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+ | ====== Wettbewerbliche Eigenart technischer Merkmale eines Erzeugnisses ====== | ||
+ | -> [[Technische Notwendigkeit eines Gestaltungsmerkmals]] \\ | ||
+ | -> [[Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen den lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen Markenrecht]] \\ | ||
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+ | Technische Erzeugnisse können [[wettbewerbliche Eigenart]] aufweisen.((BGH, | ||
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+ | Allerdings können technisch notwendige Merkmale aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Technisch notwendig ist eine Gestaltung, wenn der erstrebte technische Erfolg nur durch das übernommene Gestaltungselement und nicht auf andere Weise erreicht werden kann.((BGH, Urteil vom 22. September 2021 - I ZR 192/20 - Flying V; m.V.a. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 f. = WRP 2000, 493 - Modulgerüst I)) | ||
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+ | Die Übernahme solcher - nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender - Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.((BGH, | ||
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+ | Merkmale, die nicht technisch notwendig, sondern nur technisch bedingt, aber ohne Qualitätseinbußen frei austauschbar sind, können eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, | ||
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+ | Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale - also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen - können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die | ||
+ | Übernahme solcher nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Handelt es sich dagegen | ||
+ | nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, | ||
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+ | Einem patentgeschützten Erzeugnis kann nach dem Auslaufen des Patentschutzes wettbewerbliche Eigenart zukommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1988 - I ZR 34/86, GRUR 1988, 385, 386 f. = WRP 1988, 371 - Wäsche-Kennzeichnungsbänder). Auch im Hinblick darauf, dass der abgelaufene Patentschutz nicht über das Wettbewerbsrecht verlängert werden dürfe, können auch solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen, die von der patentierten technischen Lösung abhängig sind.((BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 - I ZR 197/15 - Bodendübel)) | ||
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+ | Der Umstand, dass der nach Ablauf des Patentschutzes freie Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten ist, gebietet es nicht, vom abgelaufenen Patentschutz erfassten technischen Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, | ||
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+ | Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, | ||
+ | fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Sonderschutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen.((BGH, | ||
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+ | Die Annahme, dass vormals unter Patentschutz stehende technische Merkmale eines Erzeugnisses seine wettbewerbliche Eigenart begründen können, führt nicht zur Verlängerung des während des Patentschutzes bestehenden Verwertungsmonopols. Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz darf keinen in zeitlicher Hinsicht unbegrenzten | ||
+ | Schutz vor Nachahmungen für eine Innovation gewähren. Ein solcher Schutz stünde im Gegensatz zu der gesetzlichen Befristung des Innovationsschutzes im Patentrecht.((BGH, | ||
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+ | Die Nachahmung eines nicht oder nicht mehr unter Patentschutz stehenden Erzeugnisses ist jedoch nur bei Hinzutreten besonderer Umstände - wie einer vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG) oder einer unangemessenen Rufausnutzung (§ 4 Nr. 3 Buchst. b UWG) - unlauter. Die Beurteilung der Unlauterkeit erfordert eine einzelfallbezogene Gesamtwürdigung unter Abwägung aller betroffenen Interessen. Dazu gehört auch das Interesse der Mitbewerber, | ||
+ | kein sachlicher Grund, einem Erzeugnis im Hinblick auf den früheren Patentschutz seiner Merkmale die wettbewerbliche Eigenart von vornherein zu versagen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, | ||
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+ | Technisch notwendige Merkmale sind solche, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen.((BGH, | ||
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+ | Die Übernahme solcher nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.((BGH, | ||
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+ | Handelt es sich dagegen nicht um technisch zwingend notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, so können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, | ||
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+ | Daneben kann auch die Kombination einzelner technischer Gestaltungsmerkmale wettbewerbliche Eigenart begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen.((BGH, | ||
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+ | Entsprechendes gilt für ästhetische Merkmale der Formgestaltung, | ||
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+ | Die [[wettbewerbliche Eigenart]] eines Erzeugnisses kann sich grundsätzlich auch aus seinen technischen Merkmalen ergeben((vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 289/99, GRUR 2002, 820, 822 = WRP 2002, 1054 - Bremszangen, | ||
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+ | Voraussetzung für die wettbewerbliche Eigenart technischer Produkte ist es, dass es sich bei den betreffenden Gestaltungselementen nicht um Merkmale handelt, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen. Bei solchen technisch notwendigen Gestaltungselementen ist nach dem Grundsatz des freien Stands der Technik bereits die wettbewerbliche Eigenart zu verneinen.((BGH, | ||
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+ | Zu beachten ist allerdings, dass, soweit kein Sonderschutz eingreift, die technische Lehre und der Stand der Technik grundsätzlich frei benutzbar sind. Dementsprechend ist wettbewerbliche Eigenart immer dann zu verneinen, wenn sich eine gemeinfreie technische Lösung in einer technisch notwendigen Gestaltung verwirklicht, | ||
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+ | Dagegen können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, eine wettbewerbliche Eigenart (mit) begründen, sofern der Verkehr im Hinblick auf sie auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Betrieb Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet.((BGH, | ||
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+ | Allein der Umstand, dass es sich bei einer Gestaltung eines Werkzeugs um eine für den Gebrauchszweck " | ||
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+ | Ein Schutz nach § 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a und b UWG für technisch notwendige Gestaltungsmerkmale entfällt, weil nach dem Grundsatz der Freiheit des Standes der Technik die Übernahme solcher nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist. | ||
+ | Dementsprechend können technisch notwendige Merkmale, also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen.((BGH, | ||
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+ | Dies gilt jedoch nicht bei technischen Gestaltungsmerkmalen, | ||
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+ | Auch unter dem Gesichtspunkt, | ||
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+ | Ein ehemals patentrechtlich geschütztes Element eines Erzeugnisses kann diesem wettbewerbliche Eigenart verleihen, wenn die konkrete Gestaltung dieses Elements technisch nicht zwingend notwendig ist, sondern durch eine frei wählbare und austauschbare Gestaltung, die denselben technischen Zweck erfüllt, ersetzt werden kann, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind.((BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 107/13 - Exzenterzähne)) | ||
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+ | Einem Wettbewerber ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, auf die Übernahme von Merkmalen des Produkts eines Mitbewerbers, | ||
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+ | Bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen sind Wertungswidersprüche zum Markenrecht (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG -> [[Markenrecht: | ||
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+ | ===== siehe auch ===== | ||
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+ | -> [[Wettbewerbliche Eigenart]] |
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