Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


ep:aufgabe_der_erfindung

finanzcheck24.de

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
ep:aufgabe_der_erfindung [2017/01/24 14:08] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1ep:aufgabe_der_erfindung [2023/07/25 08:25] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1
Zeile 1: Zeile 1:
 +====== Aufgabe der Erfindung ======
 +
 +-> [[Verbot der Rückschauende Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit]]
 +
 +Dem Patentrecht unterliegt der Grundsatz, dass von Erfindungen im
 +Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens, auf welche ein Patent zu erteilen ist, ein Beitrag zum [[Stand der Technik]] verlangt wird, d. h. die Bereitstellung einer [[technische Lösung|technischen Lösung]] für eine dem Stand der Technik entspringende Aufgabe [-> [[Patentschutz]]].((st. Rechtsprechung, z.B. Entscheidung T 1063/06 vom 3. Februar 2009, Entscheidungsgründe 3.2))
 +
 +Für die Zwecke des [[Aufgabe-Lösungs-Ansatz|Aufgabe-Lösungs-Ansatzes]] muss es sich bei der Aufgabe um eine [[technische Aufgabe]] [->[[technischer Charakter]]] handeln, die einem Fachmann des betreffenden technischen Gebiets am relevanten Prioritätstag zur Lösung angetragen werden könnte.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04)) 
 +
 +Die objektive technische Aufgabe muß so formuliert werden, dass sich eine erfinderische Tätigkeit auf keinen Fall aus den rein nicht technischen Aspekten des Gegenstands ergibt.((T 1053/98))
 +
 +Merkmale einer Erfindung, die weder eine technische Wirkung haben noch mit den übrigen Merkmalen der Erfindung so in Wechselwirkung stehen, dass sich daraus ein funktionaler technischer Beitrag ergibt, können nicht als [[Technischer Beitrag|Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit]] im Sinne des Artikels
 +56 EPÜ betrachtet werden.((Entscheidung vom 22. März 2006 - T 619/02)) 
 +
 +Dies gilt nicht nur dann, wenn die Merkmale nicht selbst zum [[technischer Charakter|technischen Charakter]] der Erfindung beitragen((T 641/00, a. a. O., Nrn. 2 bis 6 der Entscheidungsgründe, T 258/03, a. a. O., Nr. 5 der Entscheidungsgründe und T 531/03, Nr. 2 der Entscheidungsgründe; s. auch T 456/90, Nr. 5.8 der Entscheidungsgründe, T 931/95, a. a. O., Nr. 8 der Entscheidungsgründe, T 27/97, Nr. 4 der Entscheidungsgründe, T 258/97, Nrn. 5 bis 7 der Entscheidungsgründe und T 1121/02, Nr. 2 der Entscheidungsgründe)), sondern auch, wenn die Merkmale grundsätzlich zwar als technisch bezeichnet werden könnten, im Kontext der beanspruchten Erfindung aber keine technische Funktion haben((siehe z. B. die isolierte Kohlenstabelektrode in T 72/95 (Nr. 5.4 der Entscheidungsgründe), die Umhüllung aus elektrisch isolierendem Kunststoff in T 157/97 (Nrn. 4.2.2 bis 4.2.4 der Entscheidungsgründe),
 +die Eisenelektrode in 158/97 (Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe)
 +und den elektrischen Isolator in T 176/97 (Nr. 4.4 der Entscheidungsgründe)).((Entscheidung vom 22. März 2006 - T 619/02 - Leitsatz))
 +
 +Haben die Unterscheidungsmerkmale einer Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik im Rahmen der beanspruchten Erfindung – abgesehen von einer möglicherweise kommerziell vielversprechenden, aber rein ästhetischen oder emotionalen und daher technisch willkürlichen Wirkung – keine technische Funktion oder Wirkung, so kann durch die Erfindung keine konkrete objektive technische Aufgabe als gelöst gelten.((Entscheidung vom 22. März 2006 - T 619/02 - Leitsatz))
 +
 +Die "Aufgabe", die Problemdefinition, ist frei zu halten vom Lösungsansatz ((BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02 - Schussfädentransport; m.V.a. BGH, Urt. v. 22.11.1984 - X ZR 40/84, GRUR 1985, 369 - Körperstativ))
 +
 +
 +Die objektive technische Aufgabe einer Erfindung ist so zu formulieren, dass sie keine technischen Lösungsansätze enthält, denn das Einbeziehen eines Teils eines technischen Lösungsgedankens aus der Erfindung in die Aufgabe muss bei der Bewertung des Stands der Technik unter dem Aspekt dieser Aufgabe zwangsläufig zu einer retrospektiven Betrachtungsweise der erfinderischen Tätigkeit [-> [[Verbot der Rückschauende Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit]]] führen.((G.VII.5.2 der Prüfungsrichtlinien, m.V.a. T 229/85))
 +
 +Vorteile der Erfindung, an denen der Fachmann seine Bemühungen um eine
 +Weiterentwicklung des Standes der Technik nicht ausgerichtet hätte, weil sie
 +sich erst durch die Erfindung als erreichbar gezeigt haben, können das der
 +Erfindung zugrunde liegende technische Problem (die Aufgabe der Erfindung)
 +nicht bestimmen.((BGH, Urteil vom 11. November 2014 - X ZR 128/09))
 +
 +
 +Bei der Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde
 +liegt, darf nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass für den Fachmann die
 +Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung angezeigt war. Vielmehr ist
 +das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich die
 +Frage, welche Anregungen der Fachmann durch den Stand der Technik insoweit
 +erhielt, ausschließlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt.((BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13 - Quetiapin))
 +
 +
 +Die zu lösende technische Aufgabe ist zwar nicht so zu formulieren, daß sie Lösungsansätze enthält oder die Lösung teilweise vorwegnimmt, doch scheidet ein Merkmal nur deshalb, weil es im Anspruch vorkommt, nicht automatisch für die Formulierung der Aufgabe aus. Insbesondere wenn der Anspruch auf eine Zielsetzung auf einem nichttechnischen Gebiet verweist, darf diese Zielsetzung bei der Formulierung der Aufgabe als Teil der Rahmenbedingungen für die zu lösende technische Aufgabe aufgegriffen werden, insbesondere als eine zwingend zu erfüllende Vorgabe.((T 0641/00 vom 26.9.2002 - COMVIK))
 +
 +
 +Für die Zwecke des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes muss es sich bei der
 +Aufgabe um eine technische Aufgabe [->[[technischer Charakter]]] handeln, die einem Fachmann des betreffenden technischen Gebiets am relevanten Prioritätstag zur Lösung  [-> [[technischer Beitrag]]] angetragen werden könnte.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04))
 +
 +Die technische Aufgabe kann unter Verweis auf eine Zielsetzung auf einem nichttechnischen Gebiet formuliert werden, die folglich nicht Teil des technischen Beitrags ist, den die Erfindung zum Stand der Technik leistet. Dies kann insbesondere durch die Definition einer zu erfüllenden Bedingung erreicht werden (auch wenn sich die Zielsetzung erst a posteriori in Kenntnis der Erfindung erschließt).((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04))
 +
 +Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz ist grundlegend technischer Art((T 172/03, Nrn. 6 bis 10 der Entscheidungsgründe)) [->[[technischer Charakter]]]; daher kann das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nur auf der Grundlage der technischen Aspekte sowohl der Unterscheidungsmerkmale als auch der durch die beanspruchte Erfindung gegenüber dem Stand der Technik erzielten Wirkung festgestellt werden.((Entscheidung vom 22. März 2006 - T 619/02; m.V.a. T 641/00, ABl. EPA 2003, 352, Nrn. 2 bis 6 der Entscheidungsgründe)) [-> [[technischer Beitrag]]]
 +
 +
 +Die ursprünglich nach Regel 27 (1) c) EPÜ [nun Regel 42 (1) c) EPÜ 2000] in der Anmeldung oder dem angefochtenen Patent dargestellte technische Aufgabe, die als "subjektive" technische Aufgabe anzusehen ist, kann erforderlichenfalls auf der Grundlage objektiv relevanter Elemente neu formuliert werden, die vom Anmelder bzw. Patentinhaber ursprünglich nicht berücksichtigt worden waren. Diese Neuformulierung ergibt die Definition der "objektiven" technischen Aufgabe. Letztere stellt die letztlich verbleibende Aufgabe (den technischen Effekt) dar, die dem objektiven Beitrag entspricht, den der in dem entsprechenden Patentanspruch definierte Gegenstand (Merkmale) leistet.((T 0039/93 (Polymerpuder) of 14.2.1996, Nrn. 5.3.1, 5.3.2, 5.3.3 der Entscheidungsgründe))
 +
 +Wenn der Anspruch jedoch auf eine Zielsetzung auf einem nicht technischen Gebiet verweist, darf diese Zielsetzung bei der Formulierung der Aufgabe als Teil der Rahmenbedingungen für die zu lösende technische Aufgabe aufgegriffen werden, insbesondere als eine zwingend zu erfüllende Vorgabe.((siehe T 641/00 und T 172/03 und G‑VII, 5.4.1))
 +
 +
 +===== siehe auch =====
 +
 +->  [[Aufgabe-Lösungs-Ansatz]] \\
 +
 +Artikel 52 (1) EPÜ  -> [[Patentierbare Erfindungen]] \\