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verfahrensrecht:zurueckgewiesene_und_neue_angriffs-_und_verteidigungsmittel [2022/12/15 08:33] – [Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel] mfreund | verfahrensrecht:zurueckgewiesene_und_neue_angriffs-_und_verteidigungsmittel [2023/07/25 08:28] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1 | ||
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+ | ====== Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel ====== | ||
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+ | **§ 531 (1) ZPO** | ||
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+ | Angriffs- und Verteidigungsmittel, | ||
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+ | **§ 531 (2) ZPO** | ||
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+ | Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie | ||
+ | - einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, | ||
+ | - infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder | ||
+ | - im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. | ||
+ | Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt. | ||
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+ | § 529 (1) ZPO -> [[Prüfungsumfang des Berufungsgerichts]] | ||
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+ | Neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO sind alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, | ||
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+ | Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Von Nachlässigkeit in diesem Sinne ist auszugehen, wenn die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht der ersten Instanz bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen.((BGH, | ||
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+ | Der Partei schadet bereits ein einfach fahrlässiger Verstoß gegen ihre prozessuale Sorgfaltspflicht.((BGH, | ||
+ | [juris Rn. 25]; Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 208/06, TranspR 2009, 477 [juris Rn. 22]; Beschluss vom 12. November 2020 - IX ZR 214/19, NJW-RR 2021, 56 [juris Rn. 11])) | ||
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+ | Eine Verpflichtung, | ||
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+ | Das Berufungsgericht kann gemäß § 531 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Glaubhaftmachung derjenigen Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt, und muss im Fall ihrer Zurückweisung die den Fahrlässigkeitsvorwurf begründenden Tatsachen in seinem Urteil feststellen.((BGH, | ||
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+ | Ungeachtet des § 531 ZPO ist neues unstreitiges Vorbringen stets zuzulassen.((BGH, | ||
+ | ==== Unstreitiges Vorbringen im Patentnichtigkeitsverfahren ==== | ||
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+ | Ein neues Angriffsmittel, | ||
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+ | Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst der Begriff der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel im Zivilprozess zwar nur streitiges und daher beweisbedürftiges Vorbringen((BGH, | ||
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+ | Über die [[Patentrecht: | ||
+ | ==== Fehlende Nachlässigkeit bei der Patentrecherche ==== | ||
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+ | Beruft sich der Kläger darauf, eine Entgegenhaltung erst durch eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils durchgeführte Recherche aufgefunden zu haben, ist das hierauf gestützte Angriffsmittel nur dann nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen, wenn der Kläger dartut, dass die Entgegenhaltung mit einem sachgerecht gewählten Suchprofil bei der für die Begründung der Patentnichtigkeitsklage durchgeführten Recherche nicht aufgefunden werden konnte.((BGH, | ||
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+ | Im Übrigen setzt die Darlegung mangelnder Nachlässigkeit bei der Ermittlung des für die Begründung des Klageangriffs relevanten Standes der Technik voraus, dass der Kläger konkret dartut, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt hat, warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat, und dass bei dem gewählten Suchprofil der in zweiter Instanz vorgebrachte Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents in erster Instanz nicht geführt werden konnte. Erst durch eine solche - im Streitfall fehlende - Darlegung wird der Beklagte in die Lage versetzt, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die erstinstanzliche Recherche sorgfältiger Prozessführung entsprochen hat, und dem Bundesgerichtshof die Prüfung ermöglicht, | ||
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+ | Zur Darlegung fehlender Nachlässigkeit reicht es grundsätzlich auch nicht aus, dass das Patentgericht in seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG keine Frist zur Ergänzung ihres Vorbringens gesetzt hat.((BGH, Urteil vom 27. August 2013 - X ZR 19/12 - Tretkurbeleinhei | ||
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+ | Fehlende Nachlässigkeit kann nicht damit begründet werden, die Recherche, die den neu eingeführten Stand der Technik zutage gefördert habe, sei erst in der Berufungsinstanz durchgeführt worden. Darzulegen ist vielmehr, warum diese Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war.((BGH, Urteil vom 27. August 2013 - X ZR 19/12 - Tretkurbeleinheit)) | ||
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+ | Der Nichtigkeitskläger ist grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen, insbesondere mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei.((BGH, Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 99/11 - Fahrzeugwechselstromgenerator)) | ||
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+ | **§ 531 (2) S. 2 ZPO** | ||
+ | Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt. | ||
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+ | ===== siehe auch ===== |
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