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verfahrensrecht:rueckwirkung_der_zustellung

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Rückwirkung der Zustellung

§ 167 (1) ZPO

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Die Bestimmung des § 167 ZPO ist grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann.1)

Allerdings wird vor allem in der älteren Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs und in der Literatur die Ansicht vertreten, die Regelung über die Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage gelte nur für die Fälle, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne2). Diese Meinung wird insbesondere mit dem aus der Entstehungsgeschichte zu erschließenden Sinn und Zweck der Vorschrift begründet3). Die Bestimmung über die Rückwirkung der Zustellung wurde mit Rücksicht auf die Einführung des Amtsbetriebes im Gerichtsverfahren in den Jahren 1909 (amtsgerichtliches Verfahren) und 1950 (landgerichtliches Verfahren) in die Zivilprozessordnung eingefügt. Sie hatte den Zweck, den Parteien, die bis dahin die Zustellungen im Prozess selbst besorgten und deshalb deren Zeitpunkt zuverlässig selbst bestimmen konnten, das von ihnen nicht mehr kalkulierbare Risiko einer Verspätung der amtlichen Zustellung abzunehmen. Hieraus wurde geschlossen, die Regelung solle ledig-lich verhindern, dass der Kläger, der für eine Fristwahrung auf die Mitwirkung der Gerichte angewiesen sei, durch seinem Einfluss entzogene Verzögerungen bei der Zustellung einen Schaden erleide; für Fälle, in denen ein einfaches Schreiben ausreiche, sei die Vorschrift dagegen nicht geschaffen4). Der Bundesgerichtshof hat die Bestimmung über die Rückwirkung der Zustellung deshalb in Fällen nicht für anwendbar gehalten, in denen durch die Zustellung die – auch durch außergerichtliche Geltendmachung zu wahrenden – Fristen zur Erklärung einer Mieterhöhung (BGH WM 1971, 383, 384), zur Anfechtung wegen Irrtums5) und zur Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft6) gewahrt werden sollten. Das Bundesarbeitsgericht wendet die Bestimmung nicht auf tarifvertragliche Ausschlussfristen an7), was es allerdings auch mit dem besonderem Sinn und Zweck dieser Ausschlussfristen begründet8).9)

Die Rückwirkungsregelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar dann auch auf Fristen anzuwenden, die durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden können, wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die zu wahrende Frist ergibt, einer eingeschränkten Anwendung der Rückwirkungsregelung entgegensteht. So verhält es sich bei der Frist für die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nach § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB, weil dem Gläubiger hier ausdrücklich die Möglichkeit gegeben sei, seinen Anspruch wahlweise gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen (BGHZ 53, 332, 338), und bei der Frist zur Erklärung des Forderungsvorbehalts des Bauunternehmers gegenüber der Schlusszahlung des Bauherrn gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B (1973), weil der Sinn und Zweck der Fristbestimmung dies erfordere10).11)

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Zustellung eines Mahnbescheids im Sinne des § 167 ZPO [→ Rückwirkung der Zustellung] „demnächst“ bewirkt worden ist, ist nicht allein auf den Zeitablauf zwischen Eingang des Antrages auf seinen Erlass und seiner Zustellung an den Antragsgegner abzustellen. Vielmehr sollen, da die Zustellung von Amts wegen geschieht, die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden, weil sie diese Verzögerungen nicht beeinflussen können. Verzögerungen im Zustellverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht verursacht worden sind, muss sich der Antragsteller grundsätzlich nicht zurechnen lassen. Zuzurechnen sind nur solche nicht geringfügige Verzögerungen, die er oder sein Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Verfahrensführung hätten vermeiden können.12)

siehe auch

1)
BGH, Urt. v. 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Sammlung Ahlers; Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 11.10.1974 – V ZR 25/73, NJW 1975, 39; Aufgabe von BGH, Urt. v. 10.2.1971 – VIII ZR 208/69, WM 1971, 383, 384 und Urt. v. 21.10.1981 – VIII ZR 212/80, NJW 1982, 172
2)
vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1981 – VIII ZR 212/80, NJW 1982, 172 f.
3)
vgl. BGHZ 75, 307, 310 f. m.w.N.
4)
BGH, Urt. v. 10.2.1971 – VIII ZR 208/69, WM 1971, 383, 384; Urt. v. 11.10.1974 – V ZR 25/73, NJW 1975, 39 f.
5)
BGH NJW 1975, 39 f.
6)
BGH NJW 1982, 172 f.
7)
BAG, Urt. v. 25.9.1996 – 10 AZR 678/95, juris Tz. 39 m.w.N.
8)
aaO Tz. 42
9) , 11)
BGH, Urt. v. 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Sammlung Ahlers
10)
BGHZ 75, 307, 313 ff.
12)
BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15 - Everytime we touch; m.V.a. BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05, BGHZ 168, 306 Rn. 17 f., mwN
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