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patentrecht:gleichwertigkeit_der_abgewandelten_mittel

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Gleichwertigkeit der abgewandelten Mittel

Zahlen- oder Maßangaben

Ist die Gleichwirkung gegeben, so ist zu prüfen, ob die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen musste, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zog.1) Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage2)

Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet.3)

Für die Beurteilung der Frage, ob die Überlegungen des Fachmanns, die ihm die Ersetzung eines wortsinngemäßen Merkmals durch ein abgewandeltes, aber im Zusammenhang der technischen Lehre des Patents gleichwirkendes Mittel erlauben, am Patentanspruch orientiert sind, kommt es im Zweifel weniger auf die räumlich-körperliche Ausgestaltung des Mittels als solche als vielmehr auf deren Funktion im Kontext der patentgemäßen Lehre an.4)

Für Fallgestaltungen, in denen dem Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten zugrunde liegt, hat der Senat das Erfordernis der Ausrichtung am Patentanspruch dahin konkretisiert, dass die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen müssen. Deshalb ist eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist.5)

Deshalb ist eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte.6)

Dieses Kriterium entspricht nach dem Verständnis des Senats der dritten der drei so genannten Improver- oder Protokoll-Fragen, die die britischen Gerichte in ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung der Frage heranziehen, ob eine Ausführungsform, die vom primären, buchstäblichen oder vom Kontext losgelösten Wortlaut des Patentanspruchs nicht erfasst wird, dennoch in den Schutzbereich des Patents fällt. Nach dieser Rechtsprechung fällt eine solche Ausführungsform, auch wenn die Abwandlung keinen wesentlichen Einfluss auf die erfindungsgemäße Wirkung hat und dieser Umstand dem Fachmann nahegelegt war, nicht in den Schutzbereich des Patents, wenn dem Patentanspruch aus fachmännischer Sicht zu entnehmen ist, dass die Übereinstimmung mit dem primären Wortlaut zu den wesentlichen Erfordernissen der Erfindung gehört.7)

Für Fallgestaltungen, in denen dem Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten zugrunde liegt, hat der Senat das Erfordernis der Orientierung am Patentanspruch dahin konkretisiert, dass die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen müssen.8). Deshalb ist eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist.9)

Für die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes reicht es nicht aus, dass sich eine vom Patent beanspruchte Ausführungsform aufgrund von Angaben in der Beschreibung oder aus sonstigen Gründen als spezieller Anwendungsfall eines allgemeineren Lösungsprinzips darstellt und der Fachmann aufgrund dieser Erkenntnis in der Lage war, weitere diesem Lösungsprinzip entsprechende Ausführungsformen aufzufinden.10)

Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden.11)

Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel auch dann zu verneinen, wenn eine in der Patentschrift nicht ausdrücklich genannte Ausführungsform für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht unter Schutz gestellt werden sollte12). Davon ist auszugehen, wenn ein nicht in den Patentanspruch aufgenommenes, für den Fachmann jedoch auf der Hand liegendes Austauschmittel in der Patentschrift zwar nicht ausdrücklich genannt wird, die Kenntnis des Anmelders von diesem Austauschmittel indes durch den Verweis der Patentbeschreibung auf eine es ausdrücklich offenbarende Druckschrift dokumentiert ist.13)

Das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit fordert, daß der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten.14)

Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch - unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist - von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daß der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daß die erfindungsgemäße Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.15)

Fehlt ein Merkmal ersatzlos, beansprucht die Klägerin in Wahrheit Schutz für eine Unterkombination. Eine Einbeziehung in den Schutzbereich kommt in solchen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn das fehlende Merkmal aus der Sicht des Fachmanns zur Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre erkennbar überflüssig ist.16)

Anderenfalls verlöre der Patentanspruch seine Bedeutung als maßgebliche Grundlage der Schutzbereichsbestimmung zugunsten eines aus der Beschreibung abgeleiteten allgemeineren Erfindungsgedankens unter der vor Inkrafttreten des § 14 PatG 1981 entsprechenden § 6a PatG 1976 bestehenden alten Rechtslage. Das wäre mit Art. 69 EPÜ ebenso wenig vereinbar wie mit der in gleicher Weise auszulegenden nationalen Schutzbereichsnorm in § 14 PatG.17)

Die Gleichwertigkeit des abweichenden Mittels ist18) eine Rechtsfrage, die der revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich ist. Sie hängt zwar in der Regel entscheidend ebenfalls von den in der Tatsacheninstanz zu klärenden tatsächlichen Grundlagen ab19). Das schließt jedoch nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht aus, dass sie vom Revisionsgericht unmittelbar entschieden werden kann, wenn diejenigen tatsächlichen Feststellungen, die die Annahme einer äquivalenten Verletzung gegebenenfalls tragen könnten, bereits getroffen sind und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind20).21)

