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upc:anordnung_der_auskunftserteilung_durch_den_verletzer

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Anordnung der Auskunftserteilung durch den Verletzer

Artikel 67 (1) des Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ermöglicht es dem Gericht, auf Antrag die Erteilung von Auskünften durch den Verletzer anzuordnen.

Artikel 67 (1)

Das Gericht kann auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Antragstellers hin nach Maßgabe der Verfahrensordnung anordnen, dass der Verletzer dem Antragsteller über Folgendes Auskunft erteilt [→ Auskunftsverpflichtung]:

a) Ursprung und Vertriebswege der verletzenden Erzeugnisse oder Verfahren,

b) die erzeugten, hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Mengen und die Preise, die für die verletzenden Erzeugnisse gezahlt wurden und

c) die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von verletzenden Erzeugnissen oder an der Anwendung des verletzenden Verfahrens beteiligten dritten Personen.

Der Antrag nach Art. 67 Abs. 1 EPGÜ, die Erteilung einer Auskunft anzuordnen, muss in der Regel die (ab der Mitteilung nach R. 118.8 Satz 1 EPGVO [→ Vollstreckbarkeit der Anordnungen] oder im Verfahren betreffend die Anordnung einstweiliger Maßnahmen ab der Zustellung einer solchen Anordnung laufende) Frist zur Auskunftserteilung enthalten.

Die Frist ist damit bereits in der Entscheidung oder in der endgültigen Anordnung zu setzen. Erfolgt keine Fristsetzung in der endgültigen Anordnung oder Entscheidung, ist es Sache des Klägers, mit der Mitteilung der Vollstreckungsabsicht nach R. 118.8 EPGVO dem Beklagten auch eine Frist für die Auskunftserteilung zu setzen.1)

Da das Zwangsgeld [Art. 84 (4) EPGÜ → Zwangsgeldzahlungen bei Nichtbeachtung der Anordnung] nicht lediglich Beugefunktion sondern auch Strafcharakter hat, ist eine Verhängung des Zwangsgeldes auch dann gerechtfertigt, wenn der Beklagte inzwischen, aber verspätet, seiner Verpflichtung aus der Anordnung der Auskunftserteilung nachgekommen ist.2)

Die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, die Erfüllung der Verpflichtung aus der Anordnung der Auskunftserteilung sei erfüllt, obliegt dem Beklagten.3)

Nach Art. 67 Abs. 1 b) EPGÜ sind auch Angaben über Preise, die vom Verletzer für die angegriffenen Ausführungsformen bezahlt wurden (Herstellerpreise), geschuldet. Da der zu Unrecht erzielte Gewinn des Verletzers ein Bemessungsfaktor für den Schadensersatzanspruch ist (vgl. Art. 13 Abs. 1a der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2024 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, im Folgenden: Durchsetzungsrichtlinie, und Art. 68 Abs. 3 a) EPGÜ), benötigt der Patentinhaber, um diesen Gewinn berechnen zu können, auch Auskunft über die Herstellerpreise.4)

Wenn behauptet wird, dass eine Partei eine gerichtliche Anordnung nicht befolgt hat, kann gemäß R. 354.4 EPGVO [→ Entscheidung über die Festsetzung von Zwangsgeldern] der erstinstanzliche Spruchkörper auf Antrag der anderen Partei oder von Amts wegen über die Festsetzung der in der gerichtlichen Anordnung vorgesehenen Zwangsgelder entscheiden.5)

Im Falle einer Auskunftsverpflichtung liegt auf der Hand, dass die Auskunft nicht am Tag der Zustellung der Mitteilung über die Vollstreckungsabsicht erteilt werden muss. Es liegt auf der Hand, dass die Auskunftserteilung einige Zeit in Anspruch nimmt. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 67 Abs. 1 EPGÜ) ist dem Auskunftsschuldner daher eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Frist einzuräumen. Für die Bemessung der Frist kommt es insbesondere auf den Umfang der geschuldeten Informationen, den Zeitraum, über den Auskunft zu leisten ist, und die dem Auskunftsschuldner verfügbaren Ressourcen an.6)

Form der Auskunft

Art. 67 Abs. 1 EPGÜ lässt offen, ob die Auskunft in Schriftform oder in elektronischer Form erteilt werden muss. Ergibt sich aus der Anordnung der Auskunftserteilung nicht, in welcher Form die Auskunft zu erteilen ist, steht es dem Beklagten grundsätzlich frei, die Auskunft wahlweise in Papierform oder elektronisch zu erteilen.7)

Ohne explizite gerichtliche Anordnung zur Form steht es dem Beklagten grundsätzlich frei, die Auskunft nach Art. 67 Abs. 1 EPGÜ entweder elektronisch oder in Papierform zu erteilen. Ein Anspruch auf elektronische Auskunft besteht nur, wenn dieser in der Entscheidung ausdrücklich festgelegt wurde.8)

Die Regelungen in Art. 44 EPGÜ und R. 4.1 VerfO über elektronische Kommunikation mit dem Gericht gelten nicht für die Auskunftserteilung an die Gegenpartei nach Art. 67 Abs. 1 EPGÜ.9)

Die Auskunft in Papierform genügt, sofern nicht anders angeordnet. Auch ein möglicher Erschwernisfaktor durch Papierform ist unbeachtlich, wenn keine Schikane nachweisbar ist.10)

Die Anordnung der Auskunft in elektronischer Form, soweit eine materiell-rechtliche Grundlage besteht, ist dem Erkenntnisverfahren vorbehalten.11)

siehe auch

Artikel 67 → Befugnis, die Erteilung einer Auskunft anzuordnen
Regelt die Befugnis des Gerichts, die Erteilung von Auskünften anzuordnen, um die Durchsetzung von Rechten zu unterstützen.

Auskunftsverpflichtung
Pflicht einer Partei (in der Regel des Patentverletzers), dem Patentinhaber bestimmte Informationen zu erteilen, damit dieser z. B. den Umfang der Rechtsverletzung feststellen und etwaige Schadensersatzansprüche beziffern kann.

1) , 2) , 3) , 4) , 5) , 6) , 7) , 9) , 10) , 11)
EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 30. Mai 2025 – UPC_CoA_845/2024
8)
vgl. EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 30. Mai 2025 – UPC_CoA_845/2024
upc/anordnung_der_auskunftserteilung_durch_den_verletzer.txt · Zuletzt geändert: 2025/06/03 09:19 von mfreund