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urheberrecht:oeffentlichkeit_der_wiedergabe

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 -> [[Neues Publikum der öffentlichen Wiedergabe]] -> [[Neues Publikum der öffentlichen Wiedergabe]]
  
-Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine [[Handlung der Wiedergabe]] und die [[Öffentlichkeit der Wiedergabe|Öffentlichkeit dieser Wiedergabe]]. +Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine [[Handlung der Wiedergabe]] und die [[Öffentlichkeit der Wiedergabe|Öffentlichkeit dieser Wiedergabe]]. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden.((st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim; m.V.a. EuGH, Urteil vom 20. April 2023 - C-775/21 und C-826/21, GRUR 2023, 717 [juris Rn. 47 f.] = WRP 2023, 681 - Blue Air Aviation/UCMR - ADA u.a., mwN)) 
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 +Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff der Öffentlichkeit nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.((BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim)) 
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 +Um eine "unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören.((BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim; m.V.a. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vgl. EuGH, Urteil vom 31. Mai 2016 - C-117/15, GRUR 2016, 684 [juris Rn. 42] - Reha Training/GEMA; zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2012 
 +- C-135/10, GRUR 2012, 593 [juris Rn. 85] = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso; 
 +Urteil vom 15. März 2012 - C-162/10, GRUR 2012, 597 [juris Rn. 34] - PPL/ 
 +Irland)) 
 + 
 +Mit dem Kriterium "recht viele Personen" ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit nur bei Überschreitung einer bestimmten Mindestschwelle erfüllt ist und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.((BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim; m.V.a. EuGH, GRUR 2016, 684 [juris Rn. 40 bis 44] - Reha Training/GEMA; EuGH, GRUR 2023, 717 [juris Rn. 54] - Blue Air Aviation/UCMR - ADA u.a., jeweils mwN))
  
 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedeutet "Öffentlichkeit" eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten, die aus einer ziemlich großen Zahl von Personen bestehen muss.((BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 22 - Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff, mwN)) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedeutet "Öffentlichkeit" eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten, die aus einer ziemlich großen Zahl von Personen bestehen muss.((BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. EuGH, GRUR 2018, 911 Rn. 22 - Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff, mwN))
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 Um eine "unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Hinsichtlich des Um eine "unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Hinsichtlich des
 Kriteriums "recht viele Personen" ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.((BGH, Urteil vom 28. März 2019 - I ZR 132/17 - Testversion; m.V.a. BGH, GRUR 2018, 608 Rn. 33 f. - Krankenhausradio, mwN)) Kriteriums "recht viele Personen" ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.((BGH, Urteil vom 28. März 2019 - I ZR 132/17 - Testversion; m.V.a. BGH, GRUR 2018, 608 Rn. 33 f. - Krankenhausradio, mwN))
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 Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Daher kommt es nicht nur darauf an, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben, sondern auch, wie viele von ihnen nacheinander Zugang Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Daher kommt es nicht nur darauf an, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben, sondern auch, wie viele von ihnen nacheinander Zugang
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 Erfolgen die ursprüngliche und die nachfolgende Wiedergabe im Internet, handelt es sich um dasselbe technische Verfahren.((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 11/16 - Vorschaubilder III; m.V.a. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 - BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 1152 Rn. 42 - GS Media/Sanoma u.a.)) Erfolgen die ursprüngliche und die nachfolgende Wiedergabe im Internet, handelt es sich um dasselbe technische Verfahren.((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 11/16 - Vorschaubilder III; m.V.a. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 - BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 1152 Rn. 42 - GS Media/Sanoma u.a.))
  
 +Die Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des "Framing" [-> [[Framing]]] stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG dar.((BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - I ZR 46/12 - Die Realität II))
  
 +Die Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sieht vor, dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks vom Urheberrechtsinhaber erlaubt werden muss.((vgl. EuGH, GRUR 2016, 1152 Rn. 43 - GS
 +Media/Sanoma u.a.; GRUR 2017, 610 Rn. 47 - Stichting Brein/Wullems))
  
