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patentrecht:erschoepfung_bei_verfahrenspatenten

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Erschöpfung bei Verfahrenspatenten

Erschöpfung

Derjenige, der vom Inhaber eines Verfahrenspatents eine zur Ausübung des Verfahrens erforderliche Vorrichtung erworben hat, darf diese bestimmungsgemäß benutzen, wenn ausdrückliche entgegenstehende Abreden fehlen.1)

Besonderheiten gelten für Verfahrenspatente. Das Recht an einem patentgeschützten Verfahren wird grundsätzlich nicht dadurch verbraucht, dass die zur Durchführung des Verfahrens erforderliche Vorrichtung mit Zustimmung des Patentinhabers in den Handelsverkehr gelangt2).

Allerdings gehen in Rechtsprechung und Literatur die Ansichten darüber auseinander, ob die Rechte aus einem Sachpatent und einem Verfahrenspatent erschöpft sind, wenn eine patentgeschützte Vorrichtung, das sich zur Ausübung eines ebenfalls patentgeschützten Verfahrens eignet, durch den Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde.3)

Durch das Inverkehrbringen der zur Ausübung eines Verfahrens erforderlichen Vorrichtung wird weder das Verfahren selbst in Verkehr gebracht, noch wird eine unmittelbare Benutzungshandlung in Ausübung des Verfahrenspatents vorgenommen4).5)

Allerdings gehen in Rechtsprechung und Literatur die Ansichten darüber auseinander, ob die Rechte aus einem Sachpatent und einem Verfahrenspatent erschöpft sind, wenn eine patentgeschützte Vorrichtung, das sich zur Ausübung eines ebenfalls patentgeschützten Verfahrens eignet, durch den Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde6).7)

a) Unmittelbares Verfahrenserzeugnis

Bei Verfahrenspatenten umfaßt die Erschöpfung auch das unmittelbare Verfahrenserzeugnis.

b) Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens

(i) nicht patentgeschützte Vorrichtung

Eine Erschöpfung eines Verfahrenspatents durch die Veräußerung einer nicht patentgeschützten Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens tritt jedoch nicht ein.

Siehe dazu auch folgenden Leitsatz aus BGH GRUR 1980, 38 „Fullplastverfahren„ (dazu gibt es übrigens einen Aufsatz von Schricker in Mitt. 1980, 31):

„Durch die Veräußerung einer Vorrichtung, mit deren Hilfe ein durch ein Patent geschütztes Verfahren ausgeübt werden kann, tritt eine Erschöpfung des Verfahrenspatents auch dann nicht ein, wenn der Veräußerer zugleich Inhaber des Verfahrenspatents ist.“

Aus den Gründen dieser Entscheidung:

[…] Diese Ausführungen des BerG stehen mit der Lehre von der Erschöpfung technischer Schutzrechte in Widerspruch. Diese Lehre ist entwickelt worden, um den ungestörten Warenverkehr bei gleichzeitiger Sicherung der Rechte des Schutzrechtsinhabers zu sichern. Sie besagt in ihrem Kern, daß eine Sache, in der sich ein geschützter Erfindungsgedanke verkörpert, den Verbietungsrechten des Schutzrechtsinhabers nicht mehr unterliegt, wenn sie von diesem oder von einem durch ihn hierzu ermächtigten Dritten in den Verkehr gebracht wird. Der Erwerber der Sache bedarf keiner Erlaubnis des Schutzrechtsinhabers mehr, wenn er die Sache benutzt oder weiter veräußert. Ihre Rechtfertigung findet diese Lehre in der Erwägung, daß der Schutzrechtsinhaber, der die unter Verwendung der geschützten Lehre hergestellte Sache in den Verkehr gebracht hat, dabei die Gelegenheit gehabt hat, die Vorteile wahrzunehmen, die ihm das Schutzrecht gewährt. Hinsichtlich eines Sachpatents bedeutet dies, daß die die Lehre des Schutzrechts verkörpernde Sache mit der Veräußerung durch den Schutzrechtsinhaber (oder seinen Lizenznehmer) in dem genannten Sinne „gemeinfrei“ wird, daß also der Erwerber die Sache in beliebiger Weise benutzen darf. Hinsichtlich der nach einem Verfahrenspatent hergestellten Erzeugnisse, auf die sich nach der Vorschrift des § 6 Satz 2 PatG der Patentschutz erstreckt, sind die Rechtsfolgen gleich: Auch das hiernach hergestellte Erzeugnis wird mit der Veräußerung durch den Berechtigten frei und steht nunmehr beliebiger Benutzung offen.[…]

Die Auffassung des BerG, daß durch den Verkauf einer Vorrichtung, mit deren Hilfe patentierte Gegenstände hergestellt werden können oder die dazu dient, ein geschütztes Verfahren auszuüben, die nach dem Verfahren hergestellten, dem Erzeugnispatent entsprechenden künftigen Produkte, die mit Hilfe dieser Vorrichtung hergestellt werden, für den Käufer der Vorrichtung gemeinfrei seien, läßt sich dagegen mit der Lehre von der Erschöpfung des Patentrechts nicht in Einklang bringen. Das BerG hat verkannt, daß ein Verbrauch des Schutzrechts nicht eintritt, wenn der Schutzrechtsinhaber eine Vorrichtung in den Verkehr bringt, die selbst nicht geschützt ist, sondern sich nur zur Ausführung eines geschützten Verfahrens oder zur Herstellung geschützter Gegenstände eignet.

