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upc:zustaendigkeit_der_lokalkammern_und_regionalkammern

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Zuständigkeit der Lokalkammern und Regionalkammern

Artikel 33 (1) des Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht bestimmt, bei welchen Kammern Klagen gemäß Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben a, c, f und g erhoben werden müssen.

Artikel 33 (1)

Unbeschadet des Absatzes 7 sind die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben a, c, f und g genannten Klagen zu erheben bei

a) der Lokalkammer in dem Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet die tatsächliche oder drohende Verletzung erfolgt ist oder möglicherweise erfolgen wird, oder bei der Regionalkammer, an der dieser Vertragsmitgliedstaat beteiligt ist, oder

b) der Lokalkammer in dem Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet der Beklagte oder, bei mehreren Beklagten, einer der Beklagten seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung oder — in Ermangelung derselben — seinen Geschäftssitz hat, oder bei der Regionalkammer, an der dieser Vertragsmitgliedstaat beteiligt ist. Eine Klage gegen mehrere Beklagte ist nur dann zulässig, wenn zwischen diesen eine Geschäftsbeziehung besteht und die Klage denselben Verletzungsvorwurf betrifft.

Die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe h genannten Klagen sind gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe b bei der Lokal- oder Regionalkammer zu erheben.

Klagen gegen Beklagte, die ihren Wohnsitz oder den Sitz ihrer Hauptniederlassung oder — in Ermangelung derselben — ihren Geschäftssitz nicht im Gebiet der Vertragsmitgliedstaaten haben, sind gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe a bei der Lokal- oder Regionalkammer zu erheben oder bei der Zentralkammer.

Ist im betreffenden Vertragsmitgliedstaat keine Lokalkammer errichtet worden und ist dieser Vertragsmitgliedstaat nicht an einer Regionalkammer beteiligt, so sind die Klagen bei der Zentralkammer zu erheben.

Bei der Anfechtung der Zuständigkeit der Lokalkammer, bei der die Klage gemäß Art. 33(1)(a) UPCA (Ort der tatsächlichen oder drohenden Verletzung) erhoben wurde, muss die beklagte Partei Argumente gegen die territoriale Verbindung zum UPC-Vertragsmitgliedstaat vorbringen, in dem sich diese lokale/regionale Kammer befindet. Das Argument der beklagten Partei, dass diese Kammer keine Zuständigkeit habe, weil keine Verletzungshandlungen begangen wurden, ist für die Frage der territorialen Zuständigkeit unerheblich, da es eine Verteidigung in der Sache darstellt.1)

Art. 33(1)(a) UPCA begründet eine objektive Verbindung, die sich auf den Ort der Verletzung bezieht und nicht auf die Eigenschaft der beklagten Partei – ob Verletzer oder Vermittler. In diesem Zusammenhang ist Art. 33(1)(a) UPCA auch auf Vermittler gemäß Art. 62 UPCA anwendbar. Daher gilt diese Vorschrift unabhängig davon, ob die beklagte Partei als Verletzer oder Vermittler handelt. Es gibt keine rechtliche Grundlage für eine unterschiedliche Betrachtung von Verletzern und Vermittlern im Hinblick auf die Zuständigkeit.2)

Im Rahmen des Art. 33.1 b) EPGÜ ist danach zu fragen, ob derselbe Verletzungsvorwurf betroffen ist. Hierzu ist das Klagebegehren auszulegen. Das Klagebegehren geht vorliegend dahin, dass das Gericht den Beklagten ganz allgemein die weitere Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents verbieten möge. Mithin betreffen sämtliche konkret benannten Produkte oder Sets denselben Verletzungsvorwurf im Sinne des Art. 33.1 b) EPGÜ.3)