-Die Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des "Framing" [-[[Framing]]] stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. und 3 UrhG dar.((BGH, Urteil vom 9Juli 2015 - I ZR 46/12 - Die Realität II))+==== Hotelgäste ==== 
 + 
 +Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Gäste eines Hotels, dessen Betreiber in seinen Gästezimmern Fernseh- und/oder Radiogeräte aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, eine unbestimmte 
 +Zahl potentieller Leistungsempfänger darstellen, weil der Zugang dieser Gäste zu den Dienstleistungen des Hotels grundsätzlich auf einer persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Gastes beruht und lediglich durch die Aufnahmekapazität des fraglichen Hotels begrenzt wird, so dass es sich in einem solchen Beispielsfall um "Personen allgemeinhandelt.((BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim; m.V.a. EuGH, GRUR 2012, 597 [juris Rn. 41] PPL/Irland). Im gleichen Sinne hat der Gerichtshof für Patienten eines Rehabilitationszentrums entschieden (EuGH, GRUR 2016, 684 [juris Rn. 57] - Reha Training/GEMA; für Krankenhauspatienten ebenso BGH, GRUR 2018, 608 [juris Rn. 34 f.- Krankenhausradio)) 
 + 
 +In allen diesen Fällen beruht der Zugang zu den jeweils angebotenen Dienstleistungen grundsätzlich auf einer persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Gasts, für den das Angebot in Frage kommt, und wird lediglich durch die Aufnahmekapazität der fraglichen Einrichtung begrenzt.((BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim)) 
 + 
 +==== Patienten eines Zahnarzts ==== 
 + 
 +Andererseits hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Patienten eines Zahnarzts, für die im Wartezimmer Hintergrundmusik abgespielt wird, nicht als "Personen allgemein" angesehen, weil sie eine Gesamtheit von Personen 
 +seien, deren Zusammensetzung weitgehend stabil sei und die eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger darstellten, da andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten (EuGH, GRUR 2012, 593 [juris Rn. 95] - SCF/Del Corso). Auch die Wiedergabe an eine 
 +klar definierte und geschlossene Gruppe von Personen, die bei einem Gericht Aufgaben im öffentlichen Interesse wahrnehmen, erfolgt nicht an eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten, sondern gegenüber einzelnen Angehörigen 
 +eines bestimmten Fachpersonals.((BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 - I ZR 34/23 - Seniorenwohnheim; zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020 - C-637/19, GRUR 2020, 1295 [juris 
 +Rn. 28 f.] = WRP 2021, 27 - By [Fotografisches Beweismittel])) 
 +==== Seniorenwohnheim ==== 
 + 
 +Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 
 +2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft 
 +(ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:((BGH, Beschluss vom 8Februar 2024 - I ZR 34/23)) 
 + 
 +1. Handelt es sich bei den Bewohnern eines kommerziell betriebenen Seniorenwohnheims, die in ihren Zimmern über Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk verfügen, an die der Betreiber des Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz 
 +weitersendet, um eine "unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten" im Sinne der Definition der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG? 
  
-Die Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sieht vor, +2. Hat die bisher vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendete Definition, wonach die Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfordert, dass "die Wiedergabe des geschützten Werks unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum erfolgt, das heißt für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe seines Werks erlaubte"weiterhin allgemeine Gültigkeitoder hat das verwendete technische Verfahren nur noch in Fällen Bedeutungin denen eine Weiterübertragung von zunächst terrestrisch, satellitenoder kabelgestützt empfangenen Inhalten in das offene Internet stattfindet?
-dass jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks vom Urheberrechtsinhaber +
-erlaubt werden muss (vgl. EuGHGRUR 20161152 Rn. 43 - GS +
-Media/Sanoma u.a.; GRUR 2017610 Rn. 47 Stichting Brein/Wullems). +
  
 +3. Handelt es sich um ein "neues Publikum" im Sinne der Definition der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, wenn der zu Erwerbszwecken handelnde Betreiber eines Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch
 +sein Kabelnetz an die vorhandenen Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weitersendet? Ist für diese Beurteilung von Bedeutung, ob die Bewohner unabhängig von der Kabelsendung die Möglichkeit haben, die Fernseh- und Rundfunkprogramme in ihren Zimmern terrestrisch zu empfangen? Ist für diese Beurteilung weiter von Bedeutung, ob die Rechtsinhaber bereits für die Zustimmung zur ursprünglichen Sendung eine Vergütung erhalten?
  
  
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