Veräußert der Inhaber eines Verfahrenspatents an einen gewerblichen Abnehmer eine Vorrichtung, die nach dem Vertragszweck zur Ausübung des geschützten Verfahrens bestimmt ist, dann würde es allerdings dem Sinn des Vertrages widersprechen, wenn der Veräußerer nunmehr dem Erwerber der Vorrichtung deren bestimmungsgemäße Benutzung unter Berufung auf sein Verfahrenspatent verbieten könnte. Nach dem Zweck eines solchen Veräußerungsvertrages ist deshalb regelmäßig anzunehmen, daß der Veräußerer dem Erwerber eine Erlaubnis zur Anwendung des geschützten Verfahrens mit Hilfe der Vorrichtung auch dann erteilt hat, wenn ausdrückliche Vereinbarungen über eine solche Lizenz weder in dem Kaufvertrag noch sonst getroffen worden sind. Damit ist indessen nichts darüber gesagt, unter welchen näheren Bedingungen eine solche Lizenz erteilt werden kann, insbesondere, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich gewährt wird. Diese Rechtsfolge beruht allein auf den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten und hat mit einer Erschöpfung der das Verfahren betreffenden Schutzrechte nichts zu tun. Der Veräußerer der Vorrichtung ist nicht gehindert, die Lizenzierung des Verfahrens von einer Lizenzzahlung abhängig zu machen, wie er dies hier durch den Lizenz- und Know-how-Vertrag getan hat.

Wäre Erschöpfung in diesem Fall eingetreten, wäre der Lizenzvertrag nach § 17 I GWB nichtig gewesen, da er dem Lizenznehmer Beschränkungen auferlegt hätte, die über den Inhalt des (erschöpften) Schutzrechts hinausgehen würden.

(ii) patentgeschützte Vorrichtung

Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn die Vorrichtung patentgeschützt ist und der Verfahrensanspruch im gleichen Patent eine reine „Bedienungsanleitung„ für die Vorrichtung darstellt.

Siehe dazu folgendes Zitat aus BGH GRUR 1998, 130 „Handhabungsgerät“:

„Die Rechtsbeschwerde verkennt, daß eine patentgeschützte Vorrichtung, die der Schutzrechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung ein Dritter in den Verkehr gebracht hat, von diesem Zeitpunkt an gemeinfrei wird. Über den geschützten Gegenstand zu verfügen, ist fortan ausschließlich Sache des Erwerbers, der die Vorrichtung insbesondere zu ihrem bestimmungsgemäßen Zweck gebrauchen kann, ohne hierfür noch eine Erlaubnis des Schutzrechtsinhabers zu benötigen. Seine Verbietungsrechte kann der Schutzrechtsinhaber nur ein einziges Mal, und zwar bei der ersten Veräußerung der patentgeschützten Sache, geltend machen. Die patentierte Vorrichtung zu veräußern und sich gleichzeitig deren bestimmungsgemäße Verwendung mit patentrechtlichen Mitteln vorzubehalten, ist ihm verwehrt. Nichts anderes aber sucht die Patentinhaberin vorliegend mit Verfahrensanspruch 6 zu erreichen.

Soweit der BGH in der Entscheidung „Fullplastverfahren“ ausgeführt hat, durch die Veräußerung einer Vorrichtung, mit deren Hilfe ein patentgeschütztes Verfahren ausgeübt werden könne, trete eine Erschöpfung des Verfahrenspatents nicht ein, selbst dann nicht, wenn der Veräußerer der Vorrichtung zugleich Inhaber des Verfahrenspatents sei, lag dem ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Im seinerzeit entschiedenen Fall hatte der Inhaber eines Verfahrenspatents eine patentrechtlich nicht geschützte Vorrichtung veräußert. Wegen des fehlenden Sachschutzes konnte mit der Veräußerung der Vorrichtung keine Erschöpfung der Patentrechte eintreten. Der Entscheidungsfall zeichnet sich demgegenüber gerade dadurch aus, daß die Vorrichtung, mit der das Verfahren nach Patentanspruch 6 ausgeübt werden kann, auch ihrerseits Patentschutz genießt.

c) Daumenregel

Als Fazit daraus läßt sich folgende „Daumenregel„ festhalten: - Sind Verfahren und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens im gleichen Patent geschützt, tritt gleichzeitige Erschöpfung ein. - Sind Verfahren und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens in getrennten Patenten geschützt, tritt keine gleichzeitige Erschöpfung ein. Letzteres gilt nach der Rechtsprechung des LG Düsseldorf insbesondere dann, wenn der Sachanspruch zusätzliche Merkmale enthält.

siehe auch

1)
BGH, Urt. v. 27.2.2007 - X ZR 113/04; m.V.a. §§ 133, 157, 242 BGB; BGH Urt. v. 24.9.1979 - KZR 14/78, GRUR 1980, 38 - Fullplastverfahren
2)
BGH, GRUR 1980, 38 – Fullplastverfahren; a.a.O. – Bodenwaschanlage
3)
LG Düsseldorf, 4a O 93/07; m.V.a. BGH GRUR 1998, 130 – Handhabungsgerät; GRUR 2001, 407, 409 – Bauschuttsortieranlage; LG Düsseldorf Entscheidungen 1998, 115 – Levitationsmaschine; LG Hamburg Urteil vom 27.07.2000, Az. 315 O 645/99; ablehnend: Kraßer, Patentrecht 5. Aufl., S. 829 m.w.N.
4)
Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 9 Rn 25
5) , 7)
LG Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2008, Az. 4a O 93/07
6)
BGH GRUR 1998, 130 – Handhabungsgerät; GRUR 2001, 407, 409 – Bauschuttsortieranlage; LG Düsseldorf Entscheidungen 1998, 115 – Levitationsmaschine; LG Hamburg Urteil vom 27.07.2000, Az. 315 O 645/99; ablehnend: Kraßer, Patentrecht 5. Aufl., S. 829 m.w.N.
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