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verfahrensrecht:vertretbare_handlungen

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Vertretbare Handlungen

§ 887 ZPO

(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.

§ 888 ZPO → Nicht vertretbare Handlungen

Vertretbare Handlungen unterliegen grundsätzlich der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO. Das geschuldete Verhalten kann von einem Dritten anstelle der Schuldnerin vorgenommen werden, ohne dass es der Gläubigerin darauf ankommt, dass die Beseitigung gerade von der Schuldnerin selbst vorgenommen wird.1)

Etwas anderes gilt, wenn die Vollstreckung von der Mitwirkung oder Zustimmung eines Dritten abhängt, gegen den sich der Leistungstitel nicht richtet. Die Zwangsvollstreckung ist bei einer derartigen Fallgestaltung nur dann möglich, wenn der Dritte sein Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder der Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den Dritten erwirkt. Fehlt es daran, scheidet eine Vollstreckung nach § 887 ZPO aus. In einem solchen Fall ist die Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO durchzuführen.2)

Die in § 887 ZPO getroffene Regelung soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Gläubigers an einer erfolgreichen Vollstreckung und dem ihm gegenüberstehenden Interesse des Schuldners an einem möglichst geringen Eingriff in seine Rechte herstellen3). Ein solcher Interessenausgleich setzt voraus, dass dem Schuldner, der einen titulierten Anspruch des Gläubigers auf Vornahme einer vertretbaren Handlung nicht erfüllt, die Folgen seines weiteren Untätigbleibens vor Augen geführt werden. Dementsprechend ist der Schuldner vor dem Ergehen einer nach § 887 ZPO zu erlassenden Ent-scheidung gemäß § 891 Satz 2 ZPO zwingend zu hören. Soweit der Gläubiger das insoweit vorgesehene Verfahren nicht einhält, sondern die Anspruchserfüllung selbst herbeiführt, bleibt es ihm zwar unbenommen, die entstandenen Kosten vom Schuldner etwa unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder auch nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) erstattet zu verlangen. Die betreffenden Ansprüche unterliegen jedoch möglichen Einwendungen, die bei Einhaltung des in den §§ 887, 891 ZPO vorgesehenen Verfahrens nicht in Betracht kommen und dort sinnvollerweise auch nicht behandelt werden. Die bei der Beurteilung nach materiellem Recht möglicherweise auftretenden Streitfragen lassen sich auch nicht mit den Problemen vergleichen, die sich ergeben, wenn der Gläubiger gemäß § 887 Abs. 2 ZPO a.E. eine Nachforderung mit der Begründung erhebt, die Vornahme der Handlung verursache einen größeren Kostenaufwand als vom Gericht angenommen.4)

Der Gläubiger, der die dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung selbst vorgenommen hat, kann die ihm dadurch entstandenen Kosten nicht noch nachträglich im Vollstreckungsverfahren erstattet verlangen.5))

Antrag nach § 887 Abs. 1 und 2 ZPO

Der Antrag nach § 887 Abs. 1 und 2 ZPO ist eine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung i.S. der §§ 57, 58 BRAGO.6)

Jeder gegen einen einzelnen von mehreren Schuldnern gerichtete Antrag stellt eine Vollstreckungsmaßnahme dar, die jeweils die Vollstreckungsgebühr des § 57 BRAGO anfallen lässt, da es sich um mehrere Angelegenheiten i.S. der § 57 Abs. 1, § 58 BRAGO handelt7). Für die Tätigkeit im Verfahren über Beschwerden in der Zwangsvollstreckung gemäß § 793 ZPO sind die §§ 57, 58 BRAGO gleichfalls anzuwenden8), so dass für das Beschwerdeverfahren bei einem Antrag nach § 887 Abs. 1 und 2 ZPO kein abweichender Begriff der Angelegenheit zugrunde zu legen ist. Die Beschwerdegebühr nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, die auch bei Beschwerden in der Zwangsvollstreckung anfällt9), kann bei einer Mehrheit von Beschwerden, selbst wenn von derselben Angelegenheit auszugehen wäre, grundsätzlich mehrfach entstehen, wie sich aus dem Vergleich mit der abweichenden Regelung für das Erinnerungsverfahren nach § 61 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BRAGO ergibt10).11)

siehe auch

1)
BGH, Bschl. v. 9. Oktober 2013 - I ZB 51/11; m.V.a. BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - I ZB 46/08, NJW-RR 2009, 443 Rn. 8 mwN
2)
BGH, Bschl. v. 9. Oktober 2013 - I ZB 51/11; m.V.a. BGH, NJW-RR 2009, 443 Rn. 8 mwN
3)
vgl. Musielak/Lackmann aaO § 887 Rdn. 1
4)
BGH, Beschl. v. 10. August 2006 - I ZB 110/05
5)
BGH, Beschl. v. 10. August 2006 - I ZB 110/05; m.V.a. OLG Hamm MDR 1972, 615; OLG Hamburg MDR 1973, 768; OLG Köln Rpfleger 1993, 84; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 887 Rdn. 23; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 887 Rdn. 49; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 887 Rdn. 7; Schneider, MDR 1975, 279, 281 mit Nachweisen zur früher auch vertretenen Gegenauffassung
6)
vgl. Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 57 BRAGO Rdn. 40; v. Eicken in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 57 Rdn. 3, 21; Keller in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 58 Rdn. 30
7)
vgl. BGH, Beschl. v. 18.7.2003 - IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581 m.w.N.
8)
vgl. Hartmann aaO § 61 BRAGO Rdn. 1
9)
Hartmann aaO § 57 BRAGO Rdn. 1; v. Eicken in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert aaO § 61 Rdn. 2
10)
Hartmann aaO § 61 BRAGO Rdn. 15; v. Eicken in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert aaO § 61 Rdn. 12
11)
BGH, Beschl. v. 10. August 2006 - I ZB 99/05
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