Art. 33(1) EPGÜ folgt nicht derselben Struktur (oder „Zweck und Schema“) wie sie in der Brüssel-I-Recast-Verordnung zu finden ist im Sinne einer allgemeinen Regel und einer Ausnahme zu dieser Regel. Art. 33(1) EPGÜ bezieht sich auf alternative Zuständigkeiten unter (a) und (b), ohne eine davon als allgemeine Regel (oder Prinzip) und die andere als spezielle Regel (oder Ausnahme) darzustellen. Die Rechtsprechung des EuGH bezüglich der (internationalen) Zuständigkeit eines Gerichts eines EU-Mitgliedstaats und insbesondere seine Auslegung von Art. 7(2) der Brüssel-I-Recast-Verordnung (als Abweichung (oder Ausnahme) von der allgemeinen Regel (festgelegt in Art. 4(1) der Brüssel-I-Recast-Verordnung) und daher restriktiv auszulegen), ist nicht eins zu eins anwendbar in Bezug auf die (territoriale) Zuständigkeit einer Kammer des EPG bei Anwendung von Art. 33(1) EPGÜ.4)

Entscheidet sich die Lokalkammer in einem auf das Eilverfahren folgenden Hauptsacheverfahren dafür, auch über eine (potentielle) Nichtigkeitswiderklage zu befinden, ist die Richterbank zwingend um einen technisch qualifizierten Richter zu ergänzen (Art. 33(1) (a) EPGÜ).5)

Art. 33(1)(b) EPGÜ

Art. 33(1)(b) EPGÜ erlaubt es, mehrere Beklagte am Wohnsitz, Hauptgeschäftssitz oder, falls dies nicht möglich ist, am Geschäftsstandort eines der Beklagten zu verklagen, vorausgesetzt, dass die Beklagten eine Handelsbeziehung haben und die Klage dieselbe angebliche Verletzung betrifft. Im Kontext eines europäischen Patents ohne einheitliche Wirkung bezeichnet der Ausdruck „dieselbe Verletzung“ Situationen, in denen mehreren Beklagten vorgeworfen wird, die relevanten nationalen Benennungen desselben europäischen Patents durch dasselbe Produkt oder Verfahren verletzt zu haben. Eine andere Auslegung würde den Zweck des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht untergraben, die fragmentierte Patentstreitlandschaft in Europa zu überwinden (Präambel 2 der EPGÜ).6)

Art. 33 Abs. 1 (b) S. 2 EPGÜ bezieht sich nicht auf Art. 33 Abs. 1 (a) EPGÜ. Weder ermöglicht die Regelung eine Klage gegen mehrere Beklagte, von denen nur einer eine Patentverletzung im Vertragsmitgliedsstaat der angerufenen Kammer begangen hat, noch knüpft sie eine einheitliche Klage gegen mehrere Beklagte, die allesamt Verletzungshandlungen in dem betroffenen Vertragsmitgliedsstaat begangen haben oder dort ihren Sitz haben, an besondere Voraussetzungen. Art. 33 Abs. 1 (b) S. 2 EPGÜ stellt unter den dort verlangten Voraussetzungen eine Erweiterung der Zuständigkeitsregeln dar auf Klagen gegen Personen, die in dem betroffenen Vertragsmitgliedsstaat weder eine Patentverletzung begangen haben noch einen Sitz haben.7)

Im Fall von mehreren Beklagten, wenn einer der Beklagten seinen Wohnsitz im Gebiet der angerufenen Lokalkammer hat, muss Artikel 33(1)(b) EPGÜ angewendet werden, unabhängig davon, ob die anderen Beklagten innerhalb oder außerhalb der Vertragsmitgliedstaaten oder innerhalb oder außerhalb der EU ansässig sind. Die einzigen Anforderungen, die erfüllt werden müssen, sind: 1) Die mehreren Beklagten haben eine geschäftliche Beziehung, 2) die Klage bezieht sich auf dieselbe angebliche Verletzung.8)

Die Anforderung einer „geschäftlichen Beziehung“ impliziert eine „bestimmte Qualität und Intensität“. Allerdings sollte zur Vermeidung mehrerer Klagen und des Risikos unvereinbarer Entscheidungen aus getrennten Verfahren sowie zur Einhaltung des Hauptprinzips der Effizienz im Rahmen des EPG die Interpretation der Verbindung zwischen den Beklagten nicht zu eng gefasst werden. Die Tatsache, derselben Gruppe (rechtliche Einheiten) anzugehören und verwandte kommerzielle Aktivitäten mit demselben Zweck zu haben (z.B. Forschung & Entwicklung, Herstellung, Verkauf und Vertrieb derselben Produkte) ist ausreichend, um als „geschäftliche Beziehung“ im Sinne des Artikels 33(1)(b) EPGÜ betrachtet zu werden.9)

