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wettbewerbsrecht:richtlinie_ueber_unlautere_geschaeftspraktiken

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wettbewerbsrecht:richtlinie_ueber_unlautere_geschaeftspraktiken [2022/05/18 07:58] – [Art. 2 der Richtlinie 2005/29/EG] mfreundwettbewerbsrecht:richtlinie_ueber_unlautere_geschaeftspraktiken [2023/08/14 07:18] (aktuell) – [Art. 7 Abs. 4] mfreund
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 +====== Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) ======
  
 +
 +Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt.((vgl. Art. 4 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 
 +14. Januar 2010 - C-304/08, Slg. 2010, I-254 = GRUR 2010, 244 Rn. 41 = WRP 2010, 232 - Zentrale/Plus Warenhandelsgesellschaft)). Sie regelt abschließend, welche  Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern  als unlauter anzusehen und deswegen unzulässig sind.((BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - I ZR 2/11 - GOOD NEWS; m.V.a. EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-261/07 und C-299/07, Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Rn. 51 = WRP 2009, 722 - VTB/Total Belgium und Galatea/Sanoma))
 +
 +Im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken kann ein Verstoß gegen eine nationale Marktverhaltensregel die Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG allerdings nur begründen, wenn diese
 +nationale Bestimmung eine unionsrechtliche Grundlage hat.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens; m.V.a. BGH, GRUR 2010, 652 Rn. 11 - Costa del Sol; BGH, Urteil vom 22. März 2012 - I ZR 111/11, GRUR 2012, 1159 Rn. 9 = WRP 2012, 1384 - Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot; Beschluss vom 18. September 2014 - I ZR 201/12, GRUR 2014, 1208 Rn. 11 = WRP 2014, 1444 - Preis zuzüglich Überführung))
 +
 +Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern sind mit der Richtlinie 2005/29/EG auf Unionsebene vollständig harmonisiert worden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen (Art. 4 der Richtlinie), und zwar auch nicht zur Erreichung eines höheren Verbraucherschutzniveaus.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II; m.V.a. EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 41 - Plus; BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 17 - Millionen-Chance I))
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 +Art. 7 Abs. 1 -> [[Irreführende Unterlassungen]]
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 +==== Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2005/29/EG ====
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 +Der Begriff der "geschäftlichen Handlung" gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG reicht weiter als der unionsrechtliche Begriff der "Geschäftspraktiken" in Art. 2 Buchst. d der [[Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken|Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken]], der nur Verhaltensweisen von Gewerbetreibenden umfasst, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängen.((BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 - I ZR 74/19 - GRAZIA StyleNights))
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 +Nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erfasst der Begriff der "geschäftlichen Handlung" auch Maßnahmen gegenüber Unternehmern und sonstigen Marktteilnehmern sowie Verhaltensweisen, die sich unmittelbar gegen Mitbewerber richten. Ebenso werden Handlungen Dritter zur Förderung des Absatzes oder Bezugs eines fremden Unternehmens erfasst, die nicht im Namen oder im Auftrag des Unternehmers handeln. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken steht der weiterreichenden Definition der "geschäftlichen Handlung" nicht entgegen, da sie nur einen Teilaspekt auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs regelt.((BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 - I ZR 74/19 - GRAZIA StyleNights; m.V.a. BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - I ZR 2/11, GRUR 2014, 879 Rn. 13 = WRP 2014, 1058 - GOOD NEWS II, mwN; EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 - C-391/12, GRUR 2013, 1245 Rn. 34 bis 42 = WRP 2013, 1575 - RLvS))
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 +
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 +==== Art. 3 Anwendungsbereich ====
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 +Nach Art. 3 Abs. 2 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 der Richtlinie lässt diese das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen und die Wirkungen eines Vertrags unberührt.
