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verfahrensrecht:nichtberuecksichtigung_eines_erheblichen_beweisangebots

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Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots

Ein Gericht verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung beruht1). Eine unzulässige Beweisantizipation liegt vor, wenn der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst2).3)

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots einer Partei verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag der Partei gestellt hat. Der Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens einer Partei steht nicht entgegen, dass diese hilfsweise die Möglichkeit einer abweichenden Tatsache in den Raum gestellt habe. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Aus diesem Grund können für einen Klageantrag, sofern nicht eine bewusste Verletzung der Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO vorliegt, in tatsächlicher Hinsicht widersprechende Begründungen gegeben werden, wenn das Verhältnis dieser Begründungen zueinander klargestellt ist, sie also nicht als ein einheitliches Vorbringen geltend gemacht werden.4)

Nach ständiger Rechtsprechung verstößt die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze findet, gegen Art. 103 Abs. 1 GG.5)

Das gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Das Gericht verschließt sich in einem solchen Fall der Erkenntnis, dass eine Partei ihrer Darlegungslast schon dann genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen.6)

Bei einem Beweisantritt ist die Angabe näherer Einzelheiten nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des Tatsachenvortrags der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Wenn das Parteivorbringen diesen Anforderungen genügt, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Vielmehr muss der Tatrichter dann in die Beweisaufnahme eintreten, um dort gegebenenfalls weitere Einzelheiten zu ermitteln.7)

siehe auch

1)
vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 8
2)
vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - V ZR 64/17, juris Rn. 19
3)
BGH, Beschl. v. I ZR 170/18
4)
BGH, Beschl. v. 1. Juni 2017 - I ZR 140/16; m.V.a. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 9, 15 und 16
5)
BGH, Beschl. v. 18. Mai 2017 - I ZR 205/16; m.V.a. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 10; Teilurteil vom 15. Februar 2017 - VIII ZR 284/15, juris Rn. 16, jeweils mwN
6)
BGH, Beschl. v. 18. Mai 2017 - I ZR 205/16; m.V.a. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 9 mwN
7)
st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 18. Mai 2017 - I ZR 205/16; m.V.a. BGH, Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 212/13, BGHZ 207, 1 Rn. 39 mwN
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