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wettbewerbsrecht:pharmakologische_wirkung

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Pharmakologische Wirkung

Definition dieses Begriffs in der von den Dienststellen der Kommission in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erstellten Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie 76/768/EWG über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83/EG und an den Grundsätzen orientiert, die der Gerichtshof der Europäischen Union in dieser Hinsicht in seinen Entscheidungen „Knoblauchkapseln“ (Urteil vom 15. November 2007 - C-319/05, Slg. 2007, I-9811 = GRUR 2008, 271), „Hecht-Pharma“ (Urteil vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Slg. 2009, I-41 = GRUR 2009, 511), „BIOS Naturprodukte“ (Urteil vom 30. April 2009 - C-27/08, Slg. 2009, I-3785 = GRUR 2009, 790) sowie „Chemische Fabrik Kreussler“ (Urteil vom 6. September 2012 - C-308/11, GRUR 2012, 1167) aufgestellt hat

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union „Chemische Fabrik Kreussler“ erfordert die Beurteilung der Frage, ob Produkte, die eine physiologisch wirksame Substanz enthalten, Funktionsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG sind, eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls, bei der die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellbaren pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften des Produkts zu berücksichtigen sind (EuGH, GRUR 2012, 1167 Rn. 33 - Chemische Fabrik Kreussler, mwN). Neben den pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften des Produkts sind alle seine weiteren Merkmale wie seine Zusammensetzung, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken zu berücksichtigen, die seine Verwendung mit sich bringen kann (EuGH, GRUR 2012, 1167 Rn. 34 - Chemische Fabrik Kreussler, mwN). Ein Produkt kann nur als Funktionsarzneimittel angesehen werden, wenn es aufgrund seiner Zusammensetzung und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch physiologische Funktionen des Menschen in signifikanter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann (EuGH, GRUR 2012, 1167 Rn. 35 - Chemische Fabrik Kreussler, mwN).1)

Aus wissenschaftlicher Sicht ist unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen, wobei die Pharmakologie sowohl die Heilwirkung als auch die Giftwirkung eines Stoffes betrifft.2)

Dieses wissenschaftliche Verständnis entspricht dem praktischen Verständnis in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs:

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage die mitgliedstaatlichen Behörde ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses zu beurteilen haben, ob es im Sinne des Artikels 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.3)

Eine pharmakologische Wirkung setzt die gezielte Steuerung von Körperfunktionen durch eine „arzneilich wirksame Substanz“ voraus.4)

Eine für die Bejahung einer pharmakologischen Wirkung eines Stoffes erforderliche Wechselwirkung zwischen seinen Molekülen und Körperzellen liegt auch dann vor, wenn die Moleküle eine ohne sie gegebene Einwirkung anderer Stoffe auf die Körperzellen verhindern.5)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Fall 1 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:6) Handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Fall 1 der Richtlinie 2001/83/EG, wenn die in Frage stehende Substanz (hier: D-Mannose) durch eine im Wege von Wasserstoffbrücken vermittelte reversible Bindung an Bakterien verhindert, dass sich die Bakterien an menschliche Zellen (hier: die Blasenwand) binden?

siehe auch

1)
BGH, Urt. v. 25. Juni 2015 - ZR 11/14
2)
OLG Köln, Entsch. v. 21.12.2007 - 6 U 64/06; m.V.a. vgl. Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, „Pharmakologie“
3)
EuGH, Urteil vom 9.6.2005 in den verbundenen Rechtssachen C-211/03, C-299/03, C-316/03 bis C-318/03 - „Lactobact“
4)
OLG Stuttgart Urteil vom 14.2.2008, 2 U 81/076565; m.V.a. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, 3 C 22.06 = A & R 2008, 43 Tz. 32
5)
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 90/08 - Mundspüllösung
6)
BGH, Beschluss vom 14. September 2023 - I ZR 4/21 - Femannose
wettbewerbsrecht/pharmakologische_wirkung.1697008191.txt.gz · Zuletzt geändert: 2023/10/11 07:09 von mfreund