 +
 +Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF, § 3a UWG, die sich auf den Abschluss und den Inhalt von Verträgen beziehen, stehen daher grundsätzlich in Einklang mit der Richtlinie 2005/29/EG. Soweit das Vertragsrecht im sonstigen Unionsrecht geregelt ist, müssen sie allerdings auch mit den jeweiligen unionsrechtlichen Bestimmungen vereinbar sein.((BGH, Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17 - Verfügbare Telefonnummer; m.V.a. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 3a Rn. 1.22))
 +
 +Dies gilt insbesondere für die in § 312d BGB und Art. 246a EGBGB enthaltenen Regelungen, die unter anderem Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h der Richtlinie 2011/83/EU in das deutsche Recht umsetzen und dabei spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, soweit sie Informationsanforderungen und Bestimmungen darüber enthalten, auf welche Weise dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind.((BGH, Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17 - Verfügbare Telefonnummer; m.V.a. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - I ZR 238/14, GRUR 2016, 957 Rn. 28 = WRP 2016, 980 - Mehrwertdienstenummer; Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 10 Satz 3 der Richtlinie 2005/29/EG; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 3a Rn. 1.24 und § 5a Rn. 5.6))
 +
 +Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG sieht vor, dass bei einer Kollision der Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen Aspekte maßgebend sind. Die Richtlinie 2005/29/EG gilt nach ihrem Erwägungsgrund 10 Satz 3 nur insoweit, als keine spezifischen Vorschriften des Unionsrechts vorliegen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II))
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 +Ob eine Kollision im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt, ist in Bezug auf konkrete Bestimmungen zu prüfen.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II; m.V.a. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 Rn. 46 = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III, mwN)) 
 +
 +Der Senat hat daher entschieden, dass die Frage, ob der Verbraucher mit der beanstandeten Aufmachung eines Lebensmittels hinreichend über dessen Merkmale aufgeklärt wird, allein nach den einschlägigen Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung zu beurteilen ist und aus Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG) keine darüber hinausgehenden Informationspflichten hergeleitet werden können.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II; m.V.a. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - I ZR 45/13, GRUR 2016, 738 Rn. 23 = WRP 2016, 838 - Himbeer-Vanille-Abenteuer II)) Anders liegt es jedoch, wenn die Richtlinie 2005/29/EG über ihren Art. 7 Abs. 5 die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung integriert. Dann liegt kein Kollisionsfall vor, sondern die Richtlinien ergänzen sich insoweit.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II; zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse vgl. BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 47 - Flaschenpfand III, mwN))
 +
 +
 +==== Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 ====
 +
 +Nach der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Eine in diesem Sinne wesentliche Beeinflussung ist nach der Definition des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie immer dann gegeben, wenn eine Geschäftspraxis die Fähigkeit des Verbrauchers, eine "informierte Entscheidung" zu treffen, spürbar beeinträchtigt und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er andernfalls nicht getroffen hätte.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II))
 +
 +==== Art. 7 Abs. 1 ====
 +
 +Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG gilt eine Geschäftspraxis
 +als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsäch-
 +licher Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche
 +Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je
 +nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung
 +zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen
 +Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst
 +nicht getroffen hätte. Im Falle der Aufforderung zum Kauf gelten nach Art. 7
 +Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG folgende Informationen als wesentlich,
 +sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: der Preis
 +einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fällen, in denen der Preis
 +aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus
 +berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle
 +zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen
 +diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die
 +Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +Als wesentlich im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG
 +gelten ferner gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG die im Gemeinschaftsrecht
 +festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle
 +Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden
 +Liste des Anhangs II der Richtlinie verwiesen wird.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +Unter [[Internetrecht:kommerzielle Kommunikation|kommerzieller Kommunikation]] in diesem Sinne sind in Anlehnung an Art. 2 Buchst. f der [[Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr|Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr]] alle Formen der Kommunikation zu verstehen, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II; m.V.a. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - C-19/15, GRUR 2016, 1090 Rn. 25 f. = WRP 2016, 1466 - Verband Sozialer Wettbewerb; BGH, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 65] - Zufriedenheitsgarantie; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 149; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 5a Rn. 5.3; MünchKomm.UWG/Alexander, 3. Aufl.,§ 5a Rn. 311 f.))
