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markenrecht:klarheit_und_eindeutigkeit_des_verzeichnisses_der_waren_und_dienstleistungen

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Klarheit und Eindeutigkeit des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen

Die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom Anmelder verlangt, die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können.1)

Erforderlich ist eine sachliche Bestimmung der Waren und Dienstleistungen, so dass eine klare Abgrenzung zu nicht beanspruchten Waren und Dienstleistungen möglich ist.2)

In der täglichen Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts wird verlangt dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis im Interesse der Rechtssicherheit klar und eindeutig formuliert wird.3)

Das Deutsche Patent- und Markenamt ist verpflichtet, unklare Angaben im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis aufzuklären. Die Anmelderin trifft dabei eine Pflicht zur Sachaufklärung beim Erlass des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts.4)

Die bloße „summarische“ Überprüfung eines unklaren Verzeichnisses durch das Deutsche Patent- und Markenamt ist ein Begründungsmangel im Sinn von § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG. Auch im Interesse der Verfahrensökonomie ist nicht auf eine Behebung von Verfahrensmängeln zu verzichten. Dies gilt auch, wenn das angemeldete Zeichen insgesamt für nicht schutzfähig gehalten wird.5)

Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis muss in Ausfüllung der o. g. Vorschriften der MarkenV nach Ziffer 4.4. der Richtlinien für die Prüfung von Markenanmeldungen (BlPMZ 2005, 245 ff.) nicht nur eine eindeutige Klassifizierung ermöglichen, sondern auch die Waren und Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke - auch im Registerverfahren - eindeutig feststellbar ist. Die Richtlinie sieht daher vor, dass die Markenstelle den Anmelder aufzufordern hat, „unbestimmte, erläuterungsbedürftige oder unzulässige Begriffe“ zu klären und die Mängel zu beseitigen.6)

Bei einer Verwendung der in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Oberbegriffe muss der Anmelder klarstellen, ob sich die Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführte Ware oder Dienstleistungen bezieht und diese gegebenenfalls benennen.7)

Nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des EuGH erfüllt eine Anmeldung, die nicht erkennen lässt, ob der Anmelder durch die Verwendung der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation alle oder nur einen Teil der Waren dieser Klasse beansprucht, nicht das Erfordernis der hinreichenden Klarheit und Eindeutigkeit.8)

Nach dem auch vor der genannten Entscheidung des EuGH maßgeblichen deutschen Rechtsverständnis muss das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen die angegebenen Waren/Dienstleistungen so hinreichend klar bestimmen, dass der Schutzumfang der Marke auch im Registerverfahren schnell, umfassend und unmissverständlich feststellbar ist.9)

Hintergrund ist, dass Dritte und insbesondere Konkurrenten eines Anmelders bzw. Markeninhabers klar und eindeutig aus dem Register ersehen können müssen, auf welche bestimmten Waren/Dienstleistungen sich der Schutz einer Marke erstreckt. Mit dieser „Publizitätsfunktion“ des Markenregisters ist eine Rechtsunsicherheit dahingehend, dass sich der Schutzumfang eines eingetragenen Zeichens nicht allein anhand des Registers bestimmen lässt, sondern im Rahmen einer Markenrecherche unter Zuhilfenahme externer Datenbanken zum jeweils einschlägigen Inhalt der Nizzaer Klassifikation, nicht zu vereinbaren. Die Klassenüberschriften einer Klasse wiederum dienen allein dazu, bestimmte Sachgebiete zu bezeichnen, um eine brauchbare Einteilung aller nur denkbaren Waren oder Dienstleistungen zu ermöglichen. Aus der Natur der Sache heraus kann eine solche Einteilung nicht umfassend sein, sodass sich eine Vielzahl von Waren/Dienstleistungen eines Sachgebiets schlichtweg nicht unter die Oberbegriffe der Klassenüberschriften subsumieren lassen wird. Daraus ergibt sich aber auch, dass die Klassenüberschriften keine wirklich aus sich heraus verständliche, zuverlässige und ausreichend eingrenzbare Information über die konkret erfassten Waren oder Dienstleistungen liefern können. Die Annahme, alle Waren oder Dienstleistungen der Klasse seien vollständig vom Schutz erfasst, würde im Ergebnis der Publizitätsfunktion des Markenregisters widersprechen, weil dann der Schutzgegenstand der eingetragenen Marke tatsächlich nur aufgrund einer Recherche in den Waren und Dienstleistungen der Nizzaer Klassifikation zu ermitteln wäre, die zum maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft war. Angesichts dessen ist kein Raum für eine Auslegung des Verzeichnisses dahingehend, dass bei Verwendung eines Oberbegriffs auch solche Waren vom Schutz einer Marke umfasst sind, die möglicherweise mit dem Oberbegriff in direktem Zusammenhang stehen, von dem Begriff aber nach dem üblichem Sprachverständnis nicht umfasst sind. Dies gilt erst recht, wenn ein möglicher, die Ware umfassender Oberbegriff zu einem späteren Zeitpunkt entfallen ist. Eine Auslegung des Warenverzeichnisses, dass auch nach dem Wegfall des Oberbegriffs darunter fallende Begriffe noch vom Schutz der Marke umfasst sind, ist widersinnig und offensichtlich unzulässig. Eine solche Auslegung widerspräche dem klaren und objektiven Erklärungsinhalt einer vorausgegangenen entsprechenden Verzichtserklärung bzw. ggfs. Löschungsanordnung.10)

