Die Fachperson ist der maßgebliche Bezugspunkt für die Auslegung eines Patentanspruchs. Die Beurteilung erfolgt aus der Sicht eines durchschnittlich fachkundigen Lesers mit technischem Sachverstand auf dem betreffenden Fachgebiet. Ihre Perspektive prägt die Interpretation des Anspruchswortlauts, die Bewertung der technischen Lehre und die Einschätzung des Verständnisses von Beschreibung und Zeichnungen.
Die Auslegung eines Patentanspruchs erfolgt nicht nach subjektivem oder rein sprachlich-grammatikalischem Verständnis, sondern nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht. Es ist durch Bewertung seines Wortlauts aus der Sicht des Fachmanns zu bestimmen, was sich aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als Lehre zum technischen Handeln ergibt, die unter Schutz gestellt ist. 1)
Der Patentanspruch ist aus Sicht der Fachperson auszulegen. 2)
Die Fachperson soll eine technisch sinnvolle Interpretation wählen, auch bei mehrdeutigen Formulierungen. Dabei gilt das sogenannte Syntheseprinzip: Der Anspruch ist aufbauend, nicht zergliedernd zu deuten. Der Fachmann sollte bei der Prüfung eines Anspruchs unlogische oder technisch unsinnige Auslegungen ausschließen. Er sollte versuchen, durch Synthese, also eher aufbauend als zerlegend, zu einer Auslegung des Anspruchs zu gelangen, die technisch sinnvoll ist und bei der die gesamte Offenbarung des Patents berücksichtigt wird. Das Patent ist mit der Bereitschaft auszulegen, es zu verstehen, und nicht mit dem Willen, es misszuverstehen. 3)
Ein Begriff, der in zwei Merkmalen eines Patentanspruchs verwendet wird, kann unterschiedlich auszulegen sein, wenn sich dies aus der Funktion der beiden Merkmale ergibt. 4)
Auch im Prüfungs- und Erteilungsverfahren ist die Sichtweise der Fachperson relevant. Die während des Erteilungsverfahrens gemachten Angaben des Anmelders, und insbesondere deren Bestätigung durch die Technische Beschwerdekammer (TBA), können als Indikatoren für die Sichtweise der maßgeblichen Fachperson zum Anmeldedatum gesehen werden. 5)
Die Fachperson beurteilt Begriffe nicht nach allgemeinem Sprachgebrauch, sondern nach ihrem technischen Sinn im Zusammenhang aller Merkmale. Für die zutreffende Auslegung eines Anspruchsmerkmals ist dessen technischer Wortsinn im Gesamtzusammenhang aller Merkmale aus der Sicht der maßgeblichen Fachperson entscheidend. 6) Eine rein sprachliche oder linguistische Analyse darf die technisch-fachliche Bedeutung nicht ersetzen, sondern kann diese allenfalls ergänzen oder bestätigen. 7) Dabei kann ein Patentdokument auch sein eigenes technisches Begriffsverständnis enthalten, das von der allgemeinen Sprachbedeutung abweicht. 8)
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