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upc:sicherheitsleistung_fuer_kosten_des_beklagten

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Sicherheitsleistung für Kosten des Beklagten

Artikel 69 (4) des Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht erlaubt dem Gericht, auf Antrag des Beklagten, die Leistung von Sicherheiten für die Kosten des Beklagten anzuordnen.

Artikel 69 (4) EPGÜ Auf Antrag des Beklagten kann das Gericht anordnen, dass der Antragsteller für die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten des Beklagten, die der Antragsteller möglicherweise tragen muss, angemessene Sicherheiten zu leisten hat, insbesondere in den in den Artikeln 59 bis 62 genannten Fällen.

Art. 69.4 EPGÜ sieht vor, dass das Gericht auf Antrag des Beklagten den Antragsteller anweisen kann, eine angemessene Sicherheit für die Prozesskosten und anderen dem Beklagten entstandenen Auslagen zu leisten, für die der Antragsteller haftbar sein könnte, insbesondere in den in Art. 59 bis 62 EPGÜ genannten Fällen. Regel 158.1 EPGVO [→ Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei] überträgt diese Bestimmung auf die Verfahrensordnung. Sie besagt, dass das Gericht, jederzeit während des Verfahrens, auf begründeten Antrag einer Partei anordnen kann, dass die andere Partei innerhalb einer festgelegten Frist eine angemessene Sicherheit für die entstanden und/oder entstehenden Prozesskosten und anderen Auslagen leistet, für die die andere Partei haftbar sein könnte.1)

Gemäß Artikel 69 (4) EPGÜ und Regel 158.1 EPGVO [→ Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei] kann das Gericht auf begründeten Antrag einer Partei anordnen, dass der Kläger oder die andere Partei innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine angemessene Sicherheit für die von der antragstellenden Partei getragenen und/oder noch zu tragenden Verfahrenskosten und sonstigen Ausgaben leistet. Entscheidet das Gericht, eine solche Sicherheit anzuordnen, ist zu entscheiden, ob die Sicherheit durch Einzahlung oder Bankgarantie zu leisten ist.2)

Die Befugnis zur Anordnung der Stellung einer angemessenen Sicherheit für Prozesskosten beruht auf Artikel 69(4) EPGÜ.3)

Zweck und Voraussetzungen

Das Gericht muss bei der Ermessensausübung nach Art. 69(4) EPGÜ und Regel 158 EPGVO [→ Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei] feststellen, ob die finanzielle Situation des Klägers zu berechtigten und tatsächlichen Bedenken Anlass gibt, dass ein möglicher Kostenbeschluss nicht durchsetzbar sein könnte.4)

Sicherheitsleistungen für Verfahrenskosten können nur bei hinreichendem Nachweis eines Insolvenzrisikos angeordnet werden. Die Beweislast liegt bei der Partei, die die Sicherheitsleistung fordert.5)

Das Gericht hat das Ermessen, eine Sicherheit für Prozesskosten und andere Auslagen anzuordnen. Entsprechend der Rechtsprechung des EPG6), muss das Gericht bei der Ausübung seines Ermessens gemäß Art. 69(4) EPGÜ und Regel 158 EPGVO auf Grundlage der von den Parteien vorgebrachten Tatsachen und Argumente prüfen, ob die finanzielle Situation des Klägers begründete und tatsächliche Besorgnis hervorruft, dass eine mögliche Kostenentscheidung möglicherweise nicht eingetrieben werden kann und/oder die Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine mögliche Kostenentscheidung des EPG unverhältnismäßig schwierig vollstreckbar ist.7)

Das Gericht stellte fest, dass allein die Tatsache, dass ein Kläger in einem Drittstaat ansässig ist, keine Sicherheitsleistung rechtfertigt, da dies eine nicht zulässige Diskriminierung darstellen würde.8)

Art. 69(4) EPGÜ dient allein dem Schutz des Beklagten vor einer Klage, die aus einer wirtschaftlich unsicheren Quelle stammt. Eine Übertragung dieses Schutzes auf Kläger im Kontext einer Widerklage würde den Beklagten in seiner Verteidigungsfähigkeit unverhältnismäßig einschränken.9)

Der Zweck (ratio) von Art. 69(4) EPGÜ ist es, den Beklagten vor einem insolventen Kläger zu schützen, der ein Verfahren einleitet, ohne ausreichend Mittel zur Kompensation des Beklagten für die durch die klägerische Initiative verursachten Verfahrenskosten zu besitzen. Diese Erwägung greift jedoch nicht bei einer Widerklage auf Nichtigerklärung, da diese lediglich unmittelbare Folge der zuvor vom Kläger erhobenen Verletzungsklage ist.10)

Parteibezogene Anwendbarkeit

Artikel 69(4) EPGÜ sieht keine Verpflichtung des Beklagten vor, eine Sicherheit zu leisten.11)

Ein Klageführer einer Verletzungsklage kann nicht vom Beklagten verlangen, für die Hauptsacheprozesskosten eine Sicherheit zu leisten. Obwohl der Wortlaut der Regel 158 der EPGVO in dieser Hinsicht offen ist, ist die Bestimmung des EPGÜ, auf der die Regel basiert, dies nicht. Artikel 69(4) EPGÜ sieht keine Verpflichtung des Beklagten vor, eine Sicherheit zu leisten.12)