 +
 +In der Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG wird auf die
 +Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise
 +der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Preisangabenrichtlinie) verwiesen. Die
 +Preisangabenrichtlinie gilt allerdings nur für Waren (vgl. Köhler, WRP 2013,
 +723, 725) und ist mithin vorliegend nicht relevant.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +nformationspflichten für Dienstleistungserbringer regelt die Richtlinie
 +2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Zwar ist diese Richtlinie
 +im Anhang II der Richtlinie 2005/29/EG nicht ausdrücklich genannt. Sie ist jedoch ebenfalls zu beachten, da die Aufzählung im Anhang II - wie Art. 7 Abs. 5
 +der Richtlinie 2005/29/EG ausdrücklich bestimmt - nicht erschöpfend ist (vgl.
 +Köhler, WRP 2013, 723, 724)
 +
 +Hat der Dienstleistungserbringer den Preis für eine bestimmte Art von
 +Dienstleistung im Vorhinein festgelegt, muss er dem Dienstleistungsempfänger
 +nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/123/EG den Preis der Dienstleistung
 +zur Verfügung stellen. Die Bestimmung des Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie
 +2006/123/EG eröffnet dem Dienstleistungserbringer hierbei die Wahl zwischen
 +verschiedenen Möglichkeiten: Er kann den Preis von sich aus mitteilen (Buchst.
 +a) oder dafür sorgen, dass der Preis für den Dienstleistungsempfänger am Ort
 +der Leistungserbringung oder des Vertragsschlusses (Buchst. b) oder elektronisch
 +über eine vom Dienstleistungserbringer angegebene Adresse (Buchst. c)
 +leicht zugänglich ist; ferner reicht es aus, wenn der Preis in allen von den
 +Dienstleistungserbringern den Dienstleistungsempfängern zur Verfügung gestellten
 +Informationsunterlagen über die angebotene Dienstleistung enthalten ist
 +(Buchst. d).((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +Hat der Dienstleistungserbringer den Preis für die Dienstleistung nicht im
 +Vorhinein festgelegt, so muss er den Dienstleistungsempfängern nach Art. 22
 +Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2006/123/EG auf Anfrage den Preis der Dienstleistung
 +oder, wenn kein genauer Preis angegeben werden kann, die Vorgehensweise
 +zur Berechnung des Preises mitteilen, die dem Dienstleistungsempfänger
 +die Überprüfung des Preises ermöglicht, oder diesem einen Kostenvoranschlag
 +zur Verfügung stellen.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +Nach Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2006/123/EG müssen die mitzuteilenden
 +Informationen - mithin auch der Preis - klar und unzweideutig sein und
 +rechtzeitig vor Abschluss des Vertrags oder, wenn kein schriftlicher Vertrag geschlossen
 +wird, vor Erbringung der Dienstleistung bereitgestellt werden.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +==== Art. 7 Abs. 4 ====
 +
 +Die Vorschriften über die Informationspflichten in Art. 7 Abs. 4
 +Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG einerseits und Art. 22 Abs. 1 Buchst. i,
 +Abs. 2 und 3 Buchst. a, Abs. 4 der Richtline 2006/123/EG andererseits sind nebeneinander
 +anwendbar. Zwar bestimmt Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie
 +2005/29/EG, dass bei einer Kollision von Bestimmungen der Richtlinie mit anderen
 +Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer
 +Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen
 +Aspekte maßgebend sind. Ein solcher Kollisionsfall liegt in Bezug auf die hier in
 +Rede stehenden Informationsanforderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
 +und der Dienstleistungsrichtline jedoch nicht vor (vgl. Arbeitspapier
 +der Kommissionsdienststellen vom 3. Dezember 2009, Leitlinien zur
 +Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken,
 +SEK (2009) 1666, S. 22; Glöckner in Harte/Henning, UWG,
 +3. Aufl., Einl. B Rn. 124). Nach Erwägungsgrund 32 der Richtlinie 2006/123/EG
 +steht diese Richtlinie im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebung
 +zum Verbraucherschutz wie etwa der Richtlinie 2005/29/EG. In Übereinstimmung
 +hiermit regelt Art. 22 Abs. 5 Halbsatz 1 der Richtlinie 2006/123/EG,
 +dass die Informationsanforderungen der Dienstleistungsrichtlinie die bereits im
 +Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Anforderungen (lediglich) ergänzen. Zudem
 +integriert die Bestimmung des Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG, indem
 +sie die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen als wesentlich
 +im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG definiert, die Informationsanforderungen
 +der Dienstleistungsrichtlinie in die Richtlinie
 +2005/29/EG (vgl. Köhler, WRP 2013, 723, 724; ders. in Köhler/Bornkamm,
 +UWG, 33. Aufl., § 1 PAngV Rn. 1d). Die Bestimmung des Art. 7 Abs. 4
 +Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG wird danach durch die Bestimmungen der
 +Art. 22 Abs. 1 Buchst. i, Abs. 2 und 3 Buchst. a, Abs. 4 der Richtline
 +2006/123/EG nicht verdrängt. Entsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen
 +Union die Zulässigkeit einer Preiswerbung für eine Flugreise - also ein
 +Dienstleistung - an Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG gemessen
