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verfahrensrecht:widerstand_des_schuldners

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Widerstand des Schuldners

§ 892 ZPO

Leistet der Schuldner Widerstand gegen die Vornahme einer Handlung, die er nach den Vorschriften der §§ 887, 890 [→ Vertretbare Handlungen, → Ordnungsmittel] zu dulden hat, so kann der Gläubiger zur Beseitigung des Widerstandes einen Gerichtsvollzieher zuziehen, der nach den Vorschriften des § 758 Abs. 3 [→ Befugnis des Gerichtsvollziehers zur Gewaltanwendung] und des § 759 zu verfahren hat.

Gemäß § 892 Halbsatz 1 ZPO kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher hinzuziehen, wenn der Schuldner gegen die Vornahme einer Handlung Widerstand leistet, die er nach §§ 887, 890 ZPO zu dulden hat. Nach § 892 Halbsatz 2, § 758 Abs. 3 ZPO ist der Gerichtsvollzieher, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann zu diesem Zweck die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachsuchen.

Für eine Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO reicht es aus, wenn der Gläubiger eine dem Schuldner zurechenbare Widerstandshandlung als bevorstehend behauptet; er kann sich insoweit auch auf Verhalten oder Einlassungen des Schuldners vor Erwirkung des Vollstreckungstitels beziehen.1)

Es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger zu erwartenden Widerstand nachweist oder glaubhaft macht.2)

Die Gläubigerin weist den zu erwartenden Widerstand nach oder macht ihn glaubhaft. Ein solches Erfordernis mutete einem Gläubiger zu, sich zunächst selbst um die Vornahme der vom Schuldner nach dem Vollstreckungstitel zu duldenden Handlung zu bemühen und sich dabei möglicherweise in eine Auseinandersetzung mit dem Schuldner zu begeben.3)

Der Schuldner ist ausreichend dadurch geschützt, dass der Gläubiger die Kosten des Gerichtsvollziehers zu tragen hat, soweit ein Widerstand des Schuldners weder aus objektiver ex-ante-Sicht zu erwarten gewesen ist noch sich die Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers ex post wegen des tatsächlich geleisteten Widerstands des Schuldners als notwendig erwiesen hat.4)

Die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen nach § 892 ZPO [→ Widerstand des Schuldners] setzt voraus, dass der Gerichtsvollzieher eine Widerstandsleistung des Schuldners feststellt.5)

Widerstand ist ein auf Verhinderung des Vollstreckungserfolgs gerichtetes vorsätzliches Verhalten.6)

Der Gerichtsvollzieher darf nur solche Maßnahmen ergreifen, die zur Überwindung des Widerstands gegen die Durchführung der nach dem Titel zu duldenden Handlung erforderlich sind.7)

Obwohl § 892 Halbsatz 2 ZPO nur auf § 758 Abs. 3 ZPO und nicht auf dessen Abs. 2 verweist, erstreckt sich die Befugnis des Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO auch auf die zwangsweise Öffnung von Türen, soweit dies der Durchsetzung einer nach dem Titel bestehenden ergänzenden Handlungspflicht des Schuldners dient.8)

Soweit ein Duldungstitel den Schuldner auch dazu verpflichtet, Zutritt zu einem Raum zu gewähren, ist für eine Vollstreckung dieser ergänzenden Handlungspflicht nach § 892 ZPO erforderlich, dass der Schuldner zumindest Mitgewahrsam an diesem Raum hat. Andernfalls richtet sich die Zwangsvollstreckung insoweit nicht gegen ihn und fehlt es an einer Widerstandsleistung des Schuldners im Sinne von § 892 ZPO.9)

Im Ausgangspunkt setzt der vollstreckungsrechtliche Zugriff auf eine Sache den Gewahrsam des Schuldners im Sinne des unmittelbaren Besitzes nach § 854 Abs. 1 BGB an dieser Sache voraus.10)

Erforderlich ist die von einem entsprechenden Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft des Schuldners, die für den Gerichtsvollzieher äußerlich erkennbar sein muss. Der Gerichtsvollzieher muss die tatsächlichen Besitzverhältnisse beurteilen und prüfen, ob sich die Verpflichtung nach dem vom Gläubiger beigebrachten Titel gegen den von ihm nach diesem Maßstab festgestellten Mitbesitzer der Sache richtet. Allein diese Vorgehensweise entspricht dem formalisierten Verfahren der Zwangsvollstreckung.11)

In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der Verkehrsanschauung ab.12)

Der Mitgewahrsam Dritter an einem Raum steht einer Vollstreckung nach § 892 ZPO nicht entgegen.13)

Im Falle einer ergänzenden Handlungspflicht des Schuldners kann der Widerstand nicht nur in einem aktiven Tun, sondern auch in einem Unterlassen bestehen (vgl. LG Weiden, DGVZ 2008, 120, 121 [juris Rn. 3]; LG Paderborn, Beschluss vom 24. Februar 2009 - 5 T 329/08, juris Rn. 15; AG Bühl, DGVZ 2010, 61 [juris Rn. 13]; Bendtsen in Kindl/MellerHannich aaO § 892 Rn. 1; aA Brackhahn, DGVZ 1992, 145, 146; Kannowski/Keil, DGVZ 2008, 109, 114).

Im Falle einer ergänzenden Handlungspflicht des Schuldners kann der Widerstand nicht nur in einem aktiven Tun, sondern auch in einem Unterlassen bestehen.14)

Soweit ein Duldungstitel den Schuldner auch dazu verpflichtet, Zutritt zu einem Raum zu gewähren, ist für eine Vollstreckung dieser ergänzenden Handlungspflicht nach § 892 ZPO erforderlich, dass der Schuldner zumindest Mitgewahrsam an diesem Raum hat. Andernfalls richtet sich die Zwangsvollstreckung insoweit nicht gegen ihn und fehlt es an einer Widerstandsleistung des Schuldners im Sinne von § 892 ZPO.15)

Ein Titel, der den Schuldner verpflichtet, Zutritt zu einer Stromabnahmestelle zu gewähren und deren Sperrung durch Wegnahme des Stromzählers zu dulden [→ Duldungstitel], kann insgesamt nach § 892 ZPO durch Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers vollstreckt werden.16)

siehe auch

§§ 704 - 945b ZPO → Zwangsvollstreckung

1) , 3) , 4) , 7) , 8)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; m.w.N.
2) , 9) , 14) , 15) , 16)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20
5)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; m.V.a. Kannowksi/Keil, DGVZ 2008, 109, 115
6)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; m.V.a. Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl., § § 892 Rn. 3; Bendtsen in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 892 ZPO Rn. 1; ebenso § 62 Abs. 3 GVGA
10)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; m.V.a. § 808 Abs. 1, § 883 Abs. 2, § 886 ZPO
11)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; zu § 885 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - I ZB 56/07, NJW 2008, 1959 Rn. 12; Beschluss vom 14. August 2008 - I ZB 39/08, NJW 2008, 3287 Rn. 13; Beschluss vom 30. April 2020 - I ZB 61/19, BGHZ 225, 252 Rn. 33 mwN; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl, § 885 Rn. 19
12)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; m.V.a. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2012 - V ZR 119/11, WM 2012, 1926 Rn. 10 mwN
13)
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 - I ZB 68/20; m.V.a. AG Kaiserslautern, DGVZ 2016, 109 [juris Rn. 7]
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