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verfahrensrecht:beschraenkter_vollstreckungsauftrag

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Beschränkter Vollstreckungsauftrag

§ 885a ZPO

(1) Der Vollstreckungsauftrag kann auf die Maßnahmen nach § 885 Absatz 1 beschränkt werden.

(2) Der Gerichtsvollzieher hat in dem Protokoll (§ 762) die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren, die er bei der Vornahme der Vollstreckungshandlung vorfindet. Er kann bei der Dokumentation Bildaufnahmen in elektronischer Form herstellen.

(3) Der Gläubiger kann bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren. Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. Der Gläubiger hat hinsichtlich der Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

(4) Fordert der Schuldner die Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, kann der Gläubiger die Sachen verwerten. Die §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Eine Androhung der Versteigerung findet nicht statt. Sachen, die nicht verwertet werden können, können vernichtet werden.

(5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne Weiteres herauszugeben.

(6) Mit der Mitteilung des Räumungstermins weist der Gerichtsvollzieher den Gläubiger und den Schuldner auf die Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 hin.

(7) Die Kosten nach den Absätzen 3 und 4 gelten als Kosten der Zwangsvollstreckung.

Der Gesetzgeber hat durch die am 1. Mai 2013 in Kraft getretene Bestimmung des § 885a ZPO das schon zuvor in der Rechtsprechung anerkannte „Berliner Modell“ zur Räumungsvollstreckung1) gesetzlich näher geregelt 2).3)

Nach § 885a Abs. 1, § 885 Abs. 1 ZPO kann der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers darauf beschränkt werden, den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Der Gläubiger kann die in der Wohnung vorgefundenen beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, unter Beachtung der näheren Regelungen in § 885a Abs. 3 bis 5 ZPO wegschaffen und verwerten. Die Vorschrift des § 885a ZPO ist im Streitfall anwendbar. Die Räumung erfolgte auf der Grundlage des beschränkten Vollstreckungsauftrags am 7. März 2016 und damit nach Inkrafttreten des § 885a ZPO am 1. Mai 2013.4)

Gemäß § 885a Abs. 1 ZPO kann der Vollstreckungsauftrag auf die Maßnahmen nach § 885 Abs. 1 ZPO beschränkt werden. Die in § 885 Abs. 1 ZPO bestimmte Besitzverschaffung setzt voraus, dass der Schuldner eine unbewegliche Sache herauszugeben oder zu räumen hat. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor. Der Gläubiger vollstreckt aus einem Zuschlagsbeschluss gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG. Nach dieser Bestimmung findet aus einem Zuschlagsbeschluss gegen den Besitzer des Grundstücks die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe statt.5)

Der Anwendungsbereich der Vollstreckung gemäß § 885a Abs. 1 ZPO beschränkt nicht auf Fälle, in denen dem Gläubiger ein Vermieterpfandrecht zusteht.6)

Allerdings hat der Bundesgerichtshof vor Einführung des § 885a ZPO ausgesprochen, dass eine auf § 93 Abs. 1 ZVG gestützte Räumung nicht auf die Herausgabe des Grundstücks beschränkt werden kann, weil es für eine Besitzeinweisung ohne Räumung in diesem Fall an einer gesetzlichen Grundlage fehlt7). Nach dieser Rechtsprechung konnte ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO nur dann auf die Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend machte. Der Senat hat dies damit begründet, dass das Vermieterpfandrecht Vorrang habe gegenüber der in § 885 Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung seien. Wenn ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht werde, würden die schutzwürdigen Belange des Vollstreckungsschuldners nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen sei8).9)

Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Vollstreckung eines Zuschlagsbeschlusses nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG hat der Senat abgelehnt. Wenn sich der Gläubiger - anders als bei Bestehen eines Vermieterpfandrechts - nicht auf ein Recht zur Inbesitznahme hinsichtlich der in der Wohnung befindlichen Sachen berufen könne, fehle es an einem vorrangigen Recht des Gläubigers, das der nach § 885 Abs. 2 und 4 ZPO gerade auch im Interesse des Schuldners vorgesehenen Entfernung der Sachen entgegenstehe.10)

Diese Rechtsprechung ist durch die Einführung des § 885a ZPO überholt. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber eine allgemein gültige, nicht auf die Fälle des Bestehens eines Vermieterpfandrechts beschränkte gesetzliche Grundlage für eine auf die Herausgabe unbeweglicher Sachen beschränkte Vollstreckungsmöglichkeit geschaffen. Die Vorschrift ist deshalb auch auf die Räumungszwangsvollstreckung eines Zuschlagsbeschlusses gemäß § 93 Abs. 1 ZVG anwendbar.11)

Für die Annahme eines eingeschränkten Anwendungsbereichs der Bestimmung des § 885a ZPO auf den Fall, dass dem Gläubiger ein Vermieterpfandrecht zusteht, besteht kein Anlass.12)

Dem Wortlaut des § 885a ZPO lässt sich keine Einschränkung auf Vollstreckungen bei Bestehen eines Vermieterpfandrechts entnehmen. Gemäß § 885a Abs. 1 ZPO sind Vollstreckungsaufträge vielmehr allgemein auf Maß- nahmen nach § 885 Abs. 1 ZPO beschränkbar, so dass auf Zuschlagsbeschlüsse gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG gestützte Vollstreckungsaufträge erfasst werden.13)

siehe auch

1)
vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2005 - I ZB 45/05, NJW 2006, 848 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 16. Juli 2009 - I ZB 80/05, NJW-RR 2009, 1384 Rn. 8 ff.
2)
vgl. Regierungsentwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S. 15, 31
3) , 4) , 5) , 6) , 9) , 12) , 13)
BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - I ZB 66/16
7)
BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 - I ZB 78/11, NZM 2013, 395 Rn. 17 ff.
8)
vgl. BGH, NJWRR 2009, 1384 Rn. 9 f.; NZM 2013, 395 Rn. 18 mwN
10)
BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - I ZB 66/16 ; m.V.a. BGH, NZM 2013, 395 Rn. 19
11)
BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - I ZB 66/16 ; ebenso Zöller/Stöber aaO § 885a Rn. 2; Lackmann in Musielak/Voit aaO § 885a Rn. 1; Gruber in MünchKomm.ZPO aaO § 885a Rn. 6; Saenger/Kießling, ZPO, 7. Aufl., § 885a Rn. 4; Stürner in BeckOK.ZPO, 23. Edition, Stand 1. Dezember 2016, § 885a Rn. 2; Hilbig-Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl., § 885a Rn. 2; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 885a Rn. 1; Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 885a ZPO Rn. 4; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 885a ZPO Rn. 3; Bendtsen in Kindl/MellerHannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 885a ZPO Rn. 2, 4; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 15. Aufl., § 93 Rn. 4; Majer, NZM 2012, 67, 70; Schuschke, NZM 2012, 209, 212 f.; Flatow, NZW 2013, 1185, 1191
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