 +(vgl. EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-122/10, Slg. 2011, I-3903 = GRUR
 +2011, 930 Rn. 60 ff. = WRP 2012, 189 - Ving Sverige).((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens))
 +
 +Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG statt des in der Richtlinie verwendeten Begriffs "Aufforderung zum Kauf" die Umschreibung gewählt, dass Waren oder Dienstleistungen
 +so angeboten werden, dass ein Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, das Geschäft abzuschließen.((BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22; m.V.a. die Begründung zum Regierungsentwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 16/10145, S. 25))
 +
 +Nach der danach erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung des § 5b Abs. 1 UWG reicht es für ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift aus, dass eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt. Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das der Fall,
 +wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten
 +muss, das Produkt zu kaufen, oder aber, dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht.((BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22; m.V.a. EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-122/10, GRUR 2011, 930 [juris Rn. 33] = WRP 2012, 189 - Ving Sverige; zu § 5a Abs. 3 UWG aF BGH, Urteil vom 14. September 2017 - I ZR 231/14, GRUR 2017, 1269 [juris Rn. 16] = WRP 2018, 65 - MeinPaket.de II, mwN))
 +
 +Eine geschäftliche Entscheidung umfasst nach Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1
 +UWG nF) jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will; dies schließt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts((vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR 2014, 196 = WRP 2014, 161 [juris Rn. 36] - Trento Sviluppo und Centrale Adriatica)) und das Aufrufen eines Verkaufsportals im Internet ((vgl. BGH, GRUR 2017, 1269 [juris Rn. 19] - MeinPaket.de II)) ein.((BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22))
 +
 +Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22; Berichtigung ABl. L 253 vom 25. September 2009, S. 18) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:((BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22))
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 +Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?((BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZR 65/22))
 +
 +
 +
 +
 +
 +
 +==== Art. 7 Abs. 5 ====
 +
 +Da die Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie ausdrücklich nicht erschöpfend ist, steht einer Einstufung der sich aus der Lebensmittelinformationsverordnung ergebenden Informationspflichten als wesentlich nicht entgegen, dass diese Verordnung im Anhang II der
 +Richtlinie nicht genannt ist.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II))
 +
 +Die streitgegenständliche Nährwertdeklaration auf der Verpackung des Produkts der Beklagten stellt kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG) dar.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II))
 +
 +
 +==== Art. 7 Abs. 2: Irreführungsverbot ====
 +
 +Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie liegt eine irreführende Unterlassung vor, wenn ein Gewerbetreibender den kommerziellen Zweck einer Geschäftspraxis nicht hinreichend 
 +kenntlich macht, dieser Zweck sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt 
 +und die Geschäftspraxis einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte.((BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - I ZR 2/11 - GOOD NEWS))
 +
 +
 +
 +
 +==== Irreführende und aggressive Praktiken ====
 +
 +In Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie werden zwei Arten von Geschäftspraktiken genannt, die als unlauter einzustufen sind, nämlich die "irreführenden Praktiken" im Sinne der Art. 6 und 7 und die "aggressiven Praktiken" im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II4))
 +
 +==== Anhang I: erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken  ====
 +
 +Darüber hinaus stellt die Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie "unter allen Umständen" als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als unlauter gelten.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II; m.V.a. EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 44 f. - Plus))
 +
 +==== Nr. 11 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG ====
 +
 +BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 - I ZR 74/19 - GRAZIA StyleNights:
 +
 +Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Nr. 11 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG des Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen
 +Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) folgende Fragen zur
 +Vorabentscheidung vorgelegt:
 +
 +1. Ist eine "Bezahlung" einer Verkaufsförderung im Sinne von Nr. 11 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG nur dann gegeben, wenn für den Einsatz redaktioneller Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eine Gegenleistung in Geld erbracht wird, oder ist von dem Begriff der "Bezahlung" jede Art der Gegenleistung umfasst, ohne dass es darauf ankommt, ob diese in Geld, in Waren oder Dienstleistungen oder in sonstigen Vermögenswerten besteht?
