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patentrecht:technizitaet

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Technizität

§ 1 (1) PatG

Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

§ 1 (1) PatG → Patentfähigkeit
§ 1 (2) PatG → Biotechnologische Erfindungen
§ 1 (3-4) PatG → Patentierungsausschluss
§ 1 (3) Nr. 3 PatG → Programme für Datenverarbeitungsanlagen
§ 1 (3) Nr. 3 PatG → Geschäftsmethoden

Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln
Technizität einer computerimplementierten Erfindung
Technischer Beitrag
Erfindung
Softwarepatente
Computerimplementierte Erfindungen
Rote Taube

Grundsätzlich werden Patente nur auf technische Erfindungen [→ Erfindung] erteilt, d.h. auf Erfindungen, die ein technisches Problem lösen und damit einen technischen Beitrag zum Stand der Technik liefern.

Nach der Rechtsprechung des Senats und der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts dürfen bei der Prüfung, ob der Gegenstand einer Anmeldung auf erfinderischer Tätigkeit beruht, nur diejenigen Anweisungen berücksichtigt werden, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen.1)

Nicht berücksichtigungsfähig sind deshalb Anweisungen, die ausschließlich Aspekte betreffen, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 PatG von der Patentierung ausgenommen sind, zum Beispiel die Auswahl oder Verarbeitung von Daten.2), wirtschaftliche oder geschäftliche Tätigkeiten3) oder ästhetische Merkmale4).5)

Eine Liste von Gegenständen, die als nicht technisch keine Erfindungen im Sinne des Patentgesetzes darstellen und deswegen von der Patentierung ausgeschlossen sind, ist in § 1 (3) PatG [→ Patentierungsausschluß] gegeben.

Technisches Handeln besteht im Arbeiten mit den Mitteln der Naturkräfte.6)

Gemäß eines vor vielen Jahren unternommenen Versuches des Bundesgerichtshofs (BGH) im Beschluss vom 27. März 1969 in der Sache X ZB 15/67 „Rote Taube“ [→ Rote Taube] eine Definition der Technizität zu finden ist technisch eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs, der ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandestätigkeit die unmittelbare Folge des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte ist.7)

Ein Problem ist nicht technischer Natur, wenn es nicht notwendigerweise den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges erfordert.8)

Der Technikbegriff des Patentrechts ist nicht statisch, das heißt er kann nicht ein für allemal als feststehend verstanden werden. Er ist vielmehr Modifikationen zugänglich, sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepaßter effektiver Patentschutz dies erfordern.9)

Bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung ist zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt (§ 1 Abs. 1 PatG).10)

Im EPÜ wird der Begriff „Erfindung“ ebenso wenig definiert wie in nationalen Gesetzen, doch die vor vielen Jahren im Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. März 1969 in der Sache X ZB 15/67 „Rote Taube“ [→ Rote Taube] enthaltene Definition hat einen Standard gesetzt, der heute noch Gültigkeit besitzt und im Einklang mit dem Erfindungskonzept des EPÜ steht.11)

Die Patentfähigkeit eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob dieser einen technischen Fortschritt mit sich bringt. Zwar ist es auch nach dem Wegfall dieses nach früherem Recht geltenden Schutzerfordernisses nicht Sinn des Patentrechts, Lehren zu schützen, die technisch unsinnig sind12). Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann aber nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet. Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer Weg aufgezeigt wird.13)

Ein Verfahren, dessen Gegenstand die Abarbeitung von Verfahrensschritten mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung ist [→ Computerimplementierte Erfindung], genügt dem Technizitätserfordernis bereits dann, wenn es der Verarbeitung, Speicherung oder Übermittlung von Daten mittels eines technischen Gerätes dient.14)

Wegen des Patentierungsausschlusses für Computerprogramme [§ 1 (3) Nr. 3 PatG → Programme für Datenverarbeitungsanlagen] als solche können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig allerdings erst solche Anweisungen die Patentfähigkeit eines Verfahrens begründen, die die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben.15)

Ob ein konkretes technisches Problem durch eine Erfindung mit technischen Mitteln gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet. Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu entwickeln. Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe fungiert lediglich als Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems.16)

Außerhalb der Technik liegende Anweisungen genügen in diesem Zusammenhang nicht; sie sind nur dann von Bedeutung, wenn sie auf die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln Einfluss nehmen.17)

Ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolg erzielt wird, ist nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich.18)

Entsprechendes gilt für Verfahren zur Wiedergabe von Informationen.19)

Programmmittel für Datenverarbeitungsanlagen, die aus eingegebenen Informationen nach logischen Regeln unter Benutzung von in Datenbanken gespeichertem Expertenwissen Schlüsse ziehen, sog. Systeme mit künstlicher Intelligenz oder Expertensysteme, unterliegen dem Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG.20)

Anweisungen, die zwar die (visuelle) Informationswiedergabe betreffen, bei denen aber nicht die Vermittlung bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in besonderer Aufmachung im Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den Menschen in bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten, dienen der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln.21)

siehe auch

§ 1 (3), (4) PatG → Patentierungsausschluß
Softwarepatente
Technizität (EPÜ)

1)
BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - X ZB 1/15 - Flugzeugzustand; m.V.a. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - X ZR 3/12, GRUR 2013, 275 Rn. 41 - Routenplanung; EPA, Stellungnahme vom 12. Mai 2010 - G 3/08, ABl. 2011, 10 = GRUR Int. 2010, 608 Rn. 10.33 ff. - Computerprogramme
2)
BGH, GRUR 2013, 275 Rn. 42)(, die Wiedergabe von Informationen((BGH, GRUR 2013, 275 Rn. 43; Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 Rn. 39 - Wiedergabe topografischer Informationen
3)
EPA, Entscheidung vom 8. September 2000 - T 931/95 ABl. 2001, 441 = GRUR Int. 2002, 87 Rn. 8 - Steuerung eines Pensionssystems / PBS Partnership
4)
EPA, Entscheidung vom 2. Juni 2006 - T 928/03 Rn. 4.1.2 Video game / Konami
5) , 13)
BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - X ZB 1/15 - Flugzeugzustand
6)
BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - X ZB 1/15 - Flugzeugzust; m.V.a. BGH, Beschluss vom 27. März 1969 - X ZB 15/67, BGHZ 52, 74, 77 ff. = GRUR 1969, 672 - Rote Taube; Beschluss vom 19. Oktober 2004 - X ZB 33/03, GRUR 2005, 141, 142 - Anbieten interaktiver Hilfe
7)
BGH GRUR 1969, 672 - Rote Taube
8)
BGH, Beschluß vom 19. 10. 2004 - X ZB 33/03 - Anbieten interaktiver Hilfe
9)
vgl. BGHZ 52, 74, 76 = GRUR 1969, 672 - Rote Taube
10)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige
11)
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 9. Dezember 2010 G 2/07
12)
BGH, Urteil vom 20. März 2001 - X ZR 177/98, BGHZ 147, 137, 143 f. = GRUR 2001, 730, 732 - Trigonellin
14)
BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom ; m.V.a. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07
15)
BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom; m.V.a. BGHZ 185, 214 Rn. 21 ff. - Dynamische Dokumentengenerierung, zu § 1 Abs. 3, 4 PatG; BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 30 f. - Wiedergabe topografischer Informationen
16)
BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige; m.V.a. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; BGH, GRUR 2005, 141 Rn. 28 - Anbieten interaktiver Hilfe; st. Rspr.
17)
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07; m.V.a. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2004 - X ZB 20/03, BGHZ 159, 197, 204 - Elektronischer Zahlungsverkehr; Be-schluss vom 19. Oktober 2004 - X ZB 34/03, GRUR 2005, 143, 144 - Rentabilitätsermittlung; Beschluss vom 20. Januar 2009 - X ZB 22/07, GRUR 2009, 479 Rn. 11 - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten; BGH, Beschluss v. 22. April 2010 - Xa ZB 20/08, GRUR 2010, 613 Rn. 22 - Dynamische Dokumentengenerierung
18)
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07
19)
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07; m.V.a. BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger
20)
BPatG, Leitsatz, Beschl. v. 17. April 2007 - 17 W (pat) 6/04 - Expertensystem
21)
BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom; Weiterführung von BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen und vom 23. April 2013 - X ZR 27/12, GRUR 2013, 909 - Fahrzeugnavigationssystem
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