Eine Aussage darüber, ob eine abweichende Ausführung in den Schutzbereich fällt, kann regelmäßig nur dann getroffen werden, wenn sich der Tatrichter mit den betreffenden Fragen befasst hat. Denn bei der Frage der Gleichwirkung handelt es sich um eine Frage, deren Beantwortung tatrichterlicher Würdigung und Feststellungen bedarf, die in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden können.22)

Schließlich muss sich aus dem Klageantrag ergeben, welche Ausführungen der Kläger als Verletzungsform angreift. Die Ausführung ist im Hinblick auf die Vorgaben des Patentanspruchs zu beschreiben. Soll eine Ausführungsform als vom erteilten Klagepatent erfasst angegriffen werden, die eine vom Wortsinn abweichende Gestalt aufweist, muss sich aus dem Antrag ergeben, in welcher tatsächlichen Gestaltung sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpern soll.23)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05 - Kettenradanordnung; m.V.a. BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I
2)
BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05 - Kettenradanordnung; m.V.a. BGH, Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 316 - Stapeltrockner
3)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed; m.V.a. BGH, Urteil vom 29. November 1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 90 f. = GRUR 1989, 205, 208 - Schwermetalloxidationskatalysator; Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 154 = GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I
4)
BGH, Urteil vom 23. August 2016 - X ZR 76/14 - V-förmige Führungsanordnung
5)
BGH, Urteil vom 23. August 2016 - X ZR 76/14 - V-förmige Führungsanordnung; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 Rn. 36 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung). Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, dass der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, dass die erfindungsgemäße Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.((BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed; m.V.a. BGH, Urteil vom 12. März 2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149, 159 = GRUR 2002, 515, 518 - Schneidmesser I
6)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 36 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung
7)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed; ähnlich bereits für nationale Patente: Catnic Components Ltd v Hill & Smith Ltd [1982] RPC 183 Rn. 242 f.; grundlegend zu Art. 69 EPÜ: Improver Corporation v Remington Consumer Products Ltd (Hoffman J), [1990] FSR 181 Rn. 289, zitiert in den beiden das hiesige Klagepatent betreffenden Entscheidungen Actavis UK Ltd & Ors v Eli Lilly & Company, [2014] EWHC 1511 (Arnold J), Rn. 92 [insoweit nicht in GRUR Int. 2015, 52]; [2015] EWCA Civ 555 (Floyd LJ), Rn. 46
8)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung
9)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 - Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 - Diglycidverbindung
10)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - X ZR 29/15 - Pemetrexed
11)
LG Mannheim Urteil vom 11.11.2014, 2 O 240/13; m.V.a. BGH, GRUR 2011, 313, Tz. 35 - Crimpwerkzeug IV
12)
vgl. BGH, GRUR 2012, 45, Rn. 44 - Diglycidverbindung
13)
LG Mannheim Urteil vom 11.11.2014, 2 O 240/13
14)
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 43/01 - Kunststoffrohrteil; m.w.N.
15)
BGH, Urt. v. 12. März 2002 - X ZR 43/01 - Kunststoffrohrteil
16)
OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.07.2010 - I-2 U 65/09; m.V.a. BGH GRUR 2007, 1059, 1063 Tz. [27] bis [30] – Zerfallszeitmessgerät; Schulte/Kühnen, a.a.O., Rdnr. 76
17)
OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.07.2010 - I-2 U 65/09; m.V.a BGH, a.a.O., Tz. [29] a.E. – Zerfallszeitmessgerät
19)
BGH, Urteile vom 22. November 2005, aaO Rn. 23 - Stapeltrockner und vom 14. Dezember 2010, aaO Rn. 36 - Crimpwerkzeug IV
20)
BGH, Urteile vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, aaO - Gelenkanordnung und vom 14. Dezember 2010, aaO Rn. 34 ff. - Crimpwerkzeug IV
21)
BGH, Urteil vom 10. 5. 2011 - X ZR 16/09 - Okklusionsvorrichtung
22)
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03 - Crimpwerkzeug IV; m.V.a. Urteile vom 22. November 2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313 Rn. 22 - Stapeltrockner, und vom 17. April 2007 - X ZR 1/05, GRUR 2007, 58 Rn. 28 - Pumpeinrichtung
23)
LG Mannheim Urteil vom 11.11.2014, 2 O 240/13; m.V.a. BGHZ 184, 49, Tz. 31 - Kettenradanordnung II
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