Ausgehend von den vorstehenden dargestellten Rechtsgrundsätzen auch die aktuelle Rechtsauffassung und Amtspraxis des HABM gemäß den Mitteilungen des Präsidenten des Amtes Nr. 4/03 vom 16. Juli 2003 und 2/12 vom 20. Juni 2012, wonach Marken, die vor dem 20. Juni 2012 eingetragen worden sind und die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis alle (zum Zeitpunkt der Anmeldung) in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe enthalten, Schutz genießen sollen in Bezug auf sämtliche in der maßgeblichen alphabetischen Liste zu der entsprechenden Klasse enthaltenen Produkte, fundamentalen registerrechtlichen Grundsätzen und auch der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH gemäß IP-Translator (a. a. O.) widerspricht. Zunächst ist es für die Öffentlichkeit und insbesondere für die Mitbewerber von Inhabern solcher Marken bereits schwierig festzustellen, ob die betreffende Marke überhaupt unter diese Kategorie von Marken mit allen in der Klassenüberschrift enthaltenen Oberbegriffen einer bestimmten Klasse fällt. Denn auch diese Oberbegriffe unterliegen einem gewissen Wandel. So ist z. B. in der Klasse 29 das „tiefgekühlte Obst und Gemüse“ erst nach dem Jahr 2006 in die Klassenüberschrift aufgenommen worden. Die Feststellung, ob eine bestimmte Marke unter die oben bezeichnete Kategorie fällt, kann also nur dann sicher getroffen werden, wenn die zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgebliche Auflistung von Oberbegriffen in der jeweiligen Klassenüberschrift mit der Liste der beanspruchten Produkte verglichen wird. Auch wenn bei diesem Datenabgleich eine exakte Übereinstimmung festgestellt werden kann, steht der Schutzumfang der Marke gleichwohl noch nicht fest. Denn hierzu muss auch noch die zum Zeitpunkt der Anmeldung maßgebliche alphabetische Liste der Nizzaer Klassifikation, die ebenfalls einem beständigen Wandel unterliegt, hinzugezogen werden. Der Schutzumfang einer solchen Marke kann demzufolge nicht unmittelbar aus dem Register entnommen werden. Vielmehr bedarf es hierfür eines zweistufigen Datenabgleichs, wobei diese Daten, insbesondere dann, wenn die Anmeldung mehrere Jahre zurückliegt, noch nicht einmal ohne weiteres zugänglich sind. Die Feststellung des genauen Schutzumfangs einer solchen Marke verlangt selbst von ausgewiesenen Klassifikationsexperten einen nicht unerheblichen Rechercheaufwand. Nach Auffassung des Senats ist offen sichtlich, dass diese Rechtsmeinung und Praxis des HABM mit dem registerrechtlichen Publizitätsgedanken, durch den das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Mitbewerber befriedigt werden soll, nicht vereinbar ist. Soweit der EuG inzwischen in zwei Entscheidungen11) die Praxis des HABM u. a. mit Vertrauensschutzerwägungen gebilligt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Fundamentale Grundsätze des Registerrechts, durch die das überragend wichtige Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere der Mitbewerber in Bezug auf den Schutzumfang einer Marke (eines Konkurrenten) realisiert wird, können und dürfen nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Einzelner geopfert werden.12)

siehe auch

§ 32 (2) Nr. 3 MarkenG → Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen

1)
BPatG, Urt. v. 15. Januar 2015 - 25 W (pat) 76/11 - Yosaja / YOSOI; m.V.a. EuGH, a. a. O.- IP-Translator, Tz. 49; ebenso Urteil vom 10. Juli 2014 – C- 420/13 – Netto Marken-Discount, Tz. 44 – juris
2)
BGH GRUR 1985, 1055. 1056 – Datenverarbeitungsprogramme als Ware; BPatGE 32, 78; Kramer in Heidelberger Kommentara - MarkenR, § 32 MarkenG Rn. 43
3)
BPatG, Beschl. v. 23. August 2006 - 26 W (pat) 360/03; m.V.a. BPatG, Beschl. v. 18. 12. 2001 - 24 W (pat) 87/01 - GEOPLAN; Beschl. v. 4. 6. 2002 - 24 W (pat) 61/01 - per Kurier Der bringt’s; Beschl. v. 6. 10. 1998 - 24 W (pat) 79/98 - EXTRANET; jeweils veröff. auf der PAVIS-CD-ROM; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 32 MarkenG Rn. 36, 37; Ströbele/Hacker/Kirschneck, a. a. O., § 32 MarkenG Rn. 71, 84
4) , 5)
BPatG, Beschl. v. 8.7.2003, 33 W (pat) 94/02
6)
BPatG, Beschl. v. 23. August 2006 - 26 W (pat) 360/03
7)
BPatG, Urt. v. 15. Januar 2015 - 25 W (pat) 76/11 - Yosaja / YOSOI; m.V.a. EuGH, a. a. O. – IP-Translator, Tz. 61; a. a. O. – Netto Marken-Discount, Tz. 49, 51
8) , 10) , 12)
BPatG, Urt. v. 15. Januar 2015 - 25 W (pat) 76/11 - Yosaja / YOSOI
9)
BPatG, Urt. v. 15. Januar 2015 - 25 W (pat) 76/11 - Yosaja / YOSOI; m.V.a. die Mitteilung Nr. 11/12 der Präsidentin des DPMA über die Verwendung der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation für die Eintragung von Marken vom 29. Juni 2012, Homepage DPMA – www.dpma.de; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 32 Rdnr. 98; Ströbele in Mitt. 2004, 251
11)
vgl. dazu die Urteile des EuG in den Verfahren T-66/11 vom 31. Januar 2013 – babilu/BABIDU und T-51/12 vom 30. September 2014 – LAMBRETTA I; beide Entscheidungen sind kurz dargestellt und kommentiert in GRUR-Prax, nämlich GRUR-Prax 2013, 82 und GRUR-Prax 214, 496
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