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markenrecht:waren-_und_dienstleistungsaehnlichkeit

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 +====== Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ======
  
 +
 +§ 14 (2) S. 2 und 3 -> [[Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen]]
 +
 +-> [[Absolute Warenunähnlichkeit]] \\
 +-> [[Funktionale Ergänzung]] \\
 +-> [[Berücksichtigung der Vertriebswege der jeweiligen Waren bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit]] \\
 +-> [[Berücksichtigung des Verwendungszwecks der Waren bei der Beurteilung der Frage der Warenähnlichkeit]] \\
 +-> [[Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen untereinander]] \\
 +
 +Die Frage der [[Verwechslungsgefahr]] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG [-> [[Verwechslungsgefahr mit einer älteren Marke ]]] ist  - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG [-> [[Verbot verwechselbarer Benutzung ]]] - unter Berücksichtigung aller
 +Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren
 +der Ähnlichkeit der Marken [-> [[Zeichenähnlichkeit]]], der __Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen__ sowie der [[Kennzeichnungskraft]] der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.((vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICARO/
 +PICASSO; BGH GRUR 2012, 1040, 1042, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 64,
 +Tz. 9 - Maalox/Melox-Gry; GRUR 2013, 833, Tz. 30 - Culinaria/Villa Culinaria))
 +
 +
 +Eine Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Waren ist grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblicher Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres [[Berücksichtigung des Verwendungszwecks der Waren bei der Beurteilung der Frage der Warenähnlichkeit|Verwendungszwecks]] und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.((BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - I ZB 63/12 - DESPERADOS/DESPERADO; m.V.a. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 C416/04 P, Slg. 2006, I4237 = GRUR 2006, 582 Rn. 85 = WRP 2006, 1102 VITAFRUIT; EuGH, GRURRR 2009, 356 Rn. 65 Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, Urteil vom 20. September 2007 I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rn. 23 = WRP 2007, 1466 Kinderzeit, mwN))
 +
 +In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren regelmäßig
 +von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt werden
 +oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden.((BGH, I ZR 94/04, Entscheidung vom 20.09.2007 - Kinderzeit; m.V.a. BGH, Urt. v. 19.2.2004 - I ZR 172/01, GRUR 2004, 594, 596 = WRP 2004, 909 - Ferrari-Pferd; Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 96/03, GRUR 2006, 941 Tz. 13 = WRP 2006, 1235 - TOSCA BLU))
 +
 +Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen kann dabei allerdings nur angenommen werden, wenn bei den
 +beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck entsteht, die betreffenden Waren und Dienstleistungen könnten auf einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen.((BPatG, Beschl. v. 20. Juni 2022 - 29 W (pat) 567/19; m.V.a. BPatG, Beschluss vom 11.12.2014, 25 W (pat) 510/13 - Cartridge Star/Cartridge World))  Ein Indiz hierfür kann es sein, wenn die betreffenden Waren typischerweise bei der Erbringung der Dienstleistungen zur Anwendung kommen.((BPatG, Beschl. v. 20. Juni 2022 - 29 W (pat) 567/19; m.V.a. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 9 Rn. 114))
 +
 +
 +Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor annimmt, dass die Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.((st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH WRP 2004, 357, 359 - GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion)) [-> [[Herkunftsfunktion]] der Marke]
 +
 +
 +Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren und Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist. Dabei gibt es eine absolute Waren- und Dienstleistungsunähnlichkeit, die auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden kann.((vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.1998 - C-39/97, Slg. 1998, I-5507 Tz 15 = GRUR 1998, 922 - Canon; BGH, Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 96/03, GRUR 2006, 941 Tz 13 = WRP 2006, 1235 - TOSCA BLU))
