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patentrecht:uebertragung_des_prioritaetsrechts

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Übertragung des Prioritätsrechts

Konkludente Übertragung des Prioritätsrecht

Das Prioritätsrecht ist ein selbständiges, frei übertragbares Recht. Die Übertragung des Prioritätsrechts auf einen Rechtsnachfolger unabhängig von einer Übertragung der prioritätsbegründenden Voranmeldung oder des daraus entstandenen Vollrechts ist ebenso wie bei einer ausländischen Priorität (Unionspriorität) auch zur Inanspruchnahme einer inländischen Priorität zulässig und genügend.1)

Zur rechtswirksamen Inanspruchnahme der Priorität muss die Übertragung des Prioritätsrechts auf den Anmelder als Rechtsnachfolger vor der Prioritätserklärung stattgefunden haben, die nach dem Anmeldetag der Nachanmeldung liegen kann. Da es im Patentrecht keine kleinere Zeiteinheit als einen Tag gibt und der Anmeldetag ab seinem Tagesbeginn gilt, muss das Prioritätsrecht zumindest am Tag vor der Prioritätserklärung übertragen worden sein.2)

Die Angabe des gesetzlichen Vertreters einer prozessunfähigen natürlichen Person ist für Patentanmeldungen nicht vorgeschrieben, so dass der Mangel der Prozessfähigkeit und die Verfahrensvoraussetzung der gesetzlichen Vertretungsmacht nicht ohne Weiteres von Amts wegen berücksichtigt werden können.3)

Die Priorität einer nationalen Anmeldung kann nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ von dem personenverschiedenen Anmelder einer europäischen Nachanmeldung in Anspruch genommen werden, wenn ihm das Recht zur Inanspruchnahme der Priorität rechtzeitig - das heißt vor Einreichung der Nachanmeldung - und wirksam übertragen worden ist.4)

Nach welchem nationalen Recht die Wirksamkeit einer Übertragung des Rechts zur Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung zu beurteilen ist, bestimmt sich nach den Regelungen des internationalen Privatrechts.5)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich die Wirksamkeit einer Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach dem Recht des Staates der Erstanmeldung.6)

Von der nach Art. 33 Abs. 2 EGBGB zu beurteilenden Frage der Übertragbarkeit und insoweit gegebenenfalls geltender Form- und anderer Wirksamkeitserfordernisse ist jedoch die Frage zu unterscheiden, nach welchem Recht sich die Verpflichtungen zwischen altem und neuem Rechtsinhaber richten. Dies ist jedenfalls für die Vereinbarung über die Verpflichtung zur Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität (Verpflichtungsgeschäft) nach Art. 33 Abs. 1 EGBGB das jeweilige Vertragsstatut. Das Vertragsstatut richtet sich aber wiederum regelmäßig nach dem Arbeitsstatut, wenn die Übertragung in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Diensterfindung durch den Arbeitgeber steht.7)

Nach deutschem Recht ist die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität gemäß §§ 413, 398 BGB nicht formbedürftig.8)

Weitergehende Formerfordernisse lassen sich auch aus dem Europäischen Patentübereinkommen nicht ableiten. Art. 87 EPÜ sieht vor, dass das Prioritätsrecht nicht nur von demjenigen in Anspruch genommen werden kann, der eine nationale Patentanmeldung vorschriftsmäßig eingereicht hat, sondern auch durch seinen Rechtsnachfolger. Regelungen über die Form, in der eine Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität zu erfolgen hat, enthält die Bestimmung nicht. Die Auffassung einer Technischen Beschwerdekammer, aus Gründen der Rechtssicherheit seien die in Art. 72 EPÜ aufgestellten Anforderungen an die Form der Übertragung einer europäischen Patentanmeldung auf die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität anzuwenden (EPA, Technische Beschwerdekammer, Beschluss vom 14. November 2006 - T 62/05 Rn. 3.9; krit. Bremi, epi-information, 1/2010, 17 ff., anders noch EPA, Beschwerdekammer, Beschluss vom 21. März 1988 - J 19/87), hält der Senat nicht für zutreffend. Die Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens haben hier - anders als in Art. 72 für den Fall der Übertragung einer europäischen Patentanmeldung - kein Formerfordernis vorgesehen. Diese Entscheidung haben die Gerichte hinzunehmen.9)

Während die Rechtsprechung und das Schrifttum in Deutschland sowie die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes davon ausgehen, dass das Prioritätsrecht als eigenständiges Vermögensrecht auf Inanspruchnahme der Priorität zu qualifizieren ist, das von dem Anmelder der Erstanmeldung auf einen Dritten als Rechtsnachfolger übertragen werden kann10), sieht die englische Rechtsprechung als „successor in title“ ohne weiteres denjenigen an, auf den die Rechte an der Erfindung übertragen worden sind11). Ebenso verhält es sich nach der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts12).13)