Zuständigkeit bei mehreren konzernverbundenen Beklagten mit Sitz außerhalb der EU

Art. 33(1)(b) EPGÜ findet auch dann Anwendung, wenn sich unter den mehreren Beklagten Parteien befinden, die außerhalb der Vertragsmitgliedstaaten oder außerhalb der EU ansässig sind, solange mindestens einer der Beklagten seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsmitgliedstaates hat. Maßgeblich ist allein, dass zwischen den Beklagten eine geschäftliche Beziehung besteht und die Klage denselben Verletzungsvorwurf betrifft. Eine solche geschäftliche Beziehung ist nicht eng auszulegen. Vielmehr genügt es, dass die Parteien zur selben Unternehmensgruppe gehören und im Rahmen zusammenhängender wirtschaftlicher Aktivitäten wie Forschung, Entwicklung, Herstellung oder Vertrieb desselben Produkts handeln. Eine enge vertragliche Bindung ist nicht erforderlich.10)

Diese Auslegung dient der Vermeidung voneinander abweichender Entscheidungen in parallelen Verfahren und steht im Einklang mit dem Effizienzziel des EPGÜ (vgl. Präambel 2). Sie bestätigt zugleich, dass das Einheitspatentgericht ein gemeinsames Gericht im Sinne von Art. 71a(1) Brüssel-Ia-Verordnung ist. Die internationale Zuständigkeit des EPG ergibt sich daher aus Art. 71b(1) Brüssel-Ia-Verordnung, wenn nach Art. 7(2) der Brüssel-Ia-Verordnung die Gerichte eines Vertragsmitgliedstaates zuständig wären, etwa weil das schädigende Ereignis im Inland eingetreten ist oder einzutreten droht.11)

Nach Regel 8.5(c) EPGVO besteht eine widerlegbare Vermutung , dass die im nationalen Register oder im Register des EPA als Inhaber genannte Person tatsächlich Inhaber des Patents ist.12)

Das Erfordernis einer Geschäftsbeziehung impliziert eine gewisse Qualität und Intensität. Um jedoch Mehrfachklagen wegen derselben Rechtsverletzung und das Risiko unvereinbarer Entscheidungen aus solchen getrennten Verfahren zu vermeiden und dem Grundsatz der Effizienz innerhalb des EPG zu entsprechen, darf der Zusammenhang zwischen den Beklagten im Sinne einer Geschäftsbeziehung nicht zu eng verstanden werden. Insofern genügt es, wenn die Beklagten demselben Konzernverbund oder derselben Gruppe von juristischen Personen angehören und miteinander verbundene gewerbliche Tätigkeiten mit demselben Zweck ausüben wie Forschung und Entwicklung, Herstellung, Verkauf und Vertrieb derselben Produkte.13)

Ob Ansprüche ausreichend dargelegt, begründet und gegebenenfalls bewiesen sind, hat das Gericht erster Instanz grundsätzlich im Hauptverfahren nach umfassender Prüfung aller (weiteren) Schriftsätze und Beweise zu entscheiden.14)

Nicht erforderlich ist, dass die Tatbeiträge der einzelnen Beklagten identisch sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich diese unterscheiden, etwa wenn es sich um eine Lieferkette mit einem Hersteller, Händlern und Abnehmern handelt. Auch dann liegt – wie hier – derselbe Verletzungsvorwurf vor.15)

Für die Anforderungen des Art. 33 Abs. 1 (b) S. 2 EPGÜ genügen jegliche geschäftliche Beziehungen. Nur wo diese auf ein bloßes gesellschaftsrechtliches Verhältnis reduziert sind, bedarf es einer gewissen Qualität und Intensität, welche das Erfordernis der verbundenen gewerblichen Tätigkeit mit derselben Zweckrichtung zum Ausdruck bringt. Insofern kommt es für Art. 33 Abs. 1 (b) S. 2 EPGÜ auch nicht darauf an, dass die Beklagte zu 5) die Geschäftsbeziehung zu genau der im Vertragsmitgliedsstaat ansässigen Beklagten, hier der Beklagten zu 3), unterhält. Vielmehr genügt auch eine mittelbare Geschäftsbeziehung wie etwa zu anderen Gesellschaften des Motorola-Konzerns, dem die Beklagte 3) ebenfalls angehört und mit denen sie Geschäftsbeziehungen unterhält.16)

