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patentrecht:haftung_des_lieferanten_fuer_die_patentverletzung

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Haftung des Lieferanten für die Patentverletzung

Für einen Spediteur oder Frachtführer hat der Bundesgerichtshof eine generelle Pflicht zur Überprüfung der transportierten Ware auf die Verletzung fremder Schutzrechte verneint [→ Haftung des Spediteurs oder Frachtführers für die Patentverletzung].1)

Ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, ist danach zwar nicht ohne weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen. Eine solche Überprüfungs- oder Überwachungspflicht kann jedoch entstehen, wenn es für ihn konkrete Anhaltspunkte gibt, die solche Handlungen als naheliegend erscheinen lassen.2)

Der Abnehmer eines Erzeugnisses ist grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, dieses nur in rechtlich zulässiger Weise einzusetzen. Der Lieferant hat mit einer patentrechtlich unbedenklichen Lieferung im Ausland nicht ohne weiteres einen Tatbestand verwirklicht, der eine besondere Gefährdungssituation für die Rechte des Patentinhabers schafft. Deshalb begründet die Belieferung für sich gesehen keine besonderen Schutzpflichten zugunsten des aus dem Patent Berechtigten.3)

Wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung fremder Schutzrechte vorliegen, muss der Spediteur oder Frachtführer aber die zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Verdacht aufzuklären. Ergibt die Aufklärung, dass eine Schutzrechtsverletzung vorliegt, darf er die Mitwirkung an der objektiv rechtswidrigen Handlung des Dritten nicht fortsetzen.4)

Diese Grundsätze gelten auch für eine im Ausland stattfindende Mitwirkung an einer im Inland begangenen Patentverletzung.5)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, an einer Benutzungshandlung im Inland beteiligt, wenn es weiß, dass der Abnehmer die Erzeugnisse nach Deutschland weiterliefert.6) Entsprechendes gilt bei fahrlässiger Beteiligung.7)

Eine Schutzpflicht des Lieferanten kann nicht nur dann bestehen, wenn dieser weiß, dass der Abnehmer die gelieferte Ware in das Inland weiterliefert oder dort anbietet. Der Lieferant ist vielmehr schon dann zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die solche Handlungen als naheliegend erscheinen lassen.8)

Die nur abstrakte Möglichkeit, dass der Abnehmer die gelieferte Ware in das Inland weiterliefern oder dort anbieten könnte, reicht hierfür allerdings nicht aus. Da der Lieferant prinzipiell nicht verpflichtet ist, das Verhalten seiner Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen, kann ihm grundsätzlich auch nicht angesonnen werden, eine Überprüfung schon deshalb vorzunehmen, weil eine patentrechtlich relevante Verwendung möglich erscheint, etwa deshalb, weil der Abnehmer Geschäftsbeziehungen ins Inland hat oder weil er ähnliche Erzeugnisse bereits in das Inland geliefert oder dort angeboten hat.9)

Vor diesem Hintergrund mögen konkrete Anhaltspunkte für eine Weiterlieferung ins Inland im praktischen Ergebnis häufig nur dann gegeben sein, wenn der Lieferant von einer tatsächlich erfolgten oder konkret bevorstehenden Weiterlieferung Kenntnis erhalten hat. Je nach den Umständen des einzelnen Falls können hinreichend konkrete Anhaltspunkte jedoch schon aufgrund sonstiger Umstände vorliegen - etwa deshalb, weil die abgenommene Menge so groß ist, dass sie schwerlich nur auf schutzrechtsfreien Märkten vertrieben werden kann, oder weil das Abnahmeverhalten auffällig mit einer wahrnehmbaren und potentiell schutzrechtsverletzenden Tätigkeit des Abnehmers auf dem inländischen Markt korreliert. Wenn solche konkreten Anhaltspunkte erkennbar zu Tage getreten sind, darf der Lieferant nicht mehr darauf vertrauen, dass sein Abnehmer von patentverletzenden Handlungen absehen wird. Er hat vielmehr Anlass, den Abnehmer nach Lieferungen und Angeboten in das Inland zu befragen und vorsorglich auf die Möglichkeit einer darin liegenden Patentverletzung hinzuweisen. Erfolgt auf eine solche Nachfrage keine plausible Antwort, so muss der Lieferant ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass er sich - wenn auch ohne positive Kenntnis - an einer fremden Patentverletzung beteiligt. In dieser Situation verletzt er mit einer unveränderten Fortsetzung seiner Lieferungen auch dann eine dem Schutz des fremden Patents dienende Verhaltenspflicht, wenn er subjektiv von einem rechtskonformen Verhalten des Abnehmers ausgeht.10)

