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patentrecht:restschadensersatzanspruch

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Restschadensersatzanspruch

§ 141 S. 2 PatG

Hat der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt [§ 139 (2) S. 2 PatG → Herausgabe des Verletzergewinns], findet § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [→ Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung] entsprechende Anwendung.

§ 141 S. 1 PatG → Verjährung
§ 852 BGB → Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung

Mit dem Restschadensersatzanspruch aus § 141 S. 2 PatG, § 852 BGB kann die Herausgabe des durch die Verletzung eines Schutzrechts erlangten Gebrauchsvorteils im Wege der Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr verlangt werden.1)

Gemäß § 141 S. 2 PatG findet § 852 BGB [→ Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung] entsprechende Anwendung, wenn der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt hat. Danach ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer Verletzung des Rechts entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 Satz 1 BGB). Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 852 Satz 2 BGB).2)

Wer durch die Verletzung eines Immaterialgüterrechts Rechts etwas erlangt hat, kann sich im Regelfall auch nicht mit Erfolg nach § 818 Abs. 3 BGB [§ 818 BGB → Ausschluss des Herausgabe- und Wertersatzanspruchs] auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, da das Erlangte - also der Gebrauch des Schutzgegenstands - nicht mehr entfallen kann.3)

Die Vorschrift des § 852 Satz 1 BGB stellt eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bereicherungshaftung nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB müssen daher nicht gegeben sein.4)

Gleichwohl verlangt der Tatbestand des § 141 Satz 2 PatG insofern eine Bereicherung auf Seiten des Verpflichteten, als dieser auf Kosten des Verletzten etwas erlangt haben muss. Der „Restschadensersatzanspruch“ knüpft damit an eine durch die Patentverletzung erfolgte Vermögensverschiebung an und setzt auf Seiten des Verpflichteten einen wirtschaftlichen Vorteil voraus, der sein Vermögen gemehrt hat.5)

Als durch die Verletzungshandlung auf Kosten des Berechtigten erlangt ist aber entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung6) auch ein Gewinn anzusehen, den der Verpflichtete gerade durch die Verletzung des Immaterialgüterrechts oder seine Mitwirkung an dieser Verletzung erzielt7).8)

Die Rechtsnatur des Restschadensersatzanspruchs gebietet, zwischen dem Begriff des „Erlangten“ im Sinne des § 812 Satz 1 Alt. 2 BGB und dem des „Erlangten“ im Sinne des § 141 Satz 2 PatG zu differenzieren.9)

Die Vorschrift des § 141 PatG steht systematisch im Neunten Abschnitt des Patentgesetzes unter „Rechtsverletzungen“. Mit den Wörtern „auf Kosten erlangt“ wird in § 141 Satz 2 PatG auf die Handlung abgestellt, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist, also auf die Patentverletzung. Der auf die Herausgabe des Erlangten beschränkte Anspruch bleibt seiner Natur nach ein Schadensersatzanspruch. Wie der Senat zu dem Anspruch aus § 852 Abs. 3 BGB in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I, S. 3138), die dem heute geltenden § 852 Satz 1 BGB entspricht, entschieden hat, hat die Vorschrift den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung10). Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang nach auf das durch die unerlaubte Handlung Erlangte beschränkt.11)

Die Schadenskompensation durch Herausgabe des Verletzergewinns ist, wie auch die Kompensation durch Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr und im Gegensatz zum Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, gerade nicht auf Ersatz des konkret eingetretenen Schadens gerichtet. Vielmehr zielt die Herausgabe des Verletzergewinns in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre nämlich unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der schuldhaften unbefugten Benutzung des Schutzrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte.12)

Für die Berechnung des dem Rechtsinhaber durch die Verletzung eines Patents entstandenen Schadens auf der Grundlage des vom Verletzer erzielten Gewinns sind grundsätzlich alle Gewinne zu berücksichtigen, die mit der Verletzung des Patents in ursächlichem Zusammenhang stehen 13) [→ Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns ].

