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wettbewerbsrecht:pharmakologische_wirkung

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 ====== Pharmakologische Wirkung ====== ====== Pharmakologische Wirkung ======
  
 +Für die Beurteilung der Frage, ob Produkte, die eine physiologisch wirksame Substanz enthalten, Funktionsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG [§ 2 AMG -> [[Arzneimittelbegriff]]] sind, bedarf es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats einer sorgfältigen Prüfung des jeweiligen Einzelfalls, bei der neben den pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften des Produkts auch alle seine weiteren Merkmale wie seine Zusammensetzung, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken zu berücksichtigen sind, die seine Verwendung mit sich bringen kann.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 4/21 - Femannose; m.V.a. EuGH, Urteil vom 30. April 2009 - C-27/08 , Slg. 2009, I-3785 = GRUR 2009, 790 [juris Rn. 18] - BIOS Naturprodukte; EuGH, GRUR 2012,
 +1167 [juris Rn. 33 f.] - Chemische Fabrik Kreussler, mwN; BGH, PharmR 2016, 82 [juris Rn. 12] - Chlorhexidin))
  
 +
 +Zweckdienliche Anhaltspunkte zur Konkretisierung des Begriffs der "pharmakologischen Wirkung" im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG [-> [[Arzneimittel]]] können den unter Geltung der Richtlinie 93/42/EWG vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte von einer europäischen Expertengruppe aus Behörden- und Industrievertretern unter Federführung der Europäischen Kommission entwickelten Leitlinien zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten ("Medical Devices: Guidance document - Borderline products, drug-delivery
 +products and medical devices incorporating, as integral part, an ancillary medicinal substance or an ancillary human blood derivative", MEDDEV 2.1/3 rev 3; nachfolgend: MEDDEV-Leitlinien) entnommen werden((vgl. BGH, Urteil vom
 +24. Juni 2010 - I ZR 166/08, GRUR 2010, 1026 [juris Rn. 17] = WRP 2010, 1393 - Photodynamische Therapie; Urteil vom 24. November 2010 - I ZR 204/09, PharmR 2011, 299 [juris Rn. 14] mwN; zu den Leitlinien zur Abgrenzung der
 +Richtlinie 76/768/EWG über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83/EG über Arzneimittel vgl. EuGH, GRUR 2012, 1167 [juris Rn. 21 bis 27] - Chemische Fabrik Kreussler; BGH, PharmR 2016, 82 [juris Rn. 11] - Chlorhexidin, mwN)), die als solche allerdings nicht rechtlich bindend sind((vgl. EuGH, GRUR 2012, 1167
 +[juris Rn. 23] - Chemische Fabrik Kreussler)).((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 4/21 - Femannose)) In diesen Leitlinien, die zwischenzeitlich durch die Leitlinien "Guidance on borderline between medical devices and
 +medicinal products under Regulation (EU) 2017/745 on medical devices" (MDCG 2022-5) abgelöst worden sind, heißt es:((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 4/21 - Femannose))
 +
 +// "Pharmacological means" is understood as an interaction between the molecules
 +of the substance in question and a cellular constituent, usually referred to as a
 +receptor, which either results in a direct response, or which blocks the response to
 +another agent. Although not a completely reliable criterion, the presence of a doseresponse correlation is indicative of a pharmacological effect.//
 +
 +Zu Deutsch: 
 +
 +//"Pharmakologische Mittel" meint eine Wechselwirkung (Interaktion)
 +zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem zellulären
 +Bestandteil, gewöhnlich als Rezeptor bezeichnet, die entweder in einer direkten
 +Reaktion (Antwort) resultiert oder die Reaktion (Antwort) auf ein anderes Agens
 +blockiert. Das Vorhandensein einer Dosis-Wirkungs-Beziehung stellt dabei, obwohl kein vollständig vertrauenswürdiges Kriterium, einen Hinweis auf einen pharmakologischen Effekt dar.//
  
  
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 Eine für die Bejahung einer pharmakologischen Wirkung eines Stoffes erforderliche Wechselwirkung zwischen seinen Molekülen und Körperzellen liegt auch dann vor, wenn die Moleküle eine ohne sie gegebene Einwirkung anderer Stoffe auf die Körperzellen verhindern.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 90/08 - Mundspüllösung)) Eine für die Bejahung einer pharmakologischen Wirkung eines Stoffes erforderliche Wechselwirkung zwischen seinen Molekülen und Körperzellen liegt auch dann vor, wenn die Moleküle eine ohne sie gegebene Einwirkung anderer Stoffe auf die Körperzellen verhindern.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 90/08 - Mundspüllösung))
 +
 +In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, nach welchen Kriterien pharmakologische und nicht-pharmakologische Mittel in Fällen abgegrenzt werden können, in denen die in Frage stehende Substanz
 +- wie im Streitfall - von der Zielzelle nicht absorbiert wird, sondern nur eine temporäre Anbindung erfolgt.((BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 4/21 - Femannose; m.V.a. BVerwG, ZMGR 2021, 380 [juris Rn. 11 f.]; PharmR 2021, 593 [juris Rn. 10 f.]))
  
 Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 1 Nr. 2 Buchst. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 1 Nr. 2 Buchst.
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 ===== siehe auch ===== ===== siehe auch =====
  
-AMG -> [[Arzneimittelgesetz]]+§ 2 AMG -> [[Arzneimittelbegriff]] \\
  
wettbewerbsrecht/pharmakologische_wirkung.1697008205.txt.gz · Zuletzt geändert: 2023/10/11 07:10 von mfreund