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 +Die im Nizzaer Abkommen festgelegte Klassifikation der Waren und Dienstleistungen((wie in Regel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) in Erinnerung gebracht wird)) dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Waren können folglich nicht bloß deshalb als unähnlich angesehen werden, weil sie nach dieser Klassifikation unterschiedlichen Klassen angehören.((EuG, Urt. v. 13. Dezember 2004, Rs. T-8/03 - EMILIO PUCCI))
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 +Die Beurteilung, ob Waren einander ähnlich sind, liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet.((BGH, I ZR 94/04, Entscheidung vom 20.09.2007 - Kinderzeit; m.V.a. BGH, Beschl. v. 26.11.1998 - I ZB 18/96, GRUR 1999, 496, 497 = WRP 1999, 528 - TIFFANY; Beschl. v. 16.3.2000 - I ZB 43/97, GRUR 2000, 886, 887 = WRP 2001, 37 - Bayer/BeiChem)) Im Revisionsverfahren ist daher nur zu überprüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird.((BGH, I ZR 94/04, Entscheidung vom 20.09.2007 - Kinderzeit))
 +
 +
 +Liegen die [[Verwechslungsgefahr|Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr]] hinsichtlich eines Teils der unter einen weiten Oberbegriff fallenden Waren vor, ist die angegriffene Marke hinsichtlich der übergreifend formulierten Ware zu löschen.((st. Rspr., z.B. BGH, Beschl. v. 24. Februar 2005 - I ZB 2/04 - MEY/Ella May))
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 +
 +Die Eintragung von Oberbegriffen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen entweder antragsgemäß vorzunehmen oder aber zurückzuweisen.((BGH
 +GRUR 1997, 634, 635 – TURBO II)) Eine eigenmächtige Änderung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch das Deutsche Patent- und Markenamt
 +kommt dagegen nicht in Betracht.((BPatG, Beschl. v. 23. August 2006 - 26 W (pat) 360/03; m.V.a. BPatGE 25, 243, 245; BPatG, Mitt. 1998, 309, 310 – SMP; Ströbele/Hacker/Kirschneck, Markengesetz, 8. Aufl., § 37 Rn. 13 m. w. N.))
 +
 +Dies gilt auch dann, wenn die Eintragung eines „insbesondere“-Zusatzes versagt, der beantragte Oberbegriff aber eingetragen wird.((BPatG, Beschl. v. 23. August 2006 - 26 W (pat) 360/03))
 +
 +
 +Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit ist nur auf die Waren abzustellen, für die die Marken Schutz genießen. Etwaige Übereinstimmungen im Erscheinungsbild der verwandten Verpackungen lassen die Warenähnlichkeit unberührt.((BGH, I ZR 94/04, Entscheidung vom 20.09.2007 - Kinderzeit))
 +
 +Der Verwendungszweck der beiderseitigen Waren ist bei der Beurteilung der Frage der Warenähnlichkeit von Bedeutung.((BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14 - Goldbären; m.V.a. EuGH, Urteil vom 29. September 1998 - C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon))
 +
 +Die funktionelle Ergänzung der Waren kann in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle spielen.((BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14 - Goldbären; m.V.a. EuGH, GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon))
 +
 +Relevant sein kann auch, dass die beiderseitigen Waren beim Vertrieb insofern Berührungspunkte aufweisen, als sie in denselben Verkaufsstellen angeboten werden((vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2007
 +- I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rn. 23 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit, mwN))
 +und dass dies zudem in räumlicher Nähe geschieht((vgl. BGH, GRUR 2014, 588
 +Rn. 15 - DESPERADOS/DESPERADO, mwN)).((BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 105/14 - Goldbären))
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 +==== Beispiele ====
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 +Klasse 3:
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 +-> [[Mittel zur Körper- und Schönheitspflege]]; [[Kosmetika]]; [[Zahnputzmittel]]
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 +Klasse 5:
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 +-> [[Nahrungsergaenzungsmittel für Menschen]]; [[Diätetische Lebensmittel]] und
 +[[Erzeugnisse für medizinische Zwecke]]
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 +-> [[Pflaster]]; [[Verbandmaterial]]
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 +===== siehe auch =====
 +
 +-> [[Verwechslungsgefahr]]
markenrecht/waren-_und_dienstleistungsaehnlichkeit.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:26 von 127.0.0.1