Eine vergleichbare Lage besteht bei den in den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB geregelten Ansprüchen nicht. Der ungerechtfertigten Bereicherung nach diesen Bestimmungen haftet nicht der Makel des schuldhaft begangenen Unrechts gegenüber einem geschützten Rechtsgut desjenigen an, dessen Vermögen vermindert worden ist. Deswegen bedarf es bei der Eingriffskondiktion des unmittelbaren Eingriffs in den Zuweisungsgehalt des benutzten Schutzguts, um die Bereicherungshaftung auszulösen. Die mittels einer unerlaubten Handlung bewirkte Vermögensänderung zugunsten des Schädigers kann demgegenüber zwar auch auf einem unmittelbaren Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Ausschließlichkeitsrechts des Schutzinhabers beruhen. Auf die Konstellation einer unmittelbaren Vermögensverschiebung sind die Fallgruppen des Eingriffs durch eine schuldhaft unerlaubte Verletzungshandlung aber nicht beschränkt. Die Vermögensverschiebung muss sich gerade nicht zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen14). Sie kann auch auf andere Weise erfolgen, wenn sie nur im ursächlichen Zusammenhang mit der Patentverletzung steht15).16)

Demgemäß entspricht es dem Sinn und Zweck des Anspruchs nach § 852 Satz 1 BGB, den Schädiger nicht in dem Besitz der Vorteile zu belassen, die er infolge der unerlaubten Handlung und damit zu Lasten des Geschädigten erlangt hat17), und nichts anderes gilt für den Anspruch nach § 141 Satz 2 PatG. Die der Schadenskompensation durch Herausgabe des Verletzergewinns zugrunde liegende Annahme, dass der Rechtsinhaber ohne die Rechtsverletzung durch die Verwertung seines Schutzrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt hätte18), rechtfertigt es, auch im Rahmen des - auf derselben Grundlage beruhenden - Restschadensersatzanspruchs den Gewinn des Verletzers als Gewinn anzusehen, den der Verletzte hätte erzielen können und der mithin durch die Verletzung auf Kosten des Verletzten vom Verletzer erlangt worden ist.19)

Die Verjährung des (unbeschränkten) Schadensersatzanspruchs hat hiernach nur zur Folge, dass der Verletzte seinen Schaden nicht mehr konkret berechnen kann, was in der Praxis ohnehin nur selten geschieht. Gleichwohl liegt hierin eine nicht unwesentliche Einschränkung des Schadensersatzanspruchs, weil der Verletzer nunmehr nur noch herauszugeben hat, was er durch die Verletzung auf Kosten des Verletzten erlangt hat und für einen Schaden nicht mehr einstehen muss, dem kein eigener wirtschaftlicher Vorteil entspricht. Dass der Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die Herausgabe des Erlangten, sei es durch Zahlung einer für die Nutzung des Schutzguts angemessenen Lizenzgebühr oder sei es durch die Herausgabe des mit dem Schutzgut erzielten Gewinns, über die zeitlichen Grenzen der Verjährung hinaus durchsetzbar bleibt, ist gerade Ausdruck des Rechtsgedankens des § 852 Satz 1 BGB, der dem Verletzer nicht die Früchte seines rechtswidrigen Handelns belassen will.20)

Eine Beschränkung des Gegenstands der Herausgabepflicht auf Wertersatz für den Gebrauch des geschützten Gegenstands führte zudem dazu, dass bei mittelbaren Patentverletzungen ein Anspruch nach § 141 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 852 Satz 1 BGB ausgeschlossen wäre.21))

Denn eine mittelbare Patentverletzung verwirklicht gerade nicht den Tatbestand einer Eingriffskondiktion, weil der mittelbare Patentverletzer nicht in den Zuweisungsgehalt des fremden Patentrechts eingreift und damit sein Erwerb nicht auf Kosten des Patentinhabers im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB erfolgt.22)

