Sinnfällige Herrichtung

Ein Verwendungsanspruch erfasst nicht nur den unmittelbaren Einsatz des Erzeugnisses für den im Anspruch genannten Zweck, sondern bereits solche Handlungen, bei denen die Sache zu der betreffenden Verwendung sinnfällig hergerichtet wird.1)

Bereits in der sinnfälligen Herrichtung einer Sache zu deren zugunsten des Patentinhabers geschützter Verwendung kann der Beginn der Verwendung selbst gesehen werden.2)

Die sinnfällige Herrichtung kann nicht nur durch eine besondere Gestaltung der Sache, sondern auch durch eine ihr beim Vertrieb beigegebene Gebrauchsanleitung in Form eines Beipackzettels oder in sonstiger Weise geschehen.3)

Diese Herrichtungsformel ist in der Entscheidung „Bierklärmittel“.4) in einem obiter dictum auf einen nicht unmittelbar als Verwendungsanspruch formulierten Verfahrensanspruch angewandt worden. Dabei hat es sich jedoch um einen Anspruch gehandelt, bei dem sich die Verfahrensanweisungen sachlich in der Lehre erschöpften, ein bestimmtes Kieselgel zur Erhöhung der Eiweißstabilität von Bier zu verwenden, und damit der Sache nach um einen Verwendungsanspruch.

Der Gegenstand eines Verwendungspatents wird charakterisiert durch einen Stoff oder eine sonstige, grundsätzlich dem Sachschutz zugängliche Sache in einer bestimmten Verwendung. Nur deshalb kann in der sinnfälligen Herrichtung der Sache nicht etwa nur eine der späteren Verwendung gleich zu behandelnde Handlung, sondern der Beginn der im Patentanspruch ausdrücklich als Schutzgegenstand genannten Verwendung selbst gesehen werden. Demgegenüber verbietet es sich, in einer zur Anwendung eines bestimmten Verfahrens geeigneten Maschine oder sonstigen Vorrichtung das Verfahren selbst zu sehen. 5)

Ein sinnfälliges Herrichten eines durch ein Verwendungspatent erfassten Gegenstands kann auch dann vorliegen, wenn der Gegenstand gerade die im Patentanspruch genannten, der Erreichung des Verwendungszwecks dienenden physischen und/oder chemischen Eigenschaften aufweist und für einen Einsatz ausgerichtet und angeboten wird, bei dem die Erreichung des patentgemäßen Verwendungszwecks (hier: Vermeidung von Krebsrisiken) im Zeitpunkt des Angebots allgemein für notwendig erachtet wird. Einer weiteren Manifestation der Bestimmung für den anspruchsgemäßen Verwendungszweck (etwa durch Gebrauchsanleitungen, Produkthinweise etc.) bedarf es in diesem Fall nicht.6)

siehe auch

Verwendungsanspruch

1)
vgl. OLG Karlsruhe Urteil vom 26.2.2014, 6 U 50/12; m.V.a. BGHZ 88, 209, 216 f. = GRUR 1983, 729 - Hydropyridin
2)
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 30/14 - Glasfasern II; BGHZ 88, 209, 212 - Hydropyridin; BGH, Urt. v. 21.11.1989 - X ZR 29/88, GRUR 1990, 505, 506 f. - Geschlitzte Abdeckfolie
3)
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 30/14 - Glasfasern II; m.V.a. BGH, Urteil vom 21. November 1989 - X ZR 29/88, GRUR 1990, 505, 506 f. - Geschlitzte Abdeckfolie
4)
BGH, Urt. v. 31.1.1984 - X ZR 7/82, GRUR 1984, 425 - Bierklärmittel
5)
BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 14/03 - Abgasreinigungsvorrichtung - m.w.N.
6)
OLG Karlsruhe Urteil vom 26.2.2014, 6 U 50/12