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verfahrensrecht:gerichtsstand_der_unerlaubten_handlung

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Gerichtsstand der unerlaubten Handlung

§ 32 ZPO

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Nach den allgemeinen Grundsätzen sind die deutschen Gerichte entsprechend § 32 ZPO international zuständig, wenn sich aus dem Vortrag der Klägerin eine Schutzrechtsverletzung in Deutschland ergibt.1)

Die Vorschrift regelt mit der örtlichen Zuständigkeit mittelbar auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Eine unerlaubte Handlung ist im Sinne von § 32 ZPO sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist. Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. § 32 ZPO erfasst auch Unterlassungsansprüche.2)

Sinn und Zweck der Schaffung einer besonderen Zuständigkeit desjenigen Gerichts, in dessen Zuständigkeitsbereich der Handlungs- und/oder Erfolgsort einer deliktischen Handlung fällt, ist die Erleichterung der Prozessführung für den Deliktsgläubiger, der die Vorteile des orts- und beweisnahen Gerichts soll nutzen dürfen.3)

In negativer Hinsicht kann die Anwendbarkeit des § 32 ZPO daher ausgeschieden werden, wenn es sich um eine Klage handelt, die eine Form der Vertragsverletzung zum Gegenstand hat.4)

Hingegen wird jedenfalls in Fällen der bereicherungsrechtlichen Eingriffskondiktion eine Anwendbarkeit des § 32 ZPO bejaht, da diese eine Form unerlaubter, der Rechtsordnung zuwiderlaufende Handlung darstelle.5)

Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen.6)

Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist auch für den Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG eröffnet.

Ein im Ausland ansässiger Lieferant ist für eine in Deutschland begangene Patentverletzung verantwortlich, wenn er ein geschütztes Erzeugnis an einen in Deutschland ansässigen Abnehmer liefert. Dies gilt unabhängig davon, an welchem Ort Eigentum, Besitz und Gefahr an der gelieferten Ware auf den Abnehmer übergehen.7)

Diese Grundsätze gelten auch für Handlungen, die als mittelbare Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG zu qualifizieren sind.8)

Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) im Inland abgerufen werden kann. An seiner abweichenden Auffassung9) hält der Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen wegen Verletzungen des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO (jetzt Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO) nicht fest.10)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 69/13 - Audiosignalcodierung; m.V.a. BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 33/10, BGHZ 194, 272 = GRUR 2012, 1230 Rn. 9 - MPEG-2-Videosignalcodierung; Urteil vom 29. Juni 2010 - VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 8). Diese Voraussetzungen sind als erfüllt anzusehen, wenn der Erfolgsort der angegriffenen Handlungen in Deutschland liegt. Dass der Handlungsort im Ausland liegt, ist unerheblich.((BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 69/13 - Audiosignalcodierung; m.V.a. BGH, NJW-RR 2010, 1554 Rn. 10
2)
BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 43/14 - An Evening with Marlene Dietrich; m.V.a. vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7 f.; Urteil vom 29. März 2011 - VI ZR 111/10, GRUR 2011, 558 Rn. 6 f. = WRP 2011, 898; BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 11 - Tarzan, mwN
3)
LG Mannheim Urteil vom 18.2.2011, 7 O 100/10; m.V.a. Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 32 Rn. 1
4)
LG Mannheim Urteil vom 18.2.2011, 7 O 100/10
5)
LG Mannheim Urteil vom 18.2.2011, 7 O 100/10; m.V.a. Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 32 Rn. 7 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 32 Rn. 9
6)
BGH, Urt. v. 11.2.1988 - I ZR 201/86, GRUR 1988, 483, 485 = WRP 1988, 446 - AGIAV; BGHZ 153, 82, 91
7)
BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 69/13 - Audiosignalcodierung; m.V.a. BGH, GRUR 2002, 599 - Funkuhr I
8)
BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 69/13 - Audiosignalcodierung
9)
vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 14 - Vorschaubilder I
10)
BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 43/14 - An Evening with Marlene Dietrich; m.V.a. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C-170/12, GRUR 2014, 100 Rn. 42 = WRP 2013, 1456 - Pinckney/Mediatech; Urteil vom 22. Januar 2015 - C-441/13, GRUR 2015, 296 Rn. 32 = WRP 2015, 332 - Hejduk/EnergieAgentur; offengelassen für Markenverletzungen BGH, Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 15 = WRP 2015, 1219 - IPS/ISP; zu Wettbewerbsverletzungen vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 12 = WRP 2015, 1326 - Hotelbewertungsportal
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