Hat der Antragsgegner bereits ein gerichtliches Verfahren auf Erlass einer Anti-Suit Injunction oder Anti-Enforcement Injunction eingleitet, ist eine Abmahnung durch den Antragsteller vor einem Antrag auf Erlass einer Anti-Anti-Suit Injunction oder Anti-Anti-Enforcement Injunction regelmäßig entbehrlich, weil davon auszugehen ist, dass ihr der Antragsgegner nicht nachkommen wird, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für ein anderes Verhalten sprechen.1)
In Fällen, in denen bereits ein gerichtliches Verfahren auf Erlass einer ASI oder AEI eingeleitet ist, durch die das Eigentumsrecht des Antragstellers in Form eines Patents und daraus abgeleiteter Ansprüche bedroht ist, und der Antragsteller um den Erlass einer AASI oder AAEI nachsucht, ist eine Abmahnung regelmäßig entbehrlich, weil davon auszugehen ist, dass sie ohnehin keinen Erfolg verspricht. Die vorliegende Fallkonstellation ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsgegner bei einem Gericht den Erlass einer ASI oder AEI beantragt und dadurch die Eigentumsposition des Antragstellers gefährdet. Dieses Vorgehen des Antragsgegners geschieht mit dem eindeutigen Willen und in dem konkreten Bewusstsein, die Rechtsdurchsetzung des Antragstellers zu beschränken, im vorliegenden Fall die Durchsetzung der Patentrechte der Antragstellerin in der Jurisdiktion des Einheitlichen Patentgerichts. Von einem Antragsgegner, der wissentlich und willentlich diesen Schritt gegangen ist und bereits die Gerichte angerufen hat, ist ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte grundsätzlich nicht zu erwarten, dass er auf ein bloßes außergerichtliches Unterlassungsverlangen, mithin auf eine Abmahnung, diesen Schritt unter Übernahme der bis dahin entstandenen Kosten einfach wieder rückgängig macht. Sein Begehren macht gerade deutlich, dass er eine Durchsetzung der Patentrechte des Antragstellers jedenfalls für die Zeit des Parallelverfahrens – hier in den USA – nicht zu dulden bereit ist. Denn die angestrebte ASI bzw. AEI soll gerade dem für die Klärung der Verletzungsfrage hier allein zuständigen Gericht die Prüfungskompetenz entziehen oder sie jedenfalls zeitlich beschränken. Vor allem dann, wenn wie im vorliegenden Fall bereits eine Verletzungsklage vor dem EPG anhängig ist, lässt das auf den Erlass einer ASI oder AEI gerichtete Begehren erkennen, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, sich in diesem Verfahren vor dem zuständigen Verletzungsgericht zu verteidigen. Vor dem Hintergrund kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Antragsgegner einer außergerichtlichen Abmahnung, die der Durchsetzung genau dieser gefährdeten Rechtsposition des Antragstellers dienen soll, Folge leisten wird, um sich der Jurisdiktion eines Verletzungsgerichts zu unterwerfen, die er gerade vermeiden möchte. Die gegenteilige Annahme stände in einem völligen Widerspruch zum bisherigen Verhalten des Antragsgegners, so dass die Erfolglosigkeit einer Abmahnung grundsätzlich zu unterstellen ist. Hat der Antragsgegner daher zur Durchsetzung eines rechtswidrigen Eingriffs in die Rechtsposition des Antragstellers bereits Gerichte in Anspruch genommen, kann nicht angenommen werden, dass der Antragsteller seinerseits zur Abwehr dieser Gefahr ohne gerichtliche Hilfe zum Ziel kommt.2)
Insofern liegt der vorliegende Sachverhalt anders als in Fällen, in denen ein Patent durch Angebot und Vertrieb eines patentverletzenden Produkts widerrechtlich benutzt wird (vgl. etwa CoA, Anordnung v. 04.10.2024, UPC_CoA_2/2024, APL_83/2024 – Edwards/Meril). Diese Fälle sind regelmäßig durch ein gewisses Maß an Unsicherheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht geprägt, die durch eine Abmahnung beseitigt werden kann. Insofern kann es sein, dass dem Patentverletzer nicht bewusst ist, dass die technische Lehre durch ein Patent geschützt ist und von ihm benutzt wird, zumal hinsichtlich der Auslegung eines Patents und die Frage seiner Benutzung regelmäßig unterschiedliche Auffassungen bestehen können. Zudem bewegt sich ein solcher Verletzungsfall auf einer rein tatsächlichen Ebene in der Stufe vor der Anrufung der Gerichte. Eine Abmahnung ist in solchen Fällen geeignet, den Antragsgegner auf die Existenz des Patents hinzuweisen, die Argumente, die für eine Verletzung dieses Patents sprechen, vor Augen zu führen und den Antragsgegner durch ein eindeutiges Unterlassungsverlangen zur Überprüfung und ggfs. zum Einlenken und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu bewegen, bevor der Fall vor die Gerichte gebracht und damit auf eine andere Stufe gehoben wird. Davon unterscheiden sich die Fälle, in denen der Antragsgegner den Erlass einer ASI oder AEI begehrt, regelmäßig durch das wissentliche und willentliche Vorgehen des Antragsgegners und den Umstand, dass bereits gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen wurde.3)
→ Abmahnung
Formelle Aufforderung, ein rechtswidriges Verhalten zu unterlassen, verbunden mit der Androhung rechtlicher Schritte für den Fall der Zuwiderhandlung.
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