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patentrecht:unzulaessige_erweiterung_des_schutzbereichs

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Unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs

§ 22 (1) 2. Alt. PatG

Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe [→ Widerrufsgründe] vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

§ 22 (1) PatG → Nichtigkeitsgründe
§ 21 Abs. 1 PatG → Widerrufsgründe
§ 38 Satz 2 PatG → Unzulässige Änderung des Gegenstands der Anmeldung
§ 14 PatG → Schutzbereich

Nach § 22 PatG darf der Schutzbereich eines Patents nicht erweitert werden. Die unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs stellt einen Nichtigkeitsgrund dar und ist im Einspruchsverfahren bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren bei Änderung der Ansprüche durch den Patentinhaber von Amts wegen zu berücksichtigen.

Grundsatz des Vertrauensschutzes

Der in seiner heutigen Fassung durch das Gesetz über das Gemeinschaftspatent und zur Änderung patentrechtlicher Vorschriften (Gemeinschaftspatentgesetz, GPatG) vom 26. Juli 1979 (BGBl. I S. 1269) eingeführte Nichtigkeitsgrund der Erweiterung des Schutzbereichs beruht auf dem im deutschen Recht schon zuvor anerkannten und auch dem europäischen Patentrecht1) zu Grunde liegenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Allgemeinheit muss sich darauf verlassen können, dass ein erteiltes Patent nicht nachträglich einen erweiterten Schutzbereich erhält.2)

Disclaimer-Lösung

Wurde im Anmeldeverfahren oder Einspruchsverfahren eine unzulässige Erweiterung eingeführt, so kann das Patent möglicherweise durch die sogenannte Disclaimer-Lösung aufrecht erhalten werden.

Äquivalente

Wird ein Patentanspruch durch den – in der Patentschrift offenbarten – Zusatz „o. dgl.“ dahingehend geändert, dass nunmehr auch gleichwirkende Austauschmittel (Äquivalente) beansprucht werden, die vom Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 nicht umfasst werden, so stellt diese Änderung keine Beschränkung, sondern eine Verallgemeinerung dar, die zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs des Patents führt.3)

Nicht offenbarte Begriffe in den Patentansprüchen

Wird in einem Patentanspruch ein Begriff verwendet, der an keiner Stelle der ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart ist, führt dies dann nicht zu einer unzulässigen Änderung, wenn sich dieser Begriff dem Fachmann ohne weiteres Nachdenken bei einem Blick auf die Figuren der ursprünglichen Unterlagen erschließt.4)

Unzulässige Erweiterung bei Teilanmeldungen

Bei einer Teilanmeldung führt das Weglassen eines Merkmals oder dessen nachträgliche Kennzeichnung als fakultatives Merkmal dann nicht zu einer unzulässigen Erweiterung, wenn in der ursprünglichen (Stamm-)Anmeldung für den Fachmann offensichtlich erkennbar zwei verschiedene Gegenstände offenbart sind, von denen der erste im Stammpatent patentiert ist und beim zweiten, der durch die Teilanmeldung geschützt werden soll, das fragliche Merkmal offensichtlich ohne Bedeutung ist.5)

Prüfungsverfahren nach § 12 ErstrG

Der Schutzbereich eines Patents darf im Rahmen des in § 12 ErstrG vorgesehenen Prüfungsverfahrens nicht erweitert werden.6)

Keine Verschiebung der Priorität

Die nach früherem Recht gegebene Möglichkeit, die Folgen einer unzulässigen Erweiterung dadurch zu vermeiden, dass als Tag der Einreichung derjenige Tag behandelt wird, an dem die geänderten Unterlagen eingereicht worden sind, besteht nach der seit dem 1. Januar 1968 geltenden Rechtslage7) nicht mehr.8)

Gemäß § 38 Satz 2 PatG ist es generell ausgeschlossen, aus Änderungen, die den Gegenstand der Anmeldung erweitern, Rechte herzuleiten.9) [→ Unzulässige Änderung der Anmeldung]

1)
Art. 123 Abs. 3 EPÜ, dazu EPA, Beschluss vom 7. Mai 1999 - T 1149/97 - 3.4.2, ABl. EPA 2000, 659 Abs. 6.1.10 - Fluidwandler; Schulte, GRUR Int. 1989, 460
2)
BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter; m.V.a. BT-Drucks. 8/2087, S. 27 zu Nr. 12; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 22 Rn. 18; Busse/Schwendy, aaO, § 22 Rn. 25; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., § 26 B III 1 S. 610
3)
BPatG, Beschl. v. 11.08.2005 – 34 W (pat) 382/03
4)
BPatG Urt. v. 02.03.2004 – 1 Ni 22/02.
5)
BPatG Urt. v. 21.07.2004 – 4 Ni 17/03
6) , 9)
BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter
7)
§ 26 Abs. 5 Satz 2 PatG aF, nunmehr § 38 Satz 2 PatG
8)
BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter; m.V.a. BGH, Beschluss vom 12. Juli 1979 - X ZB 14/78, BGHZ 75, 143, 145 f. = GRUR 1979, 847 - Leitkörper
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