Art. 33 Abs. 1 (b) S. 2 EPGÜ stellt insofern nicht auf die Verletzung, sondern auf den Verletzungsvorwurf ab. Es genügt daher auch hier die schlüssige Behauptung einer patentverletzenden Handlung, um denselben Verletzungsvorwurf im Sinne von Art. 33 Abs. 1 (b) S. 2 EPGÜ zu begründen, … Ob die geltend gemachten Ansprüche ausreichend dargelegt, begründet und gegebenenfalls bewiesen sind, ist der Prüfung und Entscheidung im Hauptverfahren vorbehalten.17)

Formales

Der Anwendung einer Zuständigkeitsregelung (hier: Art. 33 Abs. 1 (a) EPGÜ) steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der Klageschrift ihre Begründung für die Zuständigkeit der Lokalkammer nicht explizit auf diese Regelung gestützt, sondern lediglich eine andere Vorschrift (hier: Art. 33 Abs. 1 (b) EPGÜ) erwähnt hat. Insofern gilt für die Erwiderung auf den Einspruch nichts anderes als auch für die Replik auf eine Klageerwiderung im Verletzungsverfahren. Die Klägerin kann sich ergänzend auf die weitere Regelung stützen.18)

siehe auch

Artikel 33 → Zuständigkeit der Kammern des Gerichts erster Instanz
Regelt die Zuständigkeit der Kammern des Gerichts erster Instanz, einschließlich der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Lokalkammern, Regionalkammern und der Zentralkammer.

1) , 2)
EPG, Lokalkammer Lissabon, Beschl. v. 15. Oktober 2024 – UPC_CFI_317/2024
3)
EPG, Lokalkammer München, Anord. v. 29. September 2023 – UPC_CFI_15/2023
4)
EPG, Lokalkammer Brüssel, Beschl. v. 21. März 2025 – UPC_CFI_582/2024
5)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 25. Januar 2024 – UPC_CFI_452/2024
6)
EPG, Lokalkammer München, Urt. v. 4. April 2025 – UPC_CFI_501/2023
7) , 15) , 16) , 17)
EPG, Lokalkammer München, Anordnung v. 20. Juni 2025 – UPC_CFI_149/2024, ORD_69211/2024
8) , 9)
EPG, Lokalkammer Paris, Beschl. v. 11. April 2024 – UPC_CFI_495/2023
10) , 11) , 12)
EPG, Lokalkammer Den Haag, Beschl. v. 23. Mai 2025 – UPC_CFI_191/2025 und UPC_CFI_192/2025
13)
EPG, Lokalkammer München, Anordnung v. 20. Juni 2025 – UPC_CFI_149/2024, ORD_69211/2024; m.V.a. Lokalkammer Paris, Anordnung v. 11.04.2024, UPC_CFI_495/2023, ACT_596432/2023 – ARM/ICPillar; Lokalkammer Düsseldorf, Anordnung v. 06.09.2024, UPC_CFI_165/2024, ACT_18492/2024 – Novartis/Celltrion; vgl. auch Lokalkammer München, Anordnung v. 29.09.2023, UPC_CFI_15/2023, ORD_576853/2023 – Edwards/Meril
14)
EPG, Lokalkammer München, Anordnung v. 20. Juni 2025 – UPC_CFI_149/2024, ORD_69211/2024; m.V.a. Berufungsgericht, Anordnung vom 18.09.2024, UPC_CoA_265/2024, APL_30169/2024 – NST/VW
18)
EPG, Lokalkammer München, Anordnung v. 20. Juni 2025 – UPC_CFI_149/2024, ORD_69211/2024; Fortführung von Berufungsgericht, Anordnung v. 18.09.2024, UPC_CoA_265/2024, APL_30169/2024 – NST/VW; Anordnung v. 21.11.2024, UPC_CoA_456/2024, APL_44633/2024 – OrthoApnea
upc/zustaendigkeit_der_lokalkammern_und_regionalkammern.txt · Zuletzt geändert: 2025/06/23 08:04 von mfreund