Artikel 69(4) EPGÜ legt nur Mindestanforderungen an die Umstände fest, unter denen dieses Rechtsmittel verfügbar sein muss.13)

Der Klageführer kann jedoch verlangen, dass der Beklagte eine Sicherheit für die Kosten leistet, soweit es die Widerklage auf Nichtigerklärung betrifft. In letzterer handelt der Beklagte als Widerkläger und fällt somit in den Anwendungsbereich von Art. 69(4) EPGÜ.14)

Ein Kläger kann einen Beklagten auffordern, eine Sicherheit für die Kosten zu leisten, soweit es sich um die Widerklage auf Widerruf handelt, da ein Beklagter, der als Widerkläger auftritt, in den Anwendungsbereich von Art. 69(4) EPGÜ fällt.15)

Wer eine Widerklage auf Nichtigerklärung erhebt (Art. 32 (1) e) EPGÜ), ist ein „Antragsteller“ gemäß Art. 69 (4) EPGÜ.16)

Art. 69(4) EPGÜ enthält eine bewusste Beschränkung der Möglichkeit, einen Antrag auf Sicherheitsleistung zu stellen, auf den Beklagten. Anders als die vorangehenden Absätze 1 bis 3 von Art. 69 EPGÜ, die auf die (un)erfolgreiche Partei abstellen, ohne Kläger oder Beklagten zu differenzieren, bezieht sich Absatz 4 explizit nur auf den Beklagten. Diese Spezifizität ist als absichtliche Einschränkung zu werten.17)

Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck (ratio) von Art. 69(4) EPGÜ: dem Schutz des Beklagten gegen einen insolventen Kläger, der ein Verfahren einleitet, ohne über ausreichende Mittel zu verfügen, um dem Beklagten die durch die klägerische Prozessinitiative entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten.18)

Auch wenn Regel 158 EPGVO einen weiteren Wortlaut verwendet, kann sie das EPGÜ nicht modifizieren. Im Fall eines Konflikts zwischen EPGVO und EPGÜ hat das EPGÜ Vorrang. Wie festgestellt wurde, schränkt Art. 69(4) EPGÜ die Möglichkeit zur Beantragung einer Sicherheitsleistung bewusst auf den Beklagten ein. Regel 158 EPGVO steht insoweit in Widerspruch zu dieser bewussten Einschränkung.19)

Eine Rechtsgrundlage für die Möglichkeit einer Sicherheitsanordnung auf Antrag des Klägers kann sich auch nicht aus der Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) ergeben. Keine ihrer Bestimmungen statuiert ein Recht, eine Sicherheitsleistung für Prozesskosten einzufordern – erst recht nicht auf Initiative des Klägers. Die einschlägigen Regelungen (Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 6) begründen eine Pflicht des Klägers, Sicherheit zu leisten, um im Fall einstweiliger Maßnahmen Schäden des Beklagten abzudecken, was den Grundsatz von Art. 69(4) EPGÜ eher unterstreicht als entkräftet.20)

Art. 14 der Durchsetzungsrichtlinie kann ebenfalls keine Rechtsgrundlage bieten. Er sieht lediglich vor, dass die gerichtlichen Kosten und sonstigen Aufwendungen der obsiegenden Partei grundsätzlich von der unterliegenden Partei zu tragen sind, begründet jedoch kein Recht auf Sicherheitsleistung für solche Kosten. Ein solches Recht – zugunsten des Klägers – ist in der Durchsetzungsrichtlinie nicht angelegt, die vielmehr Sicherheitsleistungen ausschließlich als Schutz des Beklagten gegen klägerische Maßnahmen vorsieht.21)

Rechtsprechung

Eine Anordnung zur Sicherheitsleistung ist gemäß Art. 69.4 EPGÜ insbesondere in den in den Artikeln 59 bis 62 der EPGÜ genannten Fällen relevant, aber nicht auf diese Fälle beschränkt; dies folgt aus dem Ausdruck „insbesondere“ in Artikel 69.4 EPGÜ.22)

Aus dem Wortlaut von Artikel 69(4) folgt, dass die Anordnung an den Beklagten, auf Antrag des Klägers eine Sicherheit für Prozesskosten zu stellen, nicht ausgeschlossen ist. Artikel 69(4) EPGÜ stellt eine Mindestnorm dar für die Umstände, unter denen diese Abhilfe verfügbar sein muss (siehe den Wortlaut ‚insbesondere‘ in Art. 69(4) EPGÜ).23)

Die Beweislast für die Erforderlichkeit einer Sicherheitsanordnung liegt grundsätzlich beim Beklagten, der den Antrag stellt. Sobald jedoch nachvollziehbare Gründe dargelegt sind, obliegt es dem Kläger, diese substantiiert zu widerlegen, da ihm regelmäßig die Informationen zu seiner finanziellen Situation vorliegen.24)

