die eine humoristische Absicht des Künstlers sowie die Entlehnung charakteristischer Merkmale des Ausgangswerks voraussetzt.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V; m.V.a. Döhl, UFITA 83 [2019], S. 19, 30; Lucas-Schloetter, UFITA 83 [2019], S. 99, 101))
 +
 +Der Umstand, dass der Pastiche zusammen mit der Parodie und der Karikatur in einer Schrankenbestimmung geregelt worden ist, könnte dafür sprechen, dass Pastiche, Parodie und Karikatur in wesentlichen Merkmalen übereinstimmen.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V))
 +
 +Ein wesentliches Merkmal des Pastiche dürfte wohl jedenfalls darin zu sehen sein, dass er - ebenso wie Parodie und Karikatur - an ein bestehendes Werk erinnert, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufweist.
 +Ob es darüber hinaus - wie die Revision meint - ein wesentliches Merkmal des Pastiche ist, ebenso wie die Parodie und die Karikatur einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen, erscheint dagegen fraglich. Desgleichen ist zweifelhaft, ob die Nachahmung eines Stils eines urheberrechtlichen Schutzgegenstands oder die
 +Bezugnahme in Form einer Hommage ein wesentliches Merkmal eines Pastiche ist.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V))
 +
 +Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ist zwar, da er eine Ausnahme zu den in den Art. 2 und 3 der Richtlinie vorgesehenen Rechten enthält, eng auszulegen((EuGH, GRUR 2014, 972 [juris Rn. 22] - Deckmyn und Vrijheidsfonds)). Die Auslegung des Begriffs des Pastiche muss es aber erlauben, die praktische Wirksamkeit
 +der so umrissenen Ausnahme zu wahren und ihre Zielsetzung zu beachten((zur Parodie EuGH, GRUR 2014, 972 [juris Rn. 23] - Deckmyn und Vrijheidsfonds)). Deshalb führt der Umstand, dass Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG eine Ausnahme darstellt, nicht zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung, die - wie möglicherweise die Einschränkung auf einen Ausdruck von Humor oder Verspottung, Nachahmung des Stils oder Hommage - weder aus dem Sinn des Begriffs "Pastiche" nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch noch aus dem Wortlaut
 +dieser Bestimmung hervorgeht((zur Parodie vgl. EuGH, GRUR 2014, 972 [juris Rn. 24]
 +- Deckmyn und Vrijheidsfonds)).((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V))
 +
 +Das Ziel der Ausnahme für "Pastiches" könnte es nahelegen, in dieser Schrankenregelung einen Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand
 +einschließlich des Sampling zu sehen, der keine weiteren einschränkenden Tatbestandsmerkmale erfordert.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V))
 +
 +Die Ausnahme des "Pastiche" könnte möglicherweise eingreifen, wenn eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem benutzten Werk oder einem sonstigen Bezugsgegenstand erfolgt. Die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine
 +Schranke für die Kunstfreiheit zu verstehen sein, die deshalb notwendig ist, weil der
 +Kunstfreiheit allein durch die immanente Begrenzung des Schutzbereichs der Verwertungsrechte auf eine Nutzung der Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form((vgl. EuGH, GRUR 2019, 929 [juris Rn. 31] - Pelham u.a.)) und die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V))
 +
 +Dem deutschen Gesetzgeber schwebte bei der Einführung der neuen Schranke des § 51a UrhG ein weiter Begriff des Pastiche vor, der vorbehaltlich des angemessenen Ausgleichs von Rechten und Interessen der Urheber und der Nutzer insbesondere Praktiken wie Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling umfassen soll, weil zitierende, imitierende und anlehnende Kulturtechniken ein prägendes Element der Intertextualität und des zeitgemäßen kulturellen Schaffens und der Kommunikation im "Social Web" seien.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22 - Metall auf Metall V; m.V.a. auf die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes, BT-Drucks. 19/27426, S. 91 f.))
 +
 +
 +Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 74/22))
 +
 +1. Ist die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Sampling? Gelten für den Begriff des Pastiche einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage?
 +
 +2. Erfordert die Nutzung "zum Zwecke" eines Pastiche im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG die Feststellung einer Absicht des Nutzers, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiche zu nutzen oder genügt die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiche erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt?
 +
 +
 +
 +===== siehe auch =====
 +
 +-> [[Ausnahmen und Beschränkungen]]
 +
 +§ 24 Abs. 1 UrhG -> [[Freie Benutzung]]