Eine Tätigkeit des Abnehmers auf dem einschlägigen inländischen Markt mag zwar die abstrakte Möglichkeit begründen, dass dieser auch die in Rede stehenden Erzeugnisse dorthin liefert oder dort anbietet. Aus einer solchen Möglichkeit kann sich aber aus den oben genannten Gründen noch keine Überprüfungspflicht für den Lieferanten ergeben.11)

Je nach Fallgestaltung mag der Umstand, dass ein Produkt durch beigefügte Bedienungsanleitungen oder dergleichen in besonderer Weise für einen bestimmten Markt sinnfällig hergerichtet ist, allerdings für eine Vertriebstätigkeit auf diesem Markt sprechen.12)

Ähnlich wie im Falle einer mittelbaren Patentverletzung durch Lieferung auch patentfrei verwendbarer Mittel13) ist aufgrund einer tatrichterlichen Abwägung im Einzelfall zu entscheiden, welche Maßnahmen dem Verpflichteten zumutbar sind, um Patentverletzungen durch seine Abnehmer zu vermeiden14). Für die Beurteilung dieser Frage kann auch von Bedeutung sein, in welchem Umfang es bereits zu Verletzungshandlungen durch die Abnehmer gekommen ist, welchen Kenntnisstand die Abnehmer haben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie sich bewusst der Gefahr einer Inanspruchnahme wegen Patentverletzung durch Weiterlieferung der von der Beklagten bezogenen Erzeugnisse aussetzen, und welche anderen rechtlichen Möglichkeiten der Berechtigte hat, gegen die patentverletzenden Handlungen des Abnehmers vorzugehen.15)

Hat ein im Ausland ansässiger Hersteller einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, obwohl konkrete Anhaltspunkte es als naheliegend erscheinen ließen, dass der Abnehmer die gelieferte Ware trotz dort bestehenden Patentschutzes im Inland anbieten oder in Verkehr bringen wird, bestehen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Bezug auf andere Abnehmer nur insoweit, als in Bezug auf diese dieselben charakteristischen Umstände vorliegen, die die Rechtswidrigkeit der Lieferung an den einen Abnehmer begründen.16)

Diese Umstände sind im Klageantrag oder in der Klagebegründung sowie in einem der Klage stattgebenden Urteil oder dessen Gründen konkret zu umschreiben.17)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGHZ 182, 245 = GRUR 2009, 1142 Rn. 41 - MP3-Player-Import
2)
BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - Ultraschallwandler; m.V.a. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 = GRUR 2017, 785 Rn. 62 - Abdichtsystem
3) , 5) , 8) , 9) , 10) , 11) , 12) , 15)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem
4)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGHZ 182, 245 = GRUR 2009, 1142 Rn. 45 - MP3-Player-Import
6)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 69/13, BGHZ 204, 114 = GRUR 2015, 467 Rn. 26 - Audiosignalcodierung
7)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2002 - X ZR 36/01, GRUR 2002, 599 - Funkuhr I
13)
dazu BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 - X ZR 153/03, BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839 Rn. 27 - Deckenheizung
14)
BGH, Urteil vom 8. November 1960 - I ZR 67/59, GRUR 1961, 627, 628 - Metallspritzverfahren; Urteil vom 30. April 1964 - Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II
16)
BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - Ultraschallwandler
17)
BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - Ultraschallwandler ; Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 62 ff. - Abdichtsystem
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