Im Falle eines Widerspruchs zwischen dem EPGÜ und der EPGVO ist das EPGÜ maßgeblich. Regel 158 EPGVO, obwohl weit gefasst, kann die bewusst eng gefasste Regelung des Art. 69(4) EPGÜ nicht erweitern.25)

Vollstreckbarkeit und grenzüberschreitende Aspekte

Der Anwendungsbereich von Art. 69(4) EPGÜ und Regel 158.1 EPGVO ist nicht auf die Abwehr von Vollstreckungsrisiken beschränkt. Im Gegenteil, da das EPG als Gericht eines Mitgliedstaats für die Zwecke der Brüssel-I-Verordnung gilt und seine Entscheidungen und Anordnungen gemäß Art. 82 EPGÜ direkt in den Mitgliedstaaten vollstreckbar sind, sind Vollstreckungsrisiken kein relevantes Parameter, wenn es um einen Klageführer geht, der innerhalb der EU ansässig ist.26)

Das Berufungsgericht des EPG (CoA) hat in seiner Entscheidung vom 29. November 2024 (UPC_CoA_548/2024, APL_52969/2024) entschieden, dass es bei der Entscheidung über einen Antrag auf Sicherheitsleistung für Kosten nicht erforderlich ist, dass nachgewiesen wird, dass die Vollstreckung unmöglich ist. Es genügt, dass der Beklagte darlegt, dass die Vollstreckung eines Kostenbeschlusses unzumutbar belastend ist. Die Verpflichtung, dies nachzuweisen, liegt beim Antragsteller einer Anordnung zur Sicherheitsleistung für Kosten. Zu diesem Zweck muss der Antragsteller nicht nur Beweismaterial zu dem ausländischen Recht vorlegen, das in dem Gebiet anzuwenden ist, in dem die Anordnung vollstreckt werden soll, sondern auch zu dessen Anwendung.27)

Die bloße Behauptung fehlender Vollstreckungserfahrungen in Drittstaaten wie der Volksrepublik China genügt nicht. Es sind konkrete Anhaltspunkte und Beweismittel für die tatsächliche Undurchsetzbarkeit erforderlich.28)

Verfahrensfragen

Das Gericht muss bei der Ermessensausübung nach Art. 69(4) EPGÜ und Regel 158 EPGVO [→ Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei] feststellen, ob die finanzielle Situation des Klägers zu berechtigten und tatsächlichen Bedenken Anlass gibt, dass ein möglicher Kostenbeschluss nicht durchsetzbar sein könnte.29)

Die Zulassung der Berufung kann erforderlich sein, wenn die Anforderungen und Reichweite von Anträgen auf Sicherheitsleistung unter den Verfahrensregeln noch nicht einheitlich entschieden sind.30)

Die Androhung eines Versäumnisurteils bei Nichterbringung einer Sicherheitsleistung trifft nur den Beklagten, nicht aber den Kläger. Daraus ergibt sich ein strukturelles Ungleichgewicht, das durch eine erweiterte Auslegung von Regel 158 EPGVO verstärkt würde.31)

siehe auch

Artikel 69 → Kosten des Rechtsstreits \ Regelt die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten zwischen den Parteien.

Regel 158 → Sicherheitsleistung für die Kosten einer Partei \ Erlaubt dem Gericht, auf Antrag einer Partei die andere Partei zur Leistung einer angemessenen Sicherheit für die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten zu verpflichten.

1) , 11) , 12) , 13) , 14) , 15) , 26)
EPG, Lokalkammer Hamburg, Beschl. v. 30. Mai 2025 – UPC_CFI_525/2024
2)
Lokalkammer München, ORD_59602/2024, UPC_CFI_437/2024, 26. November 2024
3) , 23)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 3. Dezember 2024 – UPC_CFI_140/2024
4) , 29)
EPG, Lokalkammer München, Entscheidung vom 2. Oktober 2024, UPC_CFI_54/2024
5)
EPG, Lokalkammer Helsinki, Beschl. v. 18. Oktober 2023 – UPC_CFI_185/2023
6)
vgl. CoA, Beschluss vom 17. September 2024 in Fall UPC_CoA_217/2024, Audi./NST
7)
EPG, Lokalkammer Hamburg, Beschl. v. 2. April 2025 – UPC_CFI_429/2024
8) , 24) , 28) , 30)
EPG, Lokalkammer Hamburg, Beschl. v. 9. Mai 2025 – UPC_CFI_429/2024
9) , 10) , 17) , 18) , 19) , 21) , 25) , 31)
EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 20. Juni 2025 – UPC_CoA_393/2025
16)
EPG, Lokalkammer München, Beschl. v. 16. April 2025 – UPC_CFI_628/2024
20)
EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 20. Juni 2025 – UPC_CoA_393/2025; m.V.a. EuGH, 22. April 2022, C-44/21, Phoenix v Harting, Rn. 44, 46, insbesondere 48
22)
EPG, Lokalkammer Den Haag, Beschl. v. 13. Februar 2024 – UPC_CFI_239/2023
27)
EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Beschl. v. 21. Mai 2025 – UPC_CFI_758/2024
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