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wettbewerbsrecht:verbringungsverbot

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wettbewerbsrecht:verbringungsverbot [2020/09/01 07:27] – [Arzneimittelpreisrecht und Warenverkehrsfreiheit] mfreundwettbewerbsrecht:verbringungsverbot [2023/07/25 08:30] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1
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 +====== Verbringungsverbot ======
 +
 +==== § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG ====
 +
 +Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG darf eine Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche für den Versandhandel
 +nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt ist, entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland liefern.((BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 121/17 - Applikationsarzneimittel))
 +
 +Endverbraucher ist bei einem Arzneimittel grundsätzlich der Patient,
 +weil ein Arzneimittel in seinem Körper wirkt und dieser es durch Einnahme oder
 +Anwendung selbst "verbraucht". Grundsätzlich ist deshalb nach § 73 Abs. 1 
 +Satz 1 Nr. 1a AMG eine Lieferung von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels
 +an Ärzte zur Weitergabe an Patienten nicht gestattet.((BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 121/17 - Applikationsarzneimittel)) 
 +
 +Bei der Anwendung eines Applikationsarzneimittels durch den Arzt am Patienten handelt es sich nicht um ein Inverkehrbringen oder eine Abgabe, sondern um einen Endverbrauch im Sinne von § 43 Abs. 1 AMG (dazu oben II 2 c ee Rn. 42). Dies ist bei der Auslegung von § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zu berücksichtigen. Der Umstand, dass der bestimmungsgemäße Einsatz des Arzneimittels bei einem Applikationsarzneimittel ärztlicher Hilfe bedarf, bedeutet zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass der Arzt dadurch zum Endverbraucher wird (aA Hofmann in Kügel/Müller/Hofmannm AMG, 2. Aufl., § 43 Rn. 13). Eine Lieferung eines Applikationsarzneimittels an den anwendenden Arzt stellt sich jedoch als Lieferung an den Patienten als Endverbraucher dar, weil dieser ohne die Hilfe des Arztes das Arzneimittel nicht verwenden und damit nur in den Praxisräumen des Arztes ein Endverbrauch stattfinden kann.((BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 121/17 - Applikationsarzneimittel)) 
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 +§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG erfasst Arzneimittel, die von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche
 +für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt ist, entsprechend
 +den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt werden.((BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 121/17 - Applikationsarzneimittel))
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 +Einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland liefern darf, ist es gestattet, Applikationsarzneimittel an den anwendenden Arzt zu liefern.((BGH, Urteil vom 26. April 2018 - I ZR 121/17 - Applikationsarzneimittel))
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 +Die Beschränkungen bei der Abgabe von Arzneimitteln, insbesondere die nationale Apothekenpflicht (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG) und die Modalitäten eines zulässigen Versands nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, die eine Versendung unmittelbar von der Apotheke an den Kunden verlangen, der Arzneimittelsicherheit dienen und im Interesse eines hohen Schutzniveaus für den Endverbraucher nach Art. 36 AEUV [-> [[EU:Warenverkehrsfreiheit]]] gerechtfertigt sind.((BGH, Beschl. v. 30. April 2020 - I ZR 123/19))
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 +Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat entschieden, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat
 +der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, und dass seine Anwendung mit dem Primärrecht der Union in Einklang steht.((BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - I ZR 68/14; m.V.a. GmS-OGB, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 Rn. 21 ff., 34 ff.))
 +
 +Er hat weiter angenommen, dass ein Verstoß gegen die [[EU:Warenverkehrsfreiheit]] im Sinne des Art. 34 AEUV nicht vorliegt. Die Arzneimittelpreisvorschriften des deutschen Rechts sind, auch wenn sie auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland anwendbar sind, keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne dieser Bestimmung.((BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - I ZR 68/14; m.V.a. GmS-OGB, BGHZ 194, 354 Rn. 39 ff.))
 +
 +Die Regelung, wonach deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt, wäre auch nach Art. 36 AEUV (Art. 30 EGV) zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt.((BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - I ZR 68/14; m.V.a. GmS-OGB, BGHZ 194, 354 Rn. 44 ff.).
 +
 +Die deutschen Vorschriften über den einheitlichen Apothekenabgabepreis sind nach diesen Maßstäben lediglich Verkaufsmodalitäten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.((BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - I ZR 68/14; m.V.a. EuGH, Urteil vom 30. April 2009 - C-531/07, Slg. 2009, I-3717 = GRUR 2009, 792 Rn. 20 - Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/LIBRO))
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 +Sie berühren den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtlich wie tatsächlich gleichermaßen. Allerdings kann die beschränkende Wirkung einer mitgliedstaatlichen Bestimmung für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten ungünstiger sein als für inländische
 +Erzeugnisse, wenn die Einschränkungen sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer stärker auswirken als auf inländische Unternehmen.((BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - I ZR 68/14; m.V.a. EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - C-322/01, Slg. 2003, I-14887 = NJW 2004, 131 Rn. 71 bis 75 - Deutscher Apothekerverband/N.V. u.a.))
 +
 +Ausländische Versandapotheken werden durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis jedoch nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich - ebenso wie eine inländische stationäre Apotheke - an den
 +einheitlichen Apothekenabgabepreis halten müssen.((BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - I ZR 68/14; m.V.a. GmS-OGB, BGHZ 194, 354 Rn. 40 ff.))
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 +===== siehe auch =====
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 +AMG -> [[Arzneimittelgesetz]]
  
wettbewerbsrecht/verbringungsverbot.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:30 von 127.0.0.1