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verfahrensrecht:beschraenkte_nachpruefung_tatsaechlicher_feststellungen

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Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen

§ 559 (1) ZPO

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die im § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

Revision

Gemäß § 559 ZPO ist Grundlage der Prüfung des Revisionsgerichts grundsätzlich nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Berufungsurteil, einschließlich der in ihm enthaltenen Bezugnahmen, sowie aus dem Sitzungsprotokoll erschließt1). Deshalb muss aus einem Berufungsurteil, gegen das die Nichtzulassungsbeschwerde oder die Revision stattfindet, zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen2) Dies ist erforderlich, um dem Revisionsgericht im Falle der Nichtzulassung der Revision die Prüfung der Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO zu erlauben3). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, um abschließend beurteilen zu können, ob die Nichtzulassungsbeschwerde oder die Revision begründet ist 4).5)

§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen.6) Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann sich die Unstreitigkeit neuer Tatsachen bei Säumnis des Revisionsbeklagten auch daraus ergeben, dass das Vorbringen des Revisionsklägers nach § 555 Abs. 1 Satz 1, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO als zugestanden anzusehen ist.7)

Die Vorschrift des § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens oder nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Bei einer solchen Fallgestaltung ist es aus prozessökonomischen Gründen nicht gerechtfertigt, die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei auf einen weiteren, gegebenenfalls durch mehrere Instanzen zu führenden Prozess zu verweisen. Vielmehr ist in einem derartigen Fall durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen.8)

Gemäß § 313 Abs. 2 ZPO [→ Form und Inhalt des Urteils] sollen im Tatbestand des Urteils die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Diese Vorschrift gilt gemäß § 525 ZPO auch für das Berufungsurteil, und zwar mit der Maßgabe, dass das Berufungsurteil nach § 540 Abs. 1 ZPO anstelle des Tatbestandes die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen enthält. Des Tatbestandes bedarf es gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dann nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.9)

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist.

Ist eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO beantragt worden, kann eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil, aber auch in der Revisionsinstanz mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO geltend gemacht werden, soweit sich aus der den Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass seine tatbestandlichen Feststellungen widersprüchlich sind. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Tatbestand eines Berufungsurteils keinen Beweis für das Parteivorbringen liefert, wenn er widersprüchlich ist.10)

Ein solcher Widerspruch kann sich aus Unterschieden zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und einem konkret in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vorbringen einer Partei ergeben.11)

Die Vorschrift des § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist zwar einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens oder nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Tatsachen, die bereits vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstanden sind und von einer Partei erst während des Revisionsverfahrens vorgetragen werden, können vom Revisionsgericht jedoch nicht berücksichtigt werden.12)

§ 559 (2) ZPO

Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

siehe auch

1)
vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02, NJW-RR 2003, 1290, 1291; Urteil vom 28. September 2004 - VI ZR 362/03, VersR 2005, 958
2)
BGH, Urteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216, 218; Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 152/04, GRUR 2007, 807 Rn. 5 = WRP 2007, 955 - Fachanwälte
3)
BGHZ 156, 216, 218 f.
4)
vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1979 - VI ZR 154/78, BGHZ 73, 248, 252
5) , 9)
BGH, Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 164/13 - Neue Personenkraftwagen II
6)
BGH, Versäumnisurteil vom 23. März 2023 - I ZR 17/22; Bestätigung u.a. von BGH, Urteil vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99, NJW 2002, 1130 [juris Rn. 13]; Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14, GRUR 2017, 541 [juris Rn. 44] = WRP 2017, 579 - Videospiel-Konsolen III
7)
BGH, Versäumnisurteil vom 23. März 2023 - I ZR 17/22
8)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 27; Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 181/08, TranspR 2010, 376 Rn. 26; Urteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21 mwN
10)
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08 - Satan der Rache; m.V.a. BGH, Urteil vom 9. März 1995 - III ZR 44/94, NJW-RR 1995, 1058, 1060; Urteil vom 19. November 1998 - IX ZR 116/97, NJW 1999, 641, 642; Urteil vom 14. Januar 2010 - I ZR 4/08 Rn. 9, juris
11)
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08 - Satan der Rache; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1988 - V ZR 73/87, NJW 1989, 898; Urteil vom 22. September 2010 - VIII ZR 285/09, NJW 2011, 143 Rn. 58
12)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III; Fortführung von BGH, Urteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21 mwN
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