Welche Partei die obsiegende Partei im Sinne von Art. 69 Abs. EPGÜ [→ Kosten des Rechtsstreits] ist, wenn das Verfahren gemäß Regel 360 VerfO beendet wurde, ist anhand der Besonderheiten des Verfahrens und insbesondere der Anträge der Parteien und dem Grund für die Erledigung des Verfahrens zu bestimmen.1)
Wird das Verfahren aufgrund der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch den Beklagten beendet, ist auch der Inhalt der Erklärung maßgeblich. Verpflichtet sich der Beklagte nach Einleitung des Verfahrens, den Anträgen des Klägers nachzukommen, ist es im Allgemeinen nicht erforderlich, die Zulässigkeit und die Begründetheit des Falles zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu prüfen, um festzustellen, welche Partei die obsiegende Partei ist. Die Erklärung selbst impliziert, dass die Anträge des Klägers erfüllt wurden. Dies bedeutet, dass in der Regel der Kläger als obsiegende Partei anzusehen ist.2)
Eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des Art. 69 Abs. 1 EPGÜ kann gelten, wenn ein Kläger ein Verfahren einleitet, ohne zuvor eine Abmahnung zu versenden, und der Beklagte unmittelbar zu Beginn des Verfahrens eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt. In einer solchen Situation kann es gerechtfertigt sein, dem Beklagten aus Billigkeitsgründen Kosten zuzusprechen, insbesondere weil der Kläger dem Beklagten und dem Gericht unnötige Kosten verursacht hat, indem er ein Verfahren gegen einen Beklagten erhoben hat, der keinen Anlass zur Klage gegeben hat.3)
Ebenso begibt sich der Beklagte einer Nichtigkeitsklage regelmäßig in die Position der unterlegenen Partei, wenn er auf das Patent umfassend verzichtet. Allerdings können dem Kläger gleichwohl die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgesichtspunkten aufzuerlegen sein, wenn die Parteien der Nichtigkeitsklage vorgerichtlich über die Patentfähigkeit korrespondiert hatten, der Kläger mit der Nichtigkeitsklage erstmals neuen Stand der Technik präsentiert und der Beklagte aufgrund dessen auf das Patent verzichtet.4)
Kommt es für die Kostentragungspflicht im Rahmen einer Entscheidung nach Regel 360 EPGVO [→ Erledigung der Hauptsache] darauf an, ob die Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, ist auf die objektive Sicht einer Person in der Position der Klägerin im Zeitpunkt der Klageeinreichung abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen durfte, nicht ohne gerichtliche Hilfe zu ihrem Recht zu kommen.5)
Der maßgebliche Zeitpunkt für die im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmende Beurteilung der Zulässigkeit und Begründetheit eines Antrags auf Erlass einstweiliger Maßnahmen ist der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses.6)
Bei der Prüfung, ob gegebenenfalls ausnahmsweise aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Abweichung von der allgemeinen Regel gerechtfertigt ist, nach der die Partei, die sich freiwillig in die unterlegene Position begeben hat, die Kosten zu tragen hat, ist im Blick zu halten, dass aufgrund der Beendigung des Verfahrens vor Erlass einer Sachentscheidung im Zeitpunkt der Erledigung der Hauptsache grundsätzlich nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang, die Klage erfolgreich gewesen wäre. Für die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache gem. Regel 360 EPGVO kann deshalb nur eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses erfolgen. Bei der Kostenentscheidung handelt es sich um eine Billigkeitsentscheidung. Zweifelfragen bedürfen keiner abschließenden Aufklärung und/oder Entscheidung.7)
Allerdings kann das erledigende Ereignis, das zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags führt, für sich genommen nicht der Grund sein, den Antragsteller, der der Erledigung zugestimmt hat, als unterlegene Partei anzusehen und ihm die Kosten des Verfahrens aufgrund des dann nicht mehr erfolgreichen Antrags aufzuerlegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die dem erledigenden Ereignis vorangehenden Umstände eine abweichende Kostenentscheidung rechtfertigen.8)
Eine Abmahnung ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit oder Begründetheit eines Antrags auf Erlass einstweiliger Maßnahmen. Ihr Fehlen lässt nicht ohne weiteres die Dringlichkeit des Begehrens entfallen. Ihr Fehlen kann aber dazu führen, dass der Antragsteller die Kosten zu tragen hat, wenn der Antragsgegner unmittelbar zu Beginn des Verfahrens eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt.9)
Auch ohne vorherige Abmahnung und trotz unmittelbar abgegebener Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nach Einleitung eines Verfahrens auf Erlass einstweiliger Maßnahmen sind dem Antragsgegner die Kosten aufzuerlegen, wenn eine vorherige Abmahnung entbehrlich war, weil sie von vornherein keinen Erfolg versprach oder infolge der Abmahnung die Gefahr bestanden hätte, dass das geltend gemachte Recht vor einer gerichtlichen Entscheidung endgültig vereitelt worden wäre.10)
Hat der Antragsgegner bereits ein gerichtliches Verfahren auf Erlass einer Anti-Suit Injunction oder Anti-Enforcement Injunction eingeleitet, ist eine Abmahnung durch den Antragsteller vor einem Antrag auf Erlass einer Anti-Anti-Suit Injunction oder Anti-Anti-Enforcement Injunction regelmäßig entbehrlich, weil davon auszugehen ist, dass ihr der Antragsgegner nicht nachkommen wird, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für ein anderes Verhalten sprechen.11)
Artikel 69 EPGÜ → Kosten des Rechtsstreits
Regelt die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten zwischen den Parteien.
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