 +
 +2. Setzt Nr. 11 Satz 1 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG voraus, dass der Gewerbetreibende dem Medienunternehmer den geldwerten Vorteil als Gegenleistung für den Einsatz redaktioneller Inhalte verschafft und ist, falls dies zu bejahen ist, von einer solchen Gegenleistung auch in einem Fall auszugehen, in dem der Medienunternehmer über eine gemeinsam mit einem Gewerbetreibenden veranstaltete Werbeaktion berichtet, wenn der Gewerbetreibende dem Medienunternehmer für den Bericht Bildrechte zur Verfügung gestellt hat, sich beide Unternehmen an Kosten und Aufwand der Werbeaktion beteiligt haben und die Werbeaktion der Förderung des Verkaufs der Produkte beider Unternehmen
 +dient?
 +
 +==== Art. 11a Abs. 1 Satz 1  ====
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 +Art. 11a Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union mit Wirkung vom 7. Januar 2020 geänderten Fassung bestimmt, dass Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens sowie
 +gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrags, haben müssen.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II))
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 +Zur Umsetzung dieser Regelung sieht § 9 Abs. 2 Satz 1 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3504) mit Wirkung vom 28. Mai 2022 vor, dass, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG nF gilt dies allerdings nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6 UWG sowie nach Nummer 32 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II))
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 +Durch § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG nF werden an eine Verletzung von § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG (ab dem 28. Mai 2022: § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG) daher potentiell weitergehende Rechtsfolgen geknüpft als an eine Verletzung von
 +§ 3a UWG. Anders als nach der bisherigen Rechtslage (hierzu vgl. Büscher, WRP 2019, 1249 Rn. 6; MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 17 mit Fn. 57) wird das Schutzniveau nach den beiden Vorschriften bei einer Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation künftig nicht
 +mehr identisch sein, da eine Unlauterkeit nach § 3a UWG keine Schadensersatzpflicht gegenüber Verbrauchern auslöst 
 + vgl. Alexander, GRUR 2021, 1445, 1451; Büscher, WRP 2022, 132 Rn. 16). Ein Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11a der Richtlinie 2005/29/EG wird nur vermieden, wenn allein § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) zur Anwendung kommt.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II))
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 +Nicht hiervon erfasst sind Informationspflichten, die nicht die kommerzielle Kommunikation betreffen und daher nicht unter Art. 7 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG fallen. Ein Verstoß gegen solche Informationspflichten 
 +kann weiterhin eine Unlauterkeit nach § 3a UWG begründen.((BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19 - Knuspermüsli II; m.V.a. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 60 bis 66] = WRP 2022, 452 - Zufriedenheitsgarantie))
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 +===== Weblinks =====
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 +Richtlinie 2005/29/EG 
 + -> http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:149:0022:01:DE:HTML
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 +===== siehe auch =====