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patentrecht:beurteilung_der_erfinderischen_taetigkeit [2021/07/29 08:43] – mfreund | patentrecht:beurteilung_der_erfinderischen_taetigkeit [2023/07/25 08:23] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1 | ||
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+ | ====== Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit | ||
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+ | -> [[Aufgabe der Erfindung]] \\ | ||
+ | -> [[Technischer Beitrag]] \\ | ||
+ | -> [[Technisches Problem]] \\ | ||
+ | -> [[Vorteile der Erfindung]] \\ | ||
+ | -> [[Nachteile der Erfindung]] \\ | ||
+ | -> [[Allgemeines Fachwissen]] \\ | ||
+ | -> [[Fachmann]] \\ | ||
+ | -> [[Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist das Ergebnis einer Wertung]] \\ | ||
+ | -> [[Nächstliegender Stand der Technik]] \\ | ||
+ | -> [[Gattungsfremder Stand der Technik]] \\ | ||
+ | -> [[Gesamtbetrachtung des Erfindungsgegenstands]] \\ | ||
+ | -> [[Aufgabe der Erfindung]] \\ | ||
+ | -> [[Rückschauende Betrachtung]] \\ | ||
+ | -> [[Verbot der Rückschauende Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit]] \\ | ||
+ | -> [[Technizität]] \\ | ||
+ | -> [[Routinetätigkeiten des Fachmanns]] \\ | ||
+ | -> [[Zusammenschau mehrerer Druckschriften]] \\ | ||
+ | -> [[Allgemeines Fachwissen]] \\ | ||
+ | -> [[Vorurteile der Fachwelt]] \\ | ||
+ | -> [[Erfolgserwartung]] \\ | ||
+ | -> [[Lange Stagnation des Standes der Technik]] \\ | ||
+ | -> [[Auswahlerfindung]] \\ | ||
+ | -> [[Einbahnstrassensituation]] | ||
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+ | Sollte die Lehre des Patents oder einzelner seiner Ansprüche sich nicht unmittelbar und eindeutig aus einer einzelnen zum Stand der Technik zählenden Schrift oder einer offenkundigen Vorbenutzung ergeben [§ 3 (1) S. 1 PatG | ||
+ | -> [[Neuheit]]], | ||
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+ | Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist zum einen erforderlich, | ||
+ | gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, | ||
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+ | Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob der Fachmann Veranlassung hatte, die im Stand der Technik bekannten Elemente der erfindungsgemäßen Lehre in einer Weise zu verarbeiten und gegebenenfalls mit Hilfe seines Fachwissens abzuändern oder weiterzuentwickeln, | ||
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+ | Ansatzpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist das Auffinden des [[technisches Problem|technischen Problems]], das aus dem zu entwickeln ist, was die [[Erfindung]] gegenüber dem [[Stand der Technik]] tatsächlich leistet.((z.B. BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 - X ZR 98/09 - Calcipotriol-Monohydrat)) | ||
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+ | Bei der [[Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit]] handelt es sich um eine Rechtsfrage, | ||
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+ | Das aus dem [[Stand der Technik]] Bekannte muss dem [[Fachmann]] Anlass oder Anregung gegeben haben, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.((BGH, | ||
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+ | Die erfinderische Tätigkeit wird nur anhand des vorveröffentlichten [[Stand der Technik|Stands der Technik]] beurteilt. | ||
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+ | Prioritätsältere aber nachveröffentlichte Dokumente spielen, anders als bei de Beurteilung der [[Neuheit]], | ||
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+ | Die Überlegungen des mit der Weiterentwicklung der aus dem Stand der Technik bekannten Werkzeuge betrauten Fachmanns setzten naturgemäß bei der Fehleranalyse bei vorhandenen Lösungen und deren Verbesserung an.((BGH, Urteil vom 27. April 2010 - X ZR 79/09 - Fugenglätter)) | ||
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+ | Der Kläger, der im Patentnichtigkeitsverfahren geltend macht, dass der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann nahegelegt gewesen sei, muss dartun, dass im Stand der Technik technische Lehren bekannt waren, aus denen der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens den Gegenstand der Erfindung entwickeln konnte. Er muss ferner diejenigen technischen und sonstigen tatsächlichen Gesichtspunkte darlegen, aus denen das Patentgericht die rechtliche Schlussfolgerung ziehen soll, dass der Fachmann Anlass hatte, den ihm nach seinem Fachwissen und -können objektiv möglichen Weg auch zu gehen.((BGH, | ||
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+ | Für die Frage, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhaltung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahegelegt hat, kommt es aber nicht nur auf die sich ihm unmittelbar und eindeutig aus dieser Entgegenhaltung erschließenden Informationen an, sondern auch auf diejenigen, die er erst kraft | ||
+ | seines Fachwissens aus ihr ableiten kann.((BGH, Urteil v. 3. Mai 2017 - X ZR 65/15; m.V.a. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 - X ZR 134/11, GRUR 2013, 313, Rn. 27 - Polymerzusammensetzung)) | ||
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+ | Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit [§ 4 Satz 1 PatG -> [[Erfinderische Tätigkeit]]] handelt es sich um eine Rechtsfrage, | ||
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+ | Das aus dem [[Stand der Technik]] Bekannte muss dem Fachmann Anlass oder Anregung gegeben haben, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.((BGH, | ||
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+ | Ob für das Beschreiten eines Lösungswegs eine angemessene Erfolgserwartung besteht, ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des in Rede stehenden Fachgebiets, | ||
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+ | In der Regel bedarf es zusätzlicher, | ||
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+ | Dass der [[Stand der Technik]] am [[Prioritätstag]] dem [[Fachmann]] den [[Gegenstand der Erfindung]] nahegelegt hat [§ 4 PatG -> [[erfinderische Tätigkeit]]], | ||
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+ | Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe.((BGH, | ||
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+ | Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, | ||
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+ | In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, | ||
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+ | Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann nicht schon dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden, wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen.((BGH, | ||
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+ | Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es - abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist - in der Regel zusätzlicher, | ||
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+ | In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, | ||
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+ | Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln.((BGH, | ||
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+ | Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, | ||
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+ | Wenn der Fachmann schon aus anderen Gründen Anlass hat, eine bestimmte Lösung in Betracht zu ziehen, so vermag ein zusätzlicher positiver Effekt, der bei Beschreiten dieses Weges auftritt, nicht zur Annahme erfinderischer Tätigkeit zu führen.((BGH, | ||
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+ | Im Patentrecht ist seit Ende des 19. Jahrhunderts - allerdings nicht geradlinig verlaufend((vgl. Asendorf/ | ||
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+ | Damit sind im Patentrecht nunmehr ohne jegliche Differenzierung alle Erfindungen schutzfähig, | ||
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+ | Der Patentfähigkeit ermangelt nicht nur das nächstliegende Vorgehen, sondern jede für den Fachmann naheliegende Lösung eines technischen Problems.((BGH, | ||
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+ | Es gibt auch keinen Rechtssatz, dass nur die Lösungsalternative, | ||
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+ | Kommen für den Fachmann Alternativen in Betracht, können somit mehrere von ihnen naheliegend sein.((BGH, Urteil v. 6. März 2012 - X ZR 50/09; m.V.a. BGH, Urteil vom 6. Mai 2003 X ZR 113/00 [Flachantenne], | ||
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+ | Kommen für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern, welche der Lösungsalternativen der Fachmann | ||
+ | als erste in Betracht zöge.((BGH, | ||
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+ | Die Annahme, dass der Fachmann Anlass zur Heranziehung einer bestimmten technischen Lösung hatte, auch wenn ein konkretes Vorbild hierfür nicht aufgezeigt werden kann, setzt Feststellungen dazu voraus, dass diese Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen gehörte, dass sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und dass keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen.((BGH, | ||
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+ | Es kann für erfinderische Tätigkeit sprechen, wenn der Fachmann mehrere Schritte, die im Stand der Technik keine Anregung gefunden haben, vollziehen musste, um den erfindungsgemäßen Gegenstand aufzufinden; | ||
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+ | Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten Richtung zu erwarten sind.((BGH, Urt. v. 11. April 2006 - X ZR 175/01 - Stretchfolienhaube)) | ||
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+ | Die häufig als " | ||
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+ | Zur Bejahung der Patentfähigkeit reicht es nicht aus, dass die vom Streitpatent vorgeschlagene technische Lösung aus Sicht des Standes der Technik mit Nachteilen oder ihre Realisierung mit Schwierigkeiten verbunden ist, wenn die vom Erfinder vorgeschlagene Lösung diese Nachteile oder Schwierigkeiten in Kauf nimmt.((BGH, | ||
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+ | ===== siehe auch ===== | ||
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+ | § 4 Satz 1 PatG -> [[Erfinderische Tätigkeit]] | ||
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