Beide Ansichten werden in Fällen, in denen das Recht an der Erfindung nach der Erstanmeldung und vor Einreichung der europäischen Nachanmeldung von dem Erfinder und Anmelder der Erstanmeldung auf den Anmelder der Nachanmeldung durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung übertragen wurde - wie in dem vom High Court entschiedenen Fall KCI Licensing Inc/Smith & Nephew Plc - regelmäßig zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führen, weil die Übertragungsvereinbarung auch bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung nach allgemeinen Grundsätzen zumeist so auszulegen sein wird, dass mit den Rechten an der Erfindung stillschweigend auch das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität übertragen werden soll.14)

Ob auch, wozu der Senat neigt, für die mit dem kausalen Rechtsgeschäft zugleich bewirkte Verfügung über das Recht auf Inanspruchnahme der Priorität (Verfügungsgeschäft) nach Art. 33 Abs. 1 EGBGB an das Vertragsstatut, hier also deutsches Recht, anzuknüpfen ist oder an das Statut, dem das zu übertragende Recht unterliegt, im Streitfall also US-amerikanisches Recht, da die Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Priorität einer USamerikanischen Voranmeldung in Rede steht, kann offen bleiben.15)

Die Frage stellt sich, weil Art. 33 EGBGB nach überwiegender Ansicht so verstanden wird, dass das für die Übertragung der Forderung erforderliche abstrakte Verfügungsgeschäft einheitlich dem Statut der abgetretenen Forderung nach Art. 33 Abs. 2 EGBGB zu unterstellen ist, während nach anderer Auffassung auch für das Verfügungsgeschäft mit Ausnahme der in Art. 33 Abs. 2 EGBGB genannten Aspekte einheitlich an das Statut nach Art. 33 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen ist, dem die Vereinbarung über die Verpflichtung zur Übertragung der Forderung unterliegt, was im Wesentlichen der seit dem 17. Dezember 2009 an die Stelle des Art. 33 EGBGB getretenen Regelung in Art. 14 Rom-I-VO unter Berücksichtigung auch der Erläuterungen in Erwägungsgrund 38 Rom-I-VO entspricht.16)

siehe auch

1) , 2) , 3)
BPatG, Urteil v. 28. Oktober 2010 - 11 W (pat) 14/09
4)
BGH, Urteil vom 16. April 2013 - X ZR 49/12 - Fahrzeugscheibe; m.V.a. EPA, Beschluss vom 14. November 2006 - T 62/05 Rn. 3.6; Benkard/Grabinski, aaO Rn. 3 f.; Bremi in Singer/Stauder, EPÜ, 6. Aufl., Art. 87 Rn. 53
5) , 9)
BGH, Urteil vom 16. April 2013 - X ZR 49/12 - Fahrzeugscheibe
6)
BGH, Urteil vom 4. September 2018 - X ZR 14/17 - Drahtloses Kommunikationsnetz; m.V.a. BGH, Urteil vom 16. April 2013 - X ZR 49/12, GRUR 2013, 712 Rn. 12 - Fahrzeugscheibe mwN
7) , 13) , 15)
BGH, Urteil vom 4. September 2018 - X ZR 14/17 - Drahtloses Kommunikationsnetz
8)
BGH, Urteil vom 16. April 2013 - X ZR 49/12 - Fahrzeugscheibe; m.V.a. Benkard/Grabinski, aaO; Fischer/Gleiter in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG, 4. Aufl., § 40 Rn. 3
10)
BPatG, Urteil vom 13. Januar 1981 - 13 W (pat) 36/78, GRUR Int. 1982, 452, 453; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 2 U 46/12, juris Rn. 44; Benkard/Grabinski, EPÜ, 2. Aufl. (2012), Art. 87 Rn. 3; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl. (2016), § 40 Rn. 10; Keukenschrijver, Mitt. 2001, 233; Schulte/Moufang, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 41 Rn. 27; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. April 2013 - X ZR 49/12, GRUR 2013, 712 Rn. 11 - Fahrzeugscheibe; EPA (TBK), Entscheidung vom 18. Juni 2015 - T 205/14, 3.3; Entscheidung vom 19. Juni 2015 - T 517/14, 2.4
11)
High Court, Kitchin J, [2009] EWHC 1304 (Pat) Rn. 93 - Edwards Lifesciences AG/Cook Biotech Inc; High Court, Arnold J, [2010] EWHC 1487 (Pat) Rn. 58, 70 - KCI Licensing Inc/Smith & Nephew Plc
12)
BGE 42 II 400
14)
BGH, Urteil vom 4. September 2018 - X ZR 14/17 - Drahtloses Kommunikationsnetz; m.V.a. BGH, GRUR 2013, 712 Rn. 14 ff. - Fahrzeugscheibe
16)
BGH, Urteil vom 4. September 2018 - X ZR 14/17 - Drahtloses Kommunikationsnetz; m.V.a. Bamberger/Roth/Spickhoff, 3. Aufl. (2012), Art. 14 Rom-I-VO Rn. 2 ff.; MüKo-BGB/Martiny, 7. Aufl. (2018), Art. 14 Rom-I-VO Rn. 25; Palandt/Thorn, 77. Aufl. (2018), Art. 14 Rom-I-VO Rn. 3; Staudinger/Hausmann, Neubearb. 2016, Art. 11-29 Rom-I-VO Rn. 9 ff.; jeweils mit weiteren Nachweisen
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