Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung nicht auf Verfahrensfehler und damit auch nicht auf den Umfang beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt.1)

Auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Dabei können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet.2)

siehe auch

Berufungsgericht

1)
BGH, Beschl. v. 3. September 2020 -I ZR 186/19; m.V.a. BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 315 f. [juris Rn. 5]; Beschluss vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 67/15, VersR 2016, 463 Rn. 7
2)
BGH, Beschl. v. 3. September 2020 -I ZR 186/19; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. Februar 2017 - VI ZR 434/15, NJW-RR 2017, 725 Rn. 20 mwN