Der mittelbare Verletzer macht auch selbst von dem immateriellen Schutzgegenstand keinen Gebrauch und erlangt diesen Gebrauch mithin nicht, sondern fördert und ermöglicht nur einen solchen Gebrauch. Nichts anderes gilt für andere Fälle der Verursachung einer Schutzrechtsverletzung durch einen Anstifter oder Gehilfen oder einen Nebentäter, der bei fahrlässiger Tatbegehung nur einen Verursachungsbeitrag zur Schutzrechtsverletzung eines Dritten leistet. Ebenso wie im Fall der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung23) kann in diesen Fällen nur über die Herausgabe des Verletzergewinns verhindert werden, dass entgegen Sinn und Zweck des § 141 PatG dem Verletzer die Früchte seines rechtswidrigen Handelns belassen werden.24)

siehe auch

§ 139 (2) PatG → Schadensersatzanspruch

1)
vgl. dazu im Urheberrecht: BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13 - Motorradteile
2)
siehe hierzu im Urheberrecht: BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13 - Motorradteile
3)
siehe hierzu im Urheberrecht: BGH, Urteil vom 15. Januar 2015 - I ZR 148/13 - Motorradteile; m.V.a. BGH, Urteil vom 2. Juli 1971 - I ZR 58/70, BGHZ 56, 317, 322 - Gasparone II; BGH, GRUR 2012, 715 Rn. 41 - Bochumer Weihnachtsmarkt
4)
BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16 - Spannungsversorgungsvorrichtung; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 98 ff. - Fahrradgepäckträger II
5) , 8) , 9) , 11) , 16) , 19) , 20) , 24)
BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16 - Spannungsversorgungsvorrichtung
6)
Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl. § 14 Rn. 1177; Keukenschrijver in Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 141 Rn. 50; Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Aufl., § 35 VII Rn. 152; Kühnen, Hdb. Patentverletzung, 11. Aufl., Kap. E Rn. 670; Mes, PatG, 4. Aufl., § 141 Rn. 41
7)
LG Düsseldorf, Urteil vom 23. Mai 2000 - 4 O 162/99, Mitt. 2000, 458, 461 - Dämmstoffbahn; Urteil vom 13. Juni 2001 - 4 O 204/00, InstGE 1, 33 Rn. 7 - Mehrfachkontaktanordnung; LG Mannheim, Urteil vom 16. Januar 2004 - 7 O 403/03, juris Rn. 117; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl., § 141 Rn. 9; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 675; Fezer, MarkenR, 5. Aufl., § 14 Rn. 1034; Hülsewig, GRUR 2011, 673, 678; Meier-Beck, GRUR 1993, 1, 5; Nieder, Mitt. 2009, 540; Pross, Festschrift für Tilman Schilling 2007, S. 333, 337 ff.; Rinken in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, 4. Aufl., PatG § 141 Rn. 40; offen gelassen in BGH, GRUR 2015, 780 Rn. 34 - Motorradteile
10)
BGHZ 71, 86, 98 ff. - Fahrradgepäckträger II
12)
BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16 - Spannungsversorgungsvorrichtung; m.V.a. BGH, Urteil vom 16. August 2012 - I ZR 96/09, ZUM 2013, 406 Rn. 27 - Einzelbild; Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 Rn. 76 - Tripp-Trapp-Stuhl; Urteil vom 2. November 2000 - I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 - Gemeinkostenanteil
13)
Bestätigung von BGH, Urteil vom 29. Mai 1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509 - Dia-Rähmchen II
14)
BGHZ 71, 86, 99 - Fahrradgepäckträger II
15)
BGH, Urteil vom 29. Mai 1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 512 - Dia-Rähmchen II
17)
BGHZ 71, 86, 99 - Fahrradgepäckträger II; BGH, Urteil vom 10. Juni 1965 - VII ZR 198/63, NJW 1965, 1914, 1915
18)
vgl. BGHZ 145, 366, 372 - Gemeinkostenanteil
21)
BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16 - Spannungsversorgungsvorrichtung; m.V.a. Hülsewig, GRUR 2011, 673, 677
22)
BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16 - Spannungsversorgungsvorrichtung; m.V.a. BGH, Urteil vom 24. November 1981 - X ZR 7/80, BGHZ 82, 299, 308 - Kunststoffhohlprofil II
23)
BGHZ 71, 86 